Strategien gegen die Kitakrise
Kita-Gipfel spricht sich für mehr Quereinsteiger und neue Ausbildungsregelungen aus
Um den gesetzlichen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für jedes Kind in Berlin dauerhaft sicherzustellen, soll der Quereinstieg in den Erzieherberuf verstärkt gefördert und die Erzieherausbildung für Menschen mit mittlerem Schulabschluss geöffnet werden. Zudem sollen Erzieher zukünftig mehr Geld bekommen. Soll der Beruf für gelernte Fachkräfte attraktiver gemacht werden. Auch soll es ein neues Stipendienprogramm speziell für Menschen geben, die sich für eine Erzieherausbildung in Teil- oder Vollzeit interessieren.
Auf diese Maßnahmen haben sich die Beteiligten des Kita-Gipfels geeinigt, der am Freitag auf Einladung von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) in der Senatsbildungsverwaltung in Mitte stattfand. »Wir haben uns in einer überaus konstruktiven Diskussion auf Maßnahmen für eine Übergangsstrategie verständigt«, sagte Scheeres. Zuvor hatte die Senatorin über drei Stunden lang mit mit mehr als 20 Vertreterinnen und Vertretern von Kita-Verbänden, Bezirken, den Gewerkschaften GEW und ver.di, Eltern und Fachschulen über Strategien gegen den Fachkräftemangel an den Kitas diskutiert. Darüber hinaus ging es auch um Hilfsmöglichkeiten für Eltern, die bislang noch keinen Kitaplatz finden konnten.
»Wir wollen schnellstmöglich einen Kita-Navigator erarbeiten, der den Eltern im Internet einen besseren Überblick über in der Stadt freien Plätze gibt«, sagte Scheeres. Auch denke man über vom Senat bezahlte Babysitter nach, die in Notfällen zumindest zeitweise den Kitaplatz ersetzen sollen. »Die aktuelle Kita-Situation stellt uns vor große Herausforderungen«, sagte Scheeres.
Die Senatorin sah sich spätestens nach der großen Demonstration des Elternbündnisses »Kitakrise« Ende Mai zu der Einberufung des Spitzengespräch gezwungen. Die Eltern waren auf die Straße gegangen, um ihren Unmut über die aktuelle Situation an den Kindertagesstätten Luft zu machen.
Denn obwohl das Land die Betreuung in den letzten Jahren weiter ausgebaut hat, fehlen aktuell rund 3000 Kitaplätze. Das hat weniger damit zu tun, dass es in Berlin zu wenig Kitas gebe. Das Hauptproblem ist der eklatante Mangel an Erzieherinnen und Erzieher. Auch die jüngste Ausbildungsoffensive und das Werben um Quereinsteiger konnte den Mangel bisher nicht nachhaltig bekämpfen.
»Auch wenn wir finden, dass so ein Gipfel viel früher hätte stattfinden müssen, sind wir froh, dass es jetzt endlich zu konkreten Maßnahmen kommt«, sagte Katharina Mahrt vom Elternbündnis »Kitakrise«. Für sie als Elternvertreterin sei es wichtig, als Gesprächspartner ernst genommen zu werden.
Roland Kern, Sprecher des Dachverbands der Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS), sprach mit Blick auf die Diskussionen von einem großen Fortschritt. »Alle Beteiligten wollen den Kitaplatz für jedes Kind und dabei die Qualitätsstandards in der Betreuung sichern«, sagte Kern. Um möglichst schnell Fachpersonal in die Kitas zu bekommen, sei die Absenkung des Zugangs zur Erzieherausbildung ein wichtiger Schritt. »Auch wenn es uns nicht allen so leicht fällt, müssen wir an unsere jeweiligen Schmerzgrenzen gehen«, so Kern.
Die Berliner Vorsitzende der GEW, Doreen Siebernik, betonte, dass es vor allem eine bessere Bezahlung für die Erzieherinnen und Erzieher brauche. »Die Absenkung des Ausbildungszugangs darf nur eine temporäre Maßnahme sein«, sagte Siebernik. Wenn es zum Regelfall werde, dass Menschen mit mittlerem Abschluss die Erzieherausbildung absolvieren können, wirke sich das negativ auf die Bezahlung aus, kritisierte Siebernik.
Einer aktuellen Umfrage der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zufolge sind viele Kitaangestellte mit der gegenwärtigen Situation unzufrieden. An der Onlinebefragung nahmen rund 700 Erzieher teil. Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen den Personalmangel, gegen zu große Gruppen und das oftmals schlechte Betriebsklima. Danach folgen Probleme beim Einsatz von Personal, zu hohe Arbeitsanforderungen sowie gesundheitsbelastende Faktoren.
Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), sagte, dass »die Zeit des Briefeschreibens« mit dem Kita-Gipfel endlich vorbei sei. »Alle Problemfelder lagen heute auf dem Tisch«. Sie sei zuversichtlich, dass jetzt schnell Ergebnisse geliefert werden könnten. »Unser Ziel ist es, dass Kitasystem dauerhaft krisenfest zu machen«, sagte Herrmann.
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