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Angriff auf den Schrittmacher der Wirtschaft
Im Handelsstreit mit den USA reagiert China auf Zölle mit Zöllen / Unkonventionelle Maßnahmen gefordert
Der Schlagabtausch im Handelskrieg zwischen den USA und China wird härter. Auf der amerikanischen Seite sind am Freitag Zölle auf Waren mit einem jährlichen Handelsvolumen von gut 40 Milliarden Dollar in Kraft getreten. China wiederum hat noch am gleichen Tag Einfuhren mit einem ähnlich hohen Wert belastet. »Die USA haben den größten Handelskrieg in der Geschichte losgetreten«, wetterte das Handelsministerium in Peking. »Wir sind nun gezwungen, die nötigen Gegenmaßnahmen einzuleiten.«
Schon vor zwei Wochen hatte China eine Liste mit Warengruppen vorgelegt, auf die nun quasi automatisch höhere Zölle fällig werden. Betroffen sind unter anderem Elektroautos und Agrarprodukte. Die USA exportieren massenhaft Sojabohnen, Obst, Weizen und Wein nach China.
Die amerikanischen Zölle wiederum betreffen vor allem Elektroprodukte. Denn Präsident Donald Trump will nach eigener Aussage vor allem dem Aufstieg Chinas zum Technikanbieter entgegenwirken und das Land für Ideenklau in der Vergangenheit strafen. Trump verhält sich bei der Begründung seiner Politik, wie so oft, widersprüchlich. Einerseits nennt er oft klassische Industriewaren wie Autos und Stahl, wenn er die Bedrohung durch China beschreibt. Zuletzt hat er sich jedoch vor allem auf die Initiative »Made in China 2025« eingeschossen, mit der China die eigene Industrie aufwerten und die Lebensverhältnisse im Land verbessern will.
Tatsächlich hat ein erheblicher Techniktransfer in den vergangenen zwei Jahrzehnten Chinas Entwicklung stark beschleunigt. Doch Ökonomen wie Wirtschaftsmanager sind sich einig, dass sich die Uhr nicht zurückdrehen lässt - und dass das auch nicht sinnvoll wäre, schließlich ist ein reiches China ein zahlungskräftigerer Wirtschaftspartner. Abgesehen davon hat jedes Land das Recht, sich zu entwickeln und dafür auch eine konsequente Industriepolitik zu betreiben.
Trumps Angriff auf Lieferungen von Technik-Produkte aus Fernost könnte jedoch einen unerwarteten Effekt haben. China ist nicht nur der weltgrößte Produktionsstandort für Elektronik, sondern auch eine Drehscheibe für Zwischen- und Endfertigung. Damit sind auch die Lieferketten von Firmen betroffen, für die China nur eine Zwischenstation in einem globalen Herstellungsprozess ist. Viele davon kommen aus den USA und tragen bekannte Namen wie HP, Dell oder Apple. Eine Störung dieser Beziehungen kann sich in den betreffenden Branchen wie eine Welle um den Globus fortsetzen.
Während die Kontrahenten in dieser dritten Runde des Handelskonflikts Zölle in vergleichbarer Höhe verhängt haben, wird sich der Charakter des Schlagabtauschs zukünftig ändern. Denn Trump hat bereits mit neuen Belastungen auf Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar gedroht. Hierauf kann China jedoch nicht mehr mit eigenen Zöllen reagieren: Es importiert einfach nicht genug aus Amerika. Im Gespräch sind daher nun andere Vergeltungsmöglichkeiten, z.B. die Drosselung der Vergabe von Krediten an die US-Regierung. Denn die staatliche Devisenaufsicht des Landes kauft von allem amerikanische Staatsanleihen, um die im Handel eingenommenen Dollar anzulegen. Auch ein Verbot amerikanischer Filme und Fernsehserien käme in Frage.
Schon jetzt zeichnet sich eine Abwertung der chinesischen Währung ab. Würde sie sich fortsetzen, wären die eigenen Waren auf dem Weltmarkt billiger. Auch eine Propagandakampagne mit Boykottaufrufen von US-Produkten und eingeworfene Scheiben bei Starbucks wäre für Peking leicht einzuleiten.
Die chinesischen Politiker wollen eine Eskalation immer noch vermeiden und senden hinter den Kulissen weiter Kompromissangebote nach Washington. Das geht schon aus der Sprache des Handelsministeriums hervor: Es sei nun Zeit für den »notwendigen« Gegenangriff. Die neuen Zölle seien an den US-Angriff »angepasst«, man bemühe sich um eine »angemessene« Reaktion.
Die chinesischen Staatsmedien spielen derzeit zwar die Folgen der Auseinandersetzung herunter, doch die Führung macht sich offenbar durchaus Sorgen. »Die Entscheider befürchten bei Fortsetzung des Streits eine deutliche Verlangsamung des Wachstums«, sagt Ökonom Lu Ting von dem Wertpapierhaus Nomura. Das zeige sich auch an der lockereren Geldpolitik und gesteigerten Konjunkturförderung in den vergangenen Wochen.
Die USA sind ihrerseits in gigantischem Maße an Einfuhren aus China gewöhnt. Das fängt beim preiswerten Stahl als Ausgangsprodukt für viele Branchen an: US-Getränkehersteller fürchten, den Preis für Limo in Dosen anheben zu müssen; Anbieter von Fahrwerken für Container kämpfen jetzt schon mit höheren Kosten ...
Vor allem aber betrifft die Abhängig der USA von Asien das Herz jedes modernen Produkts: die Mikrochips. China hat einen weltweiten Marktanteil von 60 Prozent bei Halbleitern. Die USA haben Peking kürzlich erst vorgemacht, wie es geht: Indem sie dem chinesischen Telekom-Ausrüster ZTE die Lieferung elektronischer Bauteile verweigerten, haben sie ihn praktisch den Konkurs gezwungen. Was, wenn China umgekehrt keine Chips mehr an die Amerikaner liefert? Ein Ölembargo wäre ein Witz dagegen. Im ganzen Land müssten Hersteller ganz unterschiedlicher Waren, vom Flugzeug bis zum Herzschrittmacher, ihre Produktion einstellen.
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