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- Ustascha-Relativierung in Kroatien
Salonfähiger Faschismus
Krsto Lazarevic über die Verharmlosung des kroatischen Ustascha-Regimes im Zuge der WM 2018
Eigentlich möchte man sich ja für die Kroaten freuen. Ein Land mit gerade einmal vier Millionen Einwohnern schafft es ins WM-Finale und ist wegen sportlicher Topleistungen in den internationalen Medien und nicht weil mal wieder ein Kriegsverbrecher verurteilt wurde oder sich öffentlichkeitswirksam vor Gericht das Leben nimmt. Doch die Freude hat einen bitteren Nachgeschmack, denn selbst die kroatischen Spieler zeigen, wie allgegenwärtig und normal Geschichtsrevisionismus und die Relativierung der Verbrechen des kroatischen Ustascha-Regimes von 1941 bis 1945 sind.
Schon nach dem 3:0 Sieg gegen Argentinien in der Gruppenphase Ende Juni stimmten die Verteidiger Dejan Lovren und Sime Vrsljako in der Kabine ein Rechtsrocklied der kroatischen Band »Thompson« an, das mit dem Ustascha-Gruß »Za dom Spremni« (Für die Heimat bereit) beginnt. Die Parole ist vergleichbar mit dem deutschen »Sieg Heil«. »Thompson«, das ist allen voran der Musiker Marko Perkovic, der auf seinen Konzerten Lieder sang, in denen die Opfer der Konzentrationslager Jasenovac und Stara Gradiska verhöhnt werden. Das Thompson-Lied »Lijepa li si« war bei der EM 2016 die offizielle Hymne der kroatischen Nationalmannschaft, die vor jedem Spiel gespielt wurde.
Auf Wunsch von Luka Modric, dem besten Spieler der WM 2018, fuhr Rechtsrocker Perkovic dann auch am Montag im Mannschaftsbus der »Feurigen« mit, als das kroatische Team von einer halben Million Menschen in Zagreb empfangen wurde. Perkovic hat in mehreren europäischen Ländern ein Auftrittsverbot, durfte zeitweise wegen Rassismus nicht in die Schweiz einreisen, und auch in Berlin wurde ein geplantes Konzert von ihm abgesagt. Man ist sich überall in Europa einig darüber, wessen Geistes Kind der Musiker ist − nur in Kroatien nicht. Dort gilt Marko Perkovic vielen als harmloser Rocker, der die Liebe zur Heimat besingt.
Die Verharmlosung von »Thompson« geht mit einer Relativierung des Ustascha-Regimes einher, die auch von der nationalkonservativen HDZ in Kroatien betrieben wird. Die HDZ-Frau und kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic ist derzeit international als Mutter der Nation in den Medien, die ihre Mannschaft im Kroatientrikot anfeuerte und nach der Finalniederlage mit Tränen in den Augen alle Spieler in den Arm nahm. Sie ist aber auch die Staatschefin, die forderte, eine Historikerkommission einzurichten, um die »Wahrheit« über das kroatische Konzentrationslager Jasenovac zu erforschen.
Dabei ist längst erforscht, dass die Nazikollaborateure der Ustascha dort über 80.000 Juden, Serben, Roma und Oppositionelle vernichteten. In Yad Vashem steht das Wort Jasenovac neben den Worten Ausschwitz, Treblinka und Majdanek. Doch viele nationalistische Kroaten leugnen diese Verbrechen. Die kroatische Präsidentin ist nicht nur die größte Cheerleaderin der Nation, sie gibt den Nationalisten in Kroatien auch das Gefühl, es sei in Ordnung, die Verbrechen der Ustascha anzuzweifeln.
Die Wurzeln dafür liegen in den 1990er Jahren: Als Kroatien unabhängig wurde und sich auf die Suche nach einer nationalen Identität machte, wurden die Nationalisten beim Vasallenstaat der Nazis fündig. Im Kroatienkrieg der 1990er Jahre bildeten sich Milizen, die sich positiv auf die Ustascha bezogen, ihre Uniformen kopierten und den faschistischen Heimat-Gruß übernahmen. Sie wurden zu Helden stilisiert und sorgten dafür, dass faschistische Symbole bis in die Mitte der Gesellschaft hinein Akzeptanz fanden.
Auch Marko Perkovic gehörte zu einer solchen Einheit und benannte seine Band nach dem Gewehr, das er im Kroatienkrieg benutzte. Als das Land 1998 WM-Dritter wurde, war Kroatien zum ersten Mal nach dem Ende der Jugoslawienkriege mit guten Nachrichten in der internationalen Presse. Der Erfolg schien den Kroaten Recht zu geben. Schon damals posierte gleichzeitig Starstürmer Davor Suker vor dem Grab des Ustascha-Führers Ante Pavelic.
Viele nationalistische Kroaten können die gegen sie erhobenen Vorwürfe überhaupt nicht verstehen. Sie fühlen sich zu Unrecht beschuldigt, weil in Kroatien Dinge normal sind, die in Westeuropa nicht normal sind. Für die Zukunft Kroatiens bedeutet das nichts Gutes: Wenn selbst die Volkshelden des kroatischen Fußballs mit einem faschistischen Rocker feiern, dann wird es schwierig, kroatischen Jugendlichen zu erklären, warum sie das nicht tun sollten.
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