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Musiker darf nicht Antisemit genannt werden
Landgericht Regensburg: Beklagte kann Antisemitismusvorwurf gegen Xavier Naidoo nicht ausreichend belegen / Amadeu-Antonio-Stiftung: Äußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt
Regensburg. Popsänger Xavier Naidoo (46, »Ich kenne nichts«) hat sich erfolgreich gegen Antisemitismusvorwürfe gewehrt. Das Landgericht Regensburg untersagte es einer Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung, den Sänger als Antisemiten zu bezeichnen. Sie habe diesen Vorwurf nicht ausreichend belegen können, sagte Richterin Barbara Pöschl am Dienstag bei der Urteilsverlesung. Die Referentin hatte im vergangenen Jahr in Straubing vor Publikum gesagt: »Er ist Antisemit, das ist strukturell nachweisbar.«
Die Stiftung setzt sich gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus ein. Weder Naidoo noch die Referentin waren bei der Urteilsverkündung anwesend.
Naidoo, Sänger der Band Söhne Mannheims, hatte sich in der Verhandlung vor drei Wochen auf die Kunstfreiheit berufen und betont, dass er sich gegen Rassismus einsetze. Den Vorwurf antisemitischer Ressentiments wies er im Gerichtssaal zurück. Sein Sohn trage zudem einen hebräischen Namen. Die Beklagte hatte dargelegt, dass Naidoo in seinen Liedtexten auch antisemitische Codes und Chiffren verwende. Diese seien ihm nicht bekannt, hielt der Musiker dagegen.
Der Vorwurf, ein Antisemit zu sein, greife in Naidoos Persönlichkeitsrecht ein, zudem sei bei dem Sänger der Schutz der Kunstfreiheit zu berücksichtigen, erläuterte die Richterin. Die Beklagte könne sich auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufen, jedoch wiege hier das Recht auf Schutz der Persönlichkeit schwerer.
Der Satz »Er ist Antisemit« sage, dass Naidoo in ganzer Person ein Antisemit sei - über die zitierten Liedtexte hinaus. Das habe die Beklagte nicht ausreichend belegen können. Der Sänger dagegen habe sich glaubhaft von der Verwendung antisemitischer Ressentiments und Codewörter in seinen Texten distanziert.
Die Richterin betonte, dass das Gericht nicht beurteilt habe, ob die Texte von Naidoo antisemitisch sind oder nicht. »Man kann ihn nicht festlegen.« Aber: Er habe die Texte anders verstanden haben wollen und seine Distanzierung sei glaubwürdig gewesen. Antisemit zu sein, sei in Deutschland ein »sehr grober Vorwurf«, die Beklagte habe diesen zu unterlassen. Nach dem Urteil ist es ihr nun verboten, dies zu wiederholen. Andernfalls drohen ihr Ordnungsgeld oder Ordnungshaft.
Allerdings ist es ihr möglich, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen. Nach Angaben der Stifung prüft die Referentin nun, genau dies zu tun. »Die Entscheidung des Gerichts ist enttäuschend und greift in die Meinungsfreiheit ein. Das Urteil ist ein fatales Signal für die politische Bildung«, so die beklagte Referentin in einer Erklärung.
Auch die Amadeu-Antonio-Stiftung schätzt die vom Landgericht Regensburg verbotene Äußerung als von der Meinungsfreiheit gedeckt ein. Man halte es »für unerlässlich, antisemitische Äußerungen und Verschwörungserzählungen auch als solche zu bezeichnen.«
Naidoos Anwalt Frank Wolf kommentierte, das Urteil komme nicht unerwartet, weil die herabwürdigende Bezeichnung jeder Grundlage entbehre. »Die aus der Luft gegriffene Bezeichnung stellt nicht nur eine absolut unzutreffende Tatsachenbehauptung dar, sie ist in ihrer Abwegigkeit auch von der durchaus weit zu verstehenden Meinungsfreiheit nicht mehr erfasst.«
Der Sänger aus Mannheim gilt wegen politischer Äußerungen als umstritten. Am Tag der Deutschen Einheit 2014 sprach er in Berlin bei einer Demonstration der sogenannten Reichsbürger, die die staatliche Ordnung in Deutschland ablehnen. Naidoo betonte später, dass er mit den »Reichsbürgern« nichts zu tun habe.
Im Jahr 2015 bot ihn der NDR als einzigen deutschen Kandidaten für den Eurovision Song Contest 2016 in Schweden auf, zog seine Nominierung aber nach erheblichen Protesten zurück. Im vergangenen Jahr geriet Naidoo wegen seines Songs »Marionetten« in die Kritik. Ihm wurde vorgeworfen, in dem Lied mit abfälligen Bemerkungen über Politiker rechtspopulistische Töne anzuschlagen. Agenturen/nd
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