Theresa May droht Showdown

Britische Ministerpräsidentin wird des Bürgerkrieges bei den Tories nicht Herr

  • Sascha Zastiral, London
  • Lesedauer: 4 Min.

Als sich die britische Premierministerin Theresa May am Mittwoch der allwöchentliche Fragestunde im Parlament stellt, wird schnell deutlich, wie aufgekratzt die Stimmung ist. Bei den »Prime Minister’s Questions« wird es immer gerne laut. Doch heute reagiert May sichtlich gereizt auf die Kritik des Oppositionschefs Jeremy Corbyn.

Corbyn fragt, ob May denn wirklich glaube, dass die EU ihren kürzlich ausformulierten Vorschlägen für einen Brexit-Deal zustimmen werde, um den »Krieg« innerhalb ihrer konservativen Partei abzuwenden. May wedelt daraufhin wütend mit ihrem Brexit-Weißbuch. Sie sagt, sie könne Corbyn gerne eine Kopie zukommen lassen. Er solle es besser einmal lesen. Als Corbyn noch einmal nachlegt und das Chaos in der Regierung kritisiert, reagiert May ungehalten. Er müsse lernen, ihr zuzuhören, belehrt sie ihren Widersacher. Sie habe ihm das alles doch schon mehrfach erklärt. Dann sagt May, sie habe vergangene Woche »die Zukunft der NATO mit Präsident Trump« vereinbart, während Corbyn gegen den Besuch protestiert habe. »Er protestiert, ich liefere.«

Es überrascht nicht, dass May in diesen Tagen empfindlich reagiert, wenn man sie auf den Streit innerhalb ihrer Partei und Regierung anspricht. Denn dieser Streit hätte sie diese Woche vermutlich beinahe den Job gekostet. Vor anderthalb Wochen versuchte May auf einem ganztägigen Kabinettstreffen, zumindest den Streit innerhalb ihrer Regierung mit einem Machtwort zu beenden. Sie schwor ihre Minister auf ihren neuen, vergleichsweise sanften Brexit-Kurs ein. Doch der Schuss ging nach hinten los: Nur zwei Tage später warf erst Brexit-Minister David Davis aus Protest das Handtuch. Nur wenige Stunde später quittierte auch Brexit-Vorkämpfer und Außenminister Boris Johnson seinen Posten.

Kurz sah alles danach aus, als würden die Brexit-Hardliner in ihrer Partei einen Versuch starten, May zu stürzen. Doch vermutlich aus Sorge, dass ein solcher Vorstoß gleich die gesamte Regierung begraben könnte, kam es nicht zu der Revolte. Zumindest vorerst. Anfang dieser Woche dann ruderte May zurück. Sie ging auf Forderungen der Brexit-Hardliner innerhalb ihrer Partei ein und stimmte vier Änderungsanträgen zum Entwurf für das wichtige Handelsgesetz zu. Damit verfestigte sie die Verhandlungsposition ihrer Regierung gegenüber der EU erheblich. Aus Brüssel hörte man daraufhin, dass die Europäische Kommission daraufhin den Regierungen der verbliebenen 27 EU-Staaten geraten habe, dringende Vorbereitungen für einen »harten« Brexit zu treffen, bei dem Großbritannien im kommenden März die EU ohne Abkommen verlässt.

Doch damit war der Konflikt bei den Tories nicht beendet. Am Dienstag drohte der EU-freundliche Flügel mit einer noch weitreichenderen Gegenoffensive: Vertreter dieses Flügels reichten sechs Änderungsanträge zum Entwurf für das Zollgesetz ein. Dieser Gesetzentwurf steht ebenfalls im Zusammenhang mit dem Brexit. Einer dieser Änderungsanträge würde die Regierung dazu zwingen, das Land in der Zollunion mit der EU zu belassen, falls es ihr bis Januar nicht gelingen sollte, eine Lösung für die Zeit nach dem Brexit zu finden, die einen reibungslosen Handel mit den EU-Staaten gewährleistet. May hat das bislang immer abgelehnt. Ein Erfolg der Pro-EU-Rebellen würde ihre Brexit-Pläne endgültig über den Haufen werfen und ihre Regierung in eine schwere Krise stürzen.

Im Lauf des Tages nahm die Nervosität zu. Denn am Nachmittag stimmte tatsächlich eine Mehrheit der Abgeordneten überraschend für einen anderen Änderungsantrag, der die Regierung dazu verpflichtet, nach dem Brexit EU-Medizin-Regulierungen weiter anzuerkennen. Das konnte man als einen Warnschuss verstehen. Die anschließende Abstimmung über die Zollunion gewann die Regierung dann, allerdings mit einem hauchdünnen Vorsprung von nur sechs Stimmen. May entkam der bislang wohl schwersten Herausforderung ihrer Amtszeit. Besonders brisant: Die Regierung setzte sich nur deswegen durch, weil sich ihre vier Brexit-Hardliner aus den Reihen von Labour in diesem Fall auf ihre Seite geschlagen haben.

Doch nun geht der Gesetzentwurf an das Oberhaus. Und dort gibt es eine eindeutige Mehrheit, die sich für einen versöhnlicheren Brexit ausspricht, als ihn May anstrebt. Es könnte sehr gut sein, dass die Mitglieder des Oberhauses für die Gesetzesänderung der EU-freundlicheren Abgeordneten stimmen werden. Dann würde es zu einem erneuten Showdown im Unterhaus kommen.

Die Konfrontation vom Dienstag hat weitere Spuren hinterlassen. Die EU-freundliche Tory-Abgeordnete Anna Soubry kritisierte die Regierung am Mittwoch wegen ihres Verhaltens schwer. Soubry legte offen, dass »Einpeitscher« der Regierung alle nur erdenklichen Drohungen ausgesprochen hätten, um eine Niederlage der Regierung zu verhindern. Unter anderem drohten sie offenbar damit, eine Vertrauensabstimmung gegen May in Gang zu setzen, falls diese die Abstimmung verlieren sollte. Auch mit möglichen Neuwahlen wurde offenbar gedroht.

»So ein Unsinn, mit Parlamentswahlen und mit Vertrauensabstimmungen zu drohen«, sagte Soubry dem »Guardian«. »Ich habe (..) gesagt: Na dann macht schon. Ich wäre die erste gewesen, die der Premierministerin das Vertrauen ausgesprochen hätte.« Doch das eigentliche Problem sei es, dass May nicht mehr die Kontrolle über ihre Regierung habe, fügte Soubry hinzu. »Ich habe keinen Zweifel daran, dass derzeit Jacob Rees-Mogg das Land anführt.« Damit meinte sie den Anführer der Brexit-Rebellen bei den Tories.

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