Wenn das Geld nichts mehr wert ist
Die Hyperinflation in Venezuela galoppiert weiter, Hunderttausende wandern aufgrund der Krise aus
Fünf Nullen will Venezuela Präsident Nicolás Maduro streichen, um der Landeswährung Bolívar wieder etwas Wert zu geben. Zudem soll der Bolívar an die Kryptowährung Petro gekoppelt werden. Verzweifelte Maßnahmen, um gegen die Hyperinflation zu steuern, die den Alltag zwischen Caracas und Maracaíbo bestimmt. Aufs Jahr hochgerechnet erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Inflationsquote von einer Million Prozent, das Wirtschaftsinstitut Ecoanalítica spricht sogar von 1,4 Millionen Prozent. Ein Dollar wurde Anfang der Woche auf dem Schwarzmarkt mit 3,5 Millionen Bolivar gehandelt. Dimensionen, die den IWF zum Vergleich mit der Hyperinflation 1923 in der Weimarer Republik animierten, doch auch das peruanische Beispiel aus den 80er Jahren wurde zitiert.
Für den venezolanischen Ökonomen Orlando Ochoa von der katholischen Universität Andrés Bello sind die Maßnahmen der Regierung nur Flickwerk, weil sie an den grundsätzlichen Problemen nichts ändern. Zum einen agiere die Regierung Maduros immer wieder mit der Notenpresse, um Haushaltsdefizite zu kaschieren, was die Hyperinflation anheize, zum anderen fehle ein kohärentes Wirtschaftskonzept, um die Krise abzuwenden, kritisiert der Ökonom seit Monaten und liefert dafür auch die nötigen Belege.
Die Talfahrt der Erdölförderung sei eine der Kernursachen. Ende 2010, der Präsident hieß noch Hugo Chávez, habe Venezuela rund 2,8 Millionen Barrel täglich gefördert, heute sind es 1,44 Millionen Barrel - also etwa die Hälfte. Noch alarmierender ist der Rückgang in den Raffinerien des Landes: Ende 2012 wurden rund 800 000 Barrel im Lande raffiniert, obwohl die Kapazität offiziell bei 1,2 Millionen Barrel liegt - heute sind es 240 000 Barriles - also rund zwanzig Prozent der installierten Kapazität, so Ochoa gegenüber dem »Noticero Digital«. Daher muss Venezuela seit Jahren Benzin aus den USA importieren.
Fakten, die die ökonomische Talfahrt unter Präsident Nicolás Maduro illustrieren: Ihm bescheinigen auch Anhänger, dass er zu wenig gegen Korruption tue und keine Agenda habe, um die Wirtschaft aus der Krise zu führen. Zwar hat Maduro am Mittwoch zugegeben, dass das auf die Ölindustrie ausgerichtete Wirtschaftsmodell ausgedient habe und dass Venezuela seine Wirtschaft auf eine breitere Basis stellen müsse, das Wie ließ er jedoch offen.
Dieses Defizit an ökonomischen Konzepten ist die eine Konstante unter Maduro, die andere: Seit etlichen Jahren ist nicht in den Unterhalt und Ausbau der Förderkapazitäten investiert worden. Stattdessen wurde die PdVSA, der nationale Erdölkonzern, bereits unter Hugo Chávez mit Aufgaben überhäuft. Dazu gehörte auch die Verteilung von Lebensmitteln - zudem wurde der Konzern beziehungsweise dessen Infrastruktur immer wieder für politische Zwecke missbraucht.
Das hat in den letzten 15 Jahren zur Talfahrt der PdVSA beigetragen, genauso wie zur Verschuldung des an Erdöl so reichen Landes. Die könnte weiter gehen, so der ehemalige PdVSA-Chef Rafael Ramírez. Er hält es für realistisch, dass die Fördermenge auch auf 900 000 Barrel fallen könnte. Im Konzern traue sich niemand, Entscheidungen zu treffen, kritisierte Ramírez im »Miami Herald« schon Ende Mai.
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