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Nehmt ihnen die Firma aus der Hand!
Hans-Gerd Öfinger plädiert für eine Enteignung des Autozulieferers Neue Halberg Guss
Im zähen Arbeitskampf beim Autozulieferer Neue Halberg Guss (NHG) in Saarbrücken und Leipzig naht die Stunde der Wahrheit. Ende Juli hatte die IG Metall nach gut sechs Wochen den Streik für einen Sozialtarifvertrag zur Absicherung bei Jobverlust ausgesetzt, um den Weg für die Schlichtung freizumachen. Doch die Gespräche kommen nicht vom Fleck. Auch der dritten Runde am Mittwoch blieben die NHG-Chefs fern. Falls diesen Freitag kein Wunder geschieht und der Eigentümer, die bosnische Prevent-Gruppe, einlenkt, stehen die Zeichen wieder auf Streik.
Der Konflikt ist kein normaler Arbeitskampf, bei dem Streikdruck Kompromisse erzwingt. Prevent hat ein besonderes Geschäftsmodell: Betriebe aufkaufen, Großkunden mit Lieferboykott kleinkriegen, Geld rauspressen, Beschäftige rauswerfen und Betriebe schließen. »Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht« - dieses Motto hat sich die Leipziger IG Metall bei ihren Streikaktionen ebenso auf ihre Fahnen geschrieben wie das Che-Guevara-Zitat »Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche«.
Dass der Arbeitskampf längst ein Politikum ist und die Eigentumsfrage stellt, weiß auch Saar-Linksfraktionschef Oskar Lafontaine. Er forderte dieser Tage erneut ein Landesgesetz zur Enteignung von NHG und ist überzeugt, dass nur ein beherzter staatlicher Eingriff den Betrieb retten kann. »Wer Beschäftigte enteignet, sollte selbst enteignet werden«, sagt er. Warum eigentlich nicht? Schließlich werden hierzulande auch Kleingärtner enteignet, wenn ihr Stück Land dem Straßenbau oder der Europäischen Zentralbank im Wege steht. Prevent blockiert die Zukunft der Belegschaft und das Interesse der Allgemeinheit. Landesverfassung und Grundgesetz lassen eine Enteignung zu. Die Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum fordert auch die IG Metall in ihrer Satzung. Die Zeit ist dafür bei NHG mehr als reif.
Wenn nun Bedenkenträger auch in der LINKEN vor »falschen Hoffnungen« und »mangelnder Kompetenz« der Landesregierung warnen, kann eine fortschrittliche Antwort nur lauten: Lasst die Belegschaft ran! Die Arbeiter, Angestellten, Meister, Techniker und Ingenieure und Fachleute der IG Metall sind kompetent genug, um NHG demokratisch zu kon- trollieren und zu führen und neue Produkte für Mensch und Umwelt zu entwickeln. An der Saar wissen noch viele, wie Lafontaines frühere SPD-Landesregierung in den angeschlagenen Saarstahlkonzern eingriff und mit einem Stiftungsmodell Arbeitsplätze rettete. 1993 besetzten Arbeiter unweit des heutigen Leipziger NHG-Betriebs ein Kugellagerwerk und produzierten zeitweilig auch ohne Chefs weiter. Handfeste Hinweise darauf, dass das scheinbar »Unmögliche« doch nicht unmöglich ist.
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