Verborgen in ihren Bildern bleibt ihr Gesicht

»Wieder im Licht« - Christa Böhme, Brigitte Fugmann und Brigitte Handschick in der Inselgalerie

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 5 Min.

Dieses Antlitz (siehe Foto) lässt einen nicht wieder los: Jede Linie, scheinbar roh die Form umreißend, fasst prägnant wie ein Schriftzeichen den Sinn und fügt ihn zum Gesamt der Aussage. Das durchdringend sehende Auge in der helleren Gesichtshälfte, der verhangene Blick des anderen, der sich vor dem Gesehenen verdunkelt, die Zusammenziehung des Mundes, wie um gewaltsam das Sprechen zu verhindern, im Gegensatz zur Wölbung der Stirn, hinter der sich das Gesehene speichert. Jeder Strich, jedes aufgesetzte Licht spricht sich deutlich aus - und doch ist dieses Porträt eine Maske, die nichts nach außen dringen lässt, Antwort auf eine bittere Erkenntnis, die das düstere Antlitz verschließt.

Christa Böhme schied 1991 50-jährig - auf dem Höhepunkt ihres Schaffens - aus dem Leben, Brigitte Handschick erlag 1994 im 52. Lebensjahr einem langen, schweren Leiden, Brigitte Fugmann, fast 10 Jahre jünger, verstarb 1992 43-jährig nach kurzer Krankheit. Alle drei könnten dem Umkreis des (Ost-)Berliner Malerkreises zugezählt werden, der einen von der sinnlichen Reflexion ausgehenden Peinturismus begründete, und wenn es hier vor allem um Malkultur und Formbewusstsein ging, dann gehören alle drei zweifellos dazu. Jetzt erinnert eine Ausstellung in der Reihe »Wieder im Licht« der Inselgalerie an sie. Es werden vornehmlich Gemälde, Arbeiten auf Papier aus dem Nachlass präsentiert, Aquarelle, Gouachen, Feder-, Tusche-, Kohle-, Kreidezeichnungen. Sie stellen (Stadt-)Landschaften, Interieurs, Fensterblicke, Stillleben, Figurendarstellungen, Akte und Porträts dar, eine Bildwelt, die alle Skalen der Stimmung und Empfindung einbezieht von melancholischer Traurigkeit bis unbeschwerter Heiterkeit. Eine offene, lockere Handschrift ist an die Stelle sorgfältig geglätteter Flächen getreten.

Christa Böhmes Bildnisse haben eine geheimnisvolle Unnahbarkeit. Der Verlauf des Lebens und was davon am Ende bleibt, das wird zum künstlerischen Anliegen in ihrer Bildgestaltung. Damit überträgt sie die Konfrontation, in die sie mit ihren Selbstbildnissen geraten ist, auf den, der vor ihren Bildern steht. Und der Betrachter fühlt sich so hilflos wie die dargestellte Person. Ihre Malerei bewegt in ihm Anteilnahme und Mitgefühl, ein Berührtsein als Ausdruck ethischer Bindungen zum Leben. Mit welcher Einfühlung wird die Sprache der Körper erfasst als unmittelbarer Ausdruck des Psychischen, gesteigert durch expressive Zuspitzungen der Formen und durch oft jähe optische Verkürzungen. Ihre Aktdarstellungen sind auch das Lob der atmenden Materie, die gefährdete Natur, die bewahrt werden muss.

In einer sensiblen Monochromie lässt ihr Form- und Farbgefühl den Raum- und Maßwert verschieden geformter wie unterschiedlicher Dinge gruppierend zusammenklingen (Stillleben, 1975, Öl auf Leinwand). So war Christa Böhme: eine empfindsame Erdengängerin von wechselnder Befindlichkeit, die sich verlieren und auch wieder zurechtfinden, die auf ungeordnet erscheinende Zusammenhänge diszipliniert, auf geordnete aber auch impulsiv-gegenläufig antworten konnte.

Bei Brigitte Handschick wird die Figur wie ein objet trouvé, ein verlorenes Zeichen, eingebunden in die Fläche. Diese steht in einem Ambiente mit tief herabgezogenem Himmel (S-Bahnhof Grünau, o.J., Öl auf Leinwand) - und alles an Sehnsucht und Verinnerlichung scheint sich im malerischen Duktus dieses Himmels widerzuspiegeln. Licht wechselt über in leise Schatten und es entsteht eine ästhetische Struktur, die dem seelischen Ereignis einen metaphorischen Ausdruck verleiht.

Die Verselbstständigung von Farbe und Farbauftrag erfordert ein spontanes, dem Augenblick hingegebenes Arbeiten. Das Momentane des Motivs lässt Christa Handschick zu den Impressionisten zurückblicken, aber es geht ihr zugleich um den Bewegungsablauf, um die Simultaneität der Seelenzustände und Empfindungen. In all ihren Bildern wird der fixierte Betrachterstandpunkt außerhalb des Bildes aufgehoben und der Betrachter gewissermaßen ins Bild einbezogen. Er ist selbst die einsame Figur auf dem S-Bahnhof Grünau. In den Landschaften - sie stellen verschwiegene Orte mit Busch, Baum, Weiher, Fluss, Hütte dar (so Spreewaldlandschaft, o.J., Öl auf Hartfaser) - wechseln Licht und schattenhafte Komponenten und liegen wie ein Fluidum über dem Sujet. Die Stillleben zeigen eigentlich banale Dinge, ständig im Gebrauch, aber es ist ihnen ein malerisches Eigenleben gegeben worden. Wie auf eine geheime Verabredung sind sie alle zusammen gekommen. Aus dem Sinnlichen tritt Sinnbildhaftes in vielen Zwischentönen hervor.

Eine reiche, erregende Sinnlichkeit verströmt die Malerei von Brigitte Fugmann, kräftige Farben wechseln über in eine sensible Koloristik. Sie entfalten auf der Fläche ein Blühen, das als Verkörperung des Wirklichen überzeugt. Zufälliges, Flüchtiges bleibt auf der Fläche stehen und schafft unkonventionelle Übergänge, die der Gesamtform einverleibt werden. Gleichzeitig steigert das den psychischen Ausdruck des Porträts. Das Besondere der Menschen, eine nur ihnen eigene Größe wird spürbar.

Sie baut ihre Figuren in einen Bühnenkasten ein und rückt ihn nah an das Auge des Betrachters. Obwohl leicht entstellt, sind die Dargestellten bei Brigitte Fugmann (für Insider) erkennbar. Wie auch manche Sinnbezüge, die sich zwischen den Gestalten herstellen. »Gruftis« (1988, Öl auf Sperrholz) ist kein ironisches Bild. Vielmehr geht feiner Humor darin um. Hier hat ein Generationswechsel stattgefunden, eine Änderung der Rangordnung.

Ihre Bildsprache ist bereits unter dem Einfluss informeller Techniken aufgebrochen. Aber noch hat die Malerei Primat vor der Linie. Eine herbe chromatische Farbskala, flache Raumschichten und schwingende dynamische Formen bestimmen viele ihrer Arbeiten.

Was der Bildhauer Werner Stötzer damals über Christa Böhme sagte, kann man eigentlich auf alle drei Künstlerinnen beziehen: »verborgen in ihren Bildern bleibt ihr Gesicht«.

bis 4. August, Wieder im Licht III - Christa Böhme, Brigitte Fugmann, Brigitte Handschick. Inselgalerie Berlin, Petersburger Str. 76 A, Friedrichshain

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