Kambodschaner ohne echte Wahl
Nach dem Verbot der größten Oppositionspartei hat die regierende CPP freie Bahn
»Wissen Sie, Hun Sen hat gute Seiten und auch weniger gute Seiten.« Der Mann der das sagt, ist Kambodschaner. Er ist um die 40, das heißt, für den größten Teil seines Lebens hat er keinen anderen Premierminister als Hun Sen (65) von der Kambodschanischen Volkspartei (CPP) kennengelernt. Unter den guten Seiten verbucht er das beharrliche Streben des starken Mannes von Kambodscha nach innerer Sicherheit. Und die innere Sicherheit lieferte zumindest auch die Erklärung für einige ungewöhnliche Vorgänge in der jüngeren kambodschanischen Politik, die im November 2017 in der erzwungenen Auflösung der oppositionellen Nationalen Rettungspartei (CNRP) gipfelten. Bei den vergangenen Wahlen 2013 hatte die CNRP 44,5 Prozent der Stimmen erzielt und war mit 55 Abgeordneten von insgesamt 123 in die Nationalversammlung eingezogen.
Das Verbot der CNRP, das gleichfalls 118 Führungskräften der Partei für fünf Jahre jegliche politische Betätigung untersagte, folgte quasi als letzter Schritt, nachdem gegen den Parteivorsitzenden Kem Sokha wegen Verschwörung mit ausländischen Mächten zum Zweck des Sturzes der kambodschanischen Regierung vorgegangen worden war. Damit stand Kem Sokha in einer Reihe mit seinem Vorgänger auf dem Posten des Parteichefs, Sam Rainsy, der mehrfach wegen Verleumdung verurteilt wurde und sich der Haft letztlich 2016 durch Flucht nach Frankreich entzog. Dabei war die CNRP schon die dritte Partei, mit der Sam Rainsy sich anschickte, Hun Sen und die CPP anzugreifen. Wann immer es aussah, als könnte er damit Erfolg haben, kam etwas dazwischen. Und immer gab es Stimmen, die Hun Sen dafür verantwortlich machten.
Alles, so scheint es, hängt an Hun Sen, der seit nunmehr 33 Jahren unbeirrt auf dem Sessel des Premierministers ausharrt. Dabei hat auch er manchen Sturm zu überstehen gehabt. Hatte er zunächst auf Seiten der Roten Khmer gegen das pro-amerikanische Lon-Nol-Regime gekämpft, so trat er 1977 als Bataillonskommandeur mit 200 seiner Untergebenen nach Vietnam über. Gemeinsam mit vietnamesischen Truppen setzen die Vertreter der Front zur Nationalen Rettung Kampucheas dem brutalen Pol-Pot-Regime ein Ende. Hun Sen wurde zunächst Außenminister der neu gegründeten Volksrepublik. 1985 wurde er Premierminister, führte in Paris erste Gespräche mit dem früheren wie späteren König Sihanouk, der ihn schon damals als »jungen Fuchs« bezeichnete.
Das Ende des Ostblocks ließ Kambodscha von einer Volksrepublik zum neutraleren Staat Kambodscha mutieren, was Hun Sen ebenso schadlos überstand wie 1993 die Wahlen unter Aufsicht der UNO, die der CPP nur den zweiten Platz brachten. Eine Koalition mit dem Wahlsieger, der royalistischen FUNCINPEC unter Sihanouks Sohn Ranariddh, brachte ein Novum, nämlich zwei Premierminister, und die Rückkehr zum Königreich. 1997 vertrieb Hun Sen seinen Ko-Premier aus Amt und Land und führt seitdem allein die Geschäfte, listig wie zielstrebig. Selbst in den Beziehungen zu seinem einstigen Verbündeten Vietnam hört man nun eher schrille Töne, was die traditionellen antivietnamesischen Ressentiments vieler Kambodschaner bedient. Sogar die Grenzquerelen mit dem Nachbarland Laos zielen in diese Richtung, unterstellt man doch den Laoten, komplett von Vietnam kontrolliert zu sein. Dafür erreichen die Beziehungen zur Volksrepublik China einen nie gekannten Umfang.
An sich hatte Samdech Akka Moha Sena Padei Techo Hun Sen, wie sich der Premier seit Verleihung des Ehrentitels Samdech durch König Sihanouk gern in voller Pracht anreden lässt (übersetzt etwa Lord Premierminister und Oberkommandierender), damit kokettiert, den Führungsposten in diesem Jahr abzugeben. Als deutlich wurde, dass dies womöglich auch den Wahlsieg der CPP hätte gefährden können, legte er das Ruder um und erklärte unter Bezug auf den vermeintlichen Hochverrat von Kem Sokha, noch weitere zehn Jahre im Amt bleiben zu wollen. Wenn nicht länger. Dafür gewähre er dem Volk Stabilität und Entwicklung, mit dem erklärten Ziel, Kambodscha bis 2030 auf das Niveau eines Landes mit mittlerem Einkommen zu führen.
So ist nach allgemeiner Ansicht der Boden bereitet für einen neuen Sieg der CPP, dessen Zustandekommen Wahlbeobachter aus 52 Ländern verfolgen werden. Den anderen 19 zur Wahl registrierten Parteien gesteht keiner der Kambodscha-Experten Aussichten auf mehr als einen Achtungserfolg zu. In dieser Situation rufen nun Anhänger der aufgelösten CNRP aus dem Exil zum Wahlboykott auf, doch auch darauf reagieren die Machthaber allergisch. Aufrufe zum Wahlboykott werden als unter Strafe stehende Akte der Wahlbehinderung aufgefasst. Auch der Straftatbestand der Aufwiegelung kursiert in diesem Zusammenhang in den Medien.
Und so lässt der eingangs erwähnte Kambodschaner keinen Zweifel daran, dass er die CPP wählen wird. Doch beim nächsten Wahlgang solle Hun Sen aber dann doch jemand anderem Platz machen.
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