Gipfel ohne klare Aussicht

Kein Kompromiss in der Krim-Frage beim Treffen Trumps mit Putin in Helsinki

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit Blick auf das Gipfeltreffen der USA und Russland am 16. Juli in Finnland geriet der Besuch einer Kongress-Delegation in Moskau am Dienstag zu einer Art Vorauskommando. Man hoffe »auf bessere Beziehungen«, wurde der republikanische Delegationsleiter Richard Shelby zitiert. Moskau und Washington könnten Konkurrenten, aber sollten keine Feinde sein. Die Gäste hatten einen Termin beim Parlamentsvorsitzenden Wjatscheslaw Wolodin, aber noch keinen bei Präsident Wladimir Putin. Wie Präsident Donald Trump, der mit dem Kreml-Hausherrn erst einmal unter vier Augen sprechen will, baten auch sie um Ausschluss der Presse. Dem entsprach der Gastgeber und meinte, die Senatoren legten offenbar Wert auf ein ernsthaftes Gespräch.

Vorab äußerte Oberhauschefin Walentina Matwijenko gegenüber dem Fernsehkanal »Rossija 1« die Hoffnung, dass die US-Abgeordneten trotz aller »russophoben Politik« ihre Meinung über Russland ändern würden. Das wäre dann eine Wirkung direkter Begegnungen und persönlichen Augenscheins, wie sie ja schon bei WM-Besuchern eindrucksvoll erzielt werden konnte. Gerade Helsinki steht eben dafür - mit dem legendären Korb 3 über den Austausch von Menschen und Meinungen der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit.

Mit seiner Bemerkung, dass vielleicht etwas Gutes dabei herauskommen werde, scheint hier auch Trump nicht widersprechen zu wollen: »Es kann viel passieren, wenn man die Leute trifft.« Von seiner Hoffnung auf »wenigstens erste Schritte zur Wiederherstellung umfassender Beziehungen zwischen unseren Staaten«, sprach Putin bei einem Sondierungs-Treffen mit Sicherheitsberater John Bolton: »Russland hat niemals nach einer Konfrontation gestrebt.«

Präsidentenberater Juri Uschakow brachte die Aussicht auf eine gemeinsame Erklärung ins Spiel, die weitere Schritte zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen aufzeige, auch zu einem gemeinsamen internationalen Vorgehen und der Sicherung internationaler Stabilität und Sicherheit. Letzteres dürfte auf die Rettung von Verträgen zur nuklearen Sicherheit und Kontrolle zielen. Kremlsprecher Dmitri Peskow mochte nicht von Erwärmung sprechen und verwies auf zahlreiche »diametral gegensätzliche Standpunkte«, doch es komme zum Dialog auf höchster Ebene.

Die bislang genannten Gipfelthemen sind allesamt gründlich verminte Konfliktfelder: Russlands angebliche Einmischung in den US-Wahlkampf, die Ukraine-Krise und die Krim, Iran und der Syrienkonflikt. Hinzu kommen die westlichen und die Gegensanktionen.

Ankündigungen einer beabsichtigten Verbesserung der Beziehungen zu Russland büßte Trump bisher stets noch mit immer neuen Anschuldigungen seiner Widersacher, Nutznießer Moskauer Einflussnahme auf die Wahlen gewesen zu sein. »Wir werden über die Ukraine sprechen, wir werden über Syrien sprechen, wir werden über Wahlen sprechen«, kündigte er nun an.

Zur Krim schien der US-Präsident überraschend Spielraum zu lassen. Auf die Frage von Reportern, ob er von der Verurteilung der Annexion abrücken wolle, antwortete er an Bord der Air Force One ausweichend: »Das werden wir sehen.« Am Montag korrigierte seine Sprecherin: Die Sanktionen werden erst aufgehoben, wenn die Krim wieder ukrainisch ist. Der Kreml mauert, er diskutiere nicht über die Anerkennung der Krim als russisches Territorium.

Nicht zu vergessen wäre der noch von Trumps Vorgänger Barack Obama in den letzten Tagen seiner Amtszeit mit dem Rausschmiss Dutzender russischer Beamter und Angestellter aus den USA entfesselte diplomatische Krieg. Mit einiger Verspätung zahlte Moskau mit gleicher Münze heim, reagierte auch »spiegelbildlich« auf die Schließung eigener konsularischer Vertretungen und diplomatischer Einrichtungen.

Die von London aggressiv antirussisch genutzte Skripal-Affäre trug ein Übriges zur Vergiftung der Ost-West-Beziehungen bei. Auf Sanktionen folgten wie stets Gegensanktionen. Allerdings ist es um den Mordversuch an dem Ex-Doppelagenten und seiner Tochter ausgesprochen ruhig geworden. Auch nach solidarischen »Vergeltungsschlägen« des Westens im Vertrauen auf wütende Londoner Unterstellungen gegen den Kreml, blieb auch nur der geringste Beweis für russische Mitwirkung aus und die Wahrheit verborgen.

Es scheint sogar in spätestens seit der Ukrainekrise 2014 auch in Deutschland stramm antirussisch ausgerichtete Medien etwas Realismus zu sickern. Kiew erlitt eine peinliche Pleite mit dem Versuch einer Neuauflage der Londoner Skripal-Propaganda-Kampagne. Den von ukrainischen Geheimdiensten vorgetäuschten Mord an dem 20 Stunden später quicklebendig wieder auferstandenen russischen Exiljournalisten Arkadi Babtschenko nahm man einfach nur noch übel.

Die Chefs vom Weißen Haus und Kreml treffen sich wohlweislich auf neutralem Boden zu ihrem ersten wirklich offiziellen Gipfel. Die beiden atomaren Supermächte machten mit Finnland bereits Erfahrungen. In Helsinki gab es 1990 ein Gipfeltreffen der damaligen Präsidenten George Bush mit dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow zur Golfkrise. 1997 hatte sich hier Russlands Präsident Boris Jelzin bei einem Gipfel mit US-Präsident Bill Clinton noch einmal energisch, aber erfolglos gegen die NATO-Osterweiterung zu wehren versucht. Nach Übernahme der US-Präsidentschaft trafen sich Trump und Putin erstmals beim G20-Gipfel vor einem Jahr in Hamburg. Danach gab es eine Begegnung »auf dem Gang« beim Treffen der Gruppe Asiatischer und Pazifischer Staaten (APEC) im November in Vietnam.

Zugeständnisse werde es nicht geben und es sei ein großes Rätsel, worüber sich die Gesprächspartner einigen könnten, fragt sich nicht nur das Nachrichtenportal »rosbalt.ru«. Was solle der Gipfel überhaupt und wer könne die meisten Punkte machen? Beide Seiten hätten kaum Bewegungsspielraum. Russlands Außenminister Sergej Lawrow klagte gegenüber der italienischen Zeitschrift »Panorama«, es gebe immer mehr Probleme in den zwischenstaatlichen Beziehungen, »und der Raum für ein konstruktives Zusammenwirken wird immer knapper«.

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