- Politik
- Hambacher Forst
Mit Erotik gegen RWE
Aktivisten aus dem Hamacher Forst haben einen Erotikkalender gestaltet. Sie sehen die Waldbesetzung auch als Chance für selbstbestimmte Sexualität.
Linksradikale Projekte und Sexualität. Das kann schnell zu Ärger führen. Zu oft schon waren Aktionen, die einer befreiten Sexualität dienen können, in erster Linie ein Mittel für linke Männer um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Eine Gruppe die in dieser Hinsicht, in den vergangenen Jahren für Aufmerksamkeit gesorgt hatte, war »Fuck for Forest«, gegründet von einem Paar aus Norwegen, produzierte die Gruppe Pornofilme um mit den Einnahmen den Regenwald zu retten. Die Regenwaldretter reproduzierten aber – so ein Vorwurf – regelmäßig heteronormative Klischees. Auch wird ihnen vorgeworfen, Frauen mit Hilfe von Alkohol zu ihren Pornoproduktionen getrieben haben. In Berlin sorgten »Fuck for Forest« Aktivisten vor einigen Jahren bei einem anarchistischen Kongress für Unmut. Dass nicht jeder Nacktheit und sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit gut findet, wollten die Regenwaldretter nicht verstehen.
Aktivisten aus dem Hambacher Forst wollen es jetzt anders machen. Sie haben einen Erotikkalender für das Jahr 2019 produziert und haben dabei einen hohen politischen Anspruch. Tanja aus der Kalendergruppe sagt, »Bei der Waldbesetzung im Hambi geht es um mehr als Wälder besetzen. Wir kämpfen für eine freiere Gesellschaft und da gehört es selbstverständlich mit dazu, sich dafür einzusetzen, dass Menschen ihre Sexualität einvernehmlich ausleben können. Mit dem Kalender soll gezeigt werden, wie vielfältig Sexualität, Begehren und Geschlechterrollen sein können.«
Und in der Tat ist der Kalender äußerst vielfältig. Von einem Gruppenfoto auf dem Cover über erotische Darstellungen für jeden Monat des kommenden Jahres, die durchaus verschiedene Vorlieben ansprechen dürften. Unterbrochen werden die Bilder durch Texte zu ganz unterschiedlichen Themen. Dabei geht es sowohl um den Hambacher Forst selbst als auch um verschiedenste Aspekte der Sexualität. In einem Text wird beispielsweise erklärt, warum BDSM und Feminismus durchaus gut zusammenpassen können, welchen Hindernissen eine antisexistische und feministische Perspektive auf BDSM allerdings auch ausgesetzt ist. Ein anderer Textbeitrag befasst sich mit Lookism und Fatshaming also Herabwürdigungen von Menschen, die nicht dem herrschenden Schönheitsideal entsprechen.
Sehr gelungen ist ein Beitrag, der die Motive »FCK NZS«, »FCK CPS«, »FCK RWE« und Co. kritisch hinterfragt und fordert, dass Linke in Zukunft »Fuck« doch nicht mehr als Beleidigung nutzen sollten, da sie damit sexualisierte Gewalt reproduzieren. Tanja aus der Kalendergruppe erklärt, dass man mit den »teils ironisch überspitzten Motiven« und den Infotexten auch »Mackertum und den Sexismus in der eigenen Szene« kritisieren wolle.
Dass der Kalender nicht ganz widerspruchsfrei bleibt, ist jetzt schon klar. Die »UmweltDruckerei« aus Hannover lehnte den Druck des Kalenders ab. Wie die Aktivisten aus dem Hambacher Forst berichten, habe es erst eine Zusage gegeben, die dann allerdings wieder zurückgenommen wurde. Der Kalender sei »fetisch-pornographisch« und könne deshalb nicht gedruckt werden. Das habe eine »neutrale Überprüfung« ergeben, heißt es in einer Antwort, die die Aktivisten aus dem Hambacher Forst erhalten haben. Die Überprüfung sei durch »Green Brands« erfolgt, ein Unternehmen das ein Ökosiegel verteilt. Weder die »UmweltDruckerei« noch »Green Brands« wollten sich auf Anfrage des »nd« zu den Vorwürfen der Klimaaktivisten äußern. Den Kalender gibt es nun nach Wechsel der Druckerei beim linken Versand Black Mosquito.
Ergänzung:
Nach erscheinen des Artikels hat dieumweltdruckerei.de dem »nd« eine Stellungnahme geschickt. Dr. Kevin Riemer-Schadendorf, der im Unternehmen für Nachhaltigkeit und Kommunikation zuständig ist, teilte mit, dass er die »erhobenen Vorwürfe« des Hambacher Forstes »nicht in Gänze bestätigen« könne. Das Unternehmen habe »grundsätzlich kein Problem mit Fetischen und BDSM, sofern der Sex einvernehmlich erfolgt und es nicht pornographisch ist«. Den Kalender habe man »vorerst (!) nicht« drucken wollen. In einer angehängten E-Mail bot dieumweltdruckerei.de dem Hambacher Forst allerdings an: »Mein Vorschlag, wir drucken den Kalender für Sie, wenn Sie uns versprechen, dass Sie in dem Fall (!) nicht schriftlich erwähnen [machen Sie meines Wissens ohnehin nicht], dass Sie bei uns gedruckt haben, damit wir keinen Ärger von Green Brands erhalten oder anderen Zielgruppen, die den Kalender womöglich anders bewerten. Sollten weitere erotische Printerzeugnisse Ihrerseits geplant sein, senden Sie mir diese zukünftig bitte vorher in Gänze in der finalen Version zu, um Missverständnisse zu vermeiden.« Außerdem zeigte sich Riemer-Schadendorf über den »konfrontativen« Diskussionsstil der Waldbesetzer enttäuscht, wünscht ihnen aber »alles Gute für Ihren Protest gegen die Waldabholzung«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.