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- Im Kino: Meg
Bluten darf nur das Monster
Keine große Filmkunst, aber die Art von Spaß, die das Genre ausmacht: der Haifisch-Actionthriller »Meg«
Wenn Forscher im Horrorfilm forschen, endet das selten gut. Was auch immer es an spektakulären Geheimnissen zu lüften gibt, ist höchstwahrscheinlich vor allem spektakulär gefährlich. So gefährlich, dass die sesselpupsenden Nerds auf einen Schlag mit ihrem Latein am Ende sind und der Hilfe eines grobschlächtigen Neandertalers bedürfen, der statt mit Geist und Wissen mit guter alter brachialer Entschlossenheit die Naturgewalt in ihre Schranken weist.
Das Böse, das die Mitarbeiter einer Hochsee-Forschungsstation in den Untiefen des Mariannengrabens entdecken und versehentlich entfesseln, heißt Megalodon: ein prähistorischer Riesenhai, offiziell seit zweieinhalb Millionen Jahren ausgestorben, der unlängst dank reißerischer Fake-Dokus und kryptozoologischer Online-Communitys zu einer Art Nessie der Weltmeere avancierte.
Der Neandertaler, der widerwillig zur Hilfe eilt, wird verkörpert von Jason Statham, einem der tüchtigsten Neandertaler-Darsteller des zeitgenössischen Kinos, der auf Autopilot geschmeidig durch den Film neandertalert und (weil der Actionthriller »Meg« wirklich kein Klischee auslässt) selbst als abgehalfterter Alkoholiker im thailändischen Exil noch aussieht wie ein Bademodenmodel.
Wie der Protagonist schleppt sich auch das gesamte restliche Ensemble recht lustlos durch die Szenerie. Nicht mal der arrivierte Komödiendarsteller Rainn Wilson (»Office Space«) vermag mit seiner Elon-Musk-Karikatur als Finanzier der Forschungsunternehmung die Behäbigkeit der Erzählung ernsthaft aufzulockern.
»Meg« arbeitet sich halbwegs kompetent an den Konventionen des Genres ab, ohne Neues hinzuzufügen, und, was schlimmer ist: ohne klare Erzählhaltung. Regisseur Jon Turteltaub scheint es ziemlich egal zu sein, ob die Zuschauer das, was er ihnen vorsetzt, nun ernst nehmen oder nicht.
Wenn es eine Actionszene abzufeiern oder einen atmosphärischen Schockmoment vorzubereiten gilt, geben sich Regie und Kamera gelegentlich sogar Mühe, echte Kinobilder zu machen. Die meisten Szenen jedoch sind kontrastarm belichtet und flach in der Farbgebung; die szenische Auflösung der Dialoge erinnert in ihrer Konventionalität an Fernsehproduktionen vor dem »Golden Age of TV«, und der Schnitt holpert mitunter ziemlich ungelenk durch die Gegend. In einem B-Movie kann das charmant sein. In einem subtileren Horrorfilm könnte es durch behaupteten Realismus die Spannung erhöhen. In einem groß budgetierten Sommerblockbuster ist es einfach nur unspektakulär - nicht günstig für eine Sorte Film, deren wichtigstes Verkaufsargument das Spektakel ist.
Erst im letzten Drittel entscheidet sich der Film plötzlich, dass jetzt wirklich alles egal ist, schaltet noch mal drei Gänge hoch, nimmt in einem Abwasch schnell die übrigen Standardsituationen des Haifisch-Horrors mit und kippt dabei ins Groteske. Die isolierte Umgebung der Forschungsstation wird verlassen, es werden Badestrände heimgesucht, schwere Waffen aufgefahren und kleine süße Hunde gerettet, während anonyme Menschen zu Dutzenden im scheunentorgroßen Schlund des Ungeheuers verschwinden. Das ist immer noch keine große Filmkunst aber die Art von transgressivem Spaß, die das Genre ausmacht. Fast möchte man dem Film die ganze lahmarschige Exposition und das Abarbeiten an Klischees verzeihen, wenn seine Macher ein solches Finale vorbereiten. Allein: Um wirklich als überdrehter Meta-Monsterfilm zu funktionieren, ist das Ganze nicht blutig genug. Das moderne Hollywood-Diktat, nach dem sogar Horror noch irgendwie familientauglich sein muss, erlaubt die Grenzüberschreitung, die Konfrontation mit der Vergänglichkeit, die Reduzierung des Menschen auf die Körpermaschine nur noch als vage Behauptung. Bluten und sichtbar leiden darf nur (am Ende) das Monster. Transgression ohne Transgression. Wie viele andere moderne Blockbuster macht »Meg« ein Genreversprechen, das nicht eingelöst wird.
»Meg«, USA 2018. Regie: Jon Turteltaub; Darsteller: Jason Statham, Li Bingbing, Rainn Wilson, Ruby Rose. 114 Min.
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