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Hoffen und spotten
Nicolas Šustr über die vielen Versäumnisse bei der S-Bahn
»Ein pünktlicher S-Bahnbetrieb ist möglich«, dieser Satz des S-Bahnchefs Peter Buchner sorgte schon bei der Pressekonferenz für eine gewisse Heiterkeit. Wie sollen die Nutzer der S-Bahn auch anders reagieren? Seit bald neun Jahren herrscht eine Art Notbetrieb bei dem Unternehmen. Mal fehlen die Fahrer, dann machen die Züge bei Sonnenschein schlapp, ansonsten streiken Signale und Weichen. Irgendwas ist immer bei der betriebswirtschaftlich optimierten Bahn.
Dass die angestaute Aggression sich auch mal etwas hysterisch Luft macht, zeigte der vorab bekanntgewordene Plan der Qualitätsoffensive, einige verspätete Ringbahnen an zwei Bahnhöfen durchfahren zu lassen, damit sie wieder in den Fahrplan kommen. Das wäre tatsächlich eine Verbesserung im Vergleich zum jetzigen Zustand gewesen, wo die Züge einfach eine Ringrunde aussetzen. Da schaltete sich dann gleich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) ein. Und die S-Bahn zog zurück.
»Was soll’s?«, entgegnet der DB-Konzernbevollmächtigte für Berlin, Alexander Kaczmarek, auf die Frage, warum erst jetzt Maßnahmen ergriffen werden. Da macht er es sich ein bisschen leicht. Denn er müsste einräumen, dass mit Rückendeckung der Bundesregierung mehr als ein Jahrzehnt eine falsche Infrastrukturpolitik betrieben wurde. DB Netz sollte Rendite erwirtschaften und nicht etwa für reibungslos funktionierende Gleistechnik sorgen.
Aber auch der Senat blieb viel zu lange untätig. Längst hätte er dafür sorgen können, dass notwendige Infrastrukturausbauten wie zusätzliche Gleise und eine bessere Signaltechnik für dichteren Verkehr auf den Weg gebracht werden. Die Ringbahn im Westteil Berlins ist technisch genau auf dem Stand, wie sie noch vor dem Mauerfall vom West-Berliner Senat geplant wurde. Damals wagte man von so einem dichten Takt noch nicht zu träumen. Verkehrspolitisch ist die Mauerstadt Berlin noch längst nicht überwunden.
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