Tausende demonstrieren gegen Mini-Nazi-Aufmarsch

Nur rund 20 Teilnehmer bei rechtsradikaler Kundgebung vor dem Weißen Haus / Gegendemonstranten stören Aufmarsch

  • Lesedauer: 4 Min.

Washington. Ein Jahr nach den tödlichen Protesten in Charlottesville haben Rechtsradikale in den USA eine empfindliche Niederlage einstecken müssen: Zu einem vielbeachteten Aufmarsch vor dem Weißen Haus in Washington unter dem Motto »Vereint die Rechte 2« erschienen nur sehr wenige Teilnehmer. Zugleich gingen Tausende Gegendemonstranten auf die Straße - und ihr wütender Protest richtete sich auch gegen US-Präsident Donald Trump.

Die Polizei musste die rechten Nationalisten mit einem massiven Aufgebot von der U-Bahn zu der genehmigten Demonstration vor dem Weißen Haus geleiten, die unter dem Motto »Vereint die Rechte 2« stand. Sicherheitskräfte riegelten die Veranstaltung weiträumig ab und vermieden somit Zusammenstöße zwischen den beiden Gruppen.

Die Gruppe der etwa 20 Rassisten traf am Sonntag aus Vienna in Virginia an einer U-Bahn-Station in Washington ein. Nach einem Marsch zum Lafayette Square vor dem Weißen Haus wurde die Gruppe der Rechtsextremen in Polizeibussen zu einer anderen U-Bahn-Station gefahren. Gegen Abend waren lediglich noch sechs Teilnehmer der Rechtsextremen-Demo vor Ort, denen sich noch rund 200 verbliebene Gegendemonstranten entgegenstellten.

Im Zuge der Demonstration »Vereint die Rechte« in Charlottesville war es am 12. August 2017 zu schweren Ausschreitungen gekommen. Ein Neonazi steuerte ein Auto in eine Gruppe Gegendemonstranten. Die 32-jährige Heather Heyer starb, viele Menschen wurden verletzt. Damals waren weitaus mehr Rechtsextremisten aufmarschiert. Teile der rechtsradikalen Szene hatten sich vor dem Aufmarsch am Sonntag davon distanziert und ihn als »destruktiv« kritisiert.

Antifaschisten rufen bewusst nicht den Staat an
Zuzulassen, dass Faschisten sich massenhaft versammeln, ist auch das Ende des Kampfes für Gerechtigkeit, meint die US-Journalistin Natasha Lennard

Am Sonntag störten Gegendemonstranten an der Absperrung die rechte Veranstaltung mit Sprechchören wie »Geht nach Hause, Nazis« oder »Schande, Schande, Schande«, wie ein dpa-Reporter berichtete. Auf Transparenten war »Stoppt rassistische Angriffe« und »Nur ein toter Faschist ist ein guter Faschist« zu lesen. Auf Bildern von Trump stand in roten Lettern das Wort »Rassist«, auf Plakaten wurde die Ablösung Trumps und seines Stellvertreters Mike Pence gefordert.

Wie verhasst Trump unter den Gegendemonstranten ist, bekam ein Paar zu spüren, das sich auf diese Seite der Absperrung verirrte - und das im Partnerlook mit »Trump 2020«-T-Shirts für dessen Wiederwahl warb. Als das Paar entdeckt wurde, kam es zu einem Gerangel. Ordner aus den Reihen der Gegendemonstranten mussten einen Ring um den Mann und die Frau bilden und sie durch die aufgebrachte Menge zur Polizei eskortieren.

Auf dem rund fünfminütigen Weg zur Polizei wurden die beiden Trump-Anhänger als »Nazis« beschimpft, geschubst, gestoßen, mit Wasser übergossen und mit Plastikflaschen beworfen. Ein Gegendemonstrant sprühte silberne Farbe auf die langen Haare des Mannes. Die beiden Trump-Unterstützer blieben dabei friedlich.

Ein Teilnehmer der Gegendemonstration am Sonntag in Washington sagte, die Bewegung weißer Rassisten fühle sich unter Trump im Aufwind. »Als Trump gewählt wurde, hatten viele Leute mit rassistischem Gedankengut das Gefühl, dass sie das jetzt einfach aussprechen können, weil sie den Rückhalt eines Präsidenten hatten«, sagte der 22-jährige Kei Pritsker.

Ein schwarzer Teilnehmer der Gegendemonstration, der seinen Namen nur mit Jim angab, sagte, die USA fühlten sich unter Trump rassistischer an. »Früher war das subtil, jetzt ist es nicht subtil, es ist auffällig, es ist wie Nazi-Deutschland«, sagte er.

US-Präsident Donald Trump war nach dem tödlichen Protest vor einem Jahr dafür kritisiert worden, die rechtsradikale Gewalt nicht eindeutig verurteilt zu haben. »Ich denke, dass die Schuld auf beiden Seiten liegt«, hatte er damals gesagt. Es habe auf beiden Seiten auch »sehr gute Menschen« gegeben. Trump hatte damit Empörung ausgelöst - die unter seinen Kritikern bis heute anhält.

»Trump ist ein rassistisches Schwein«

Vor dem Jahrestag hatte der US-Präsident am Samstag zwar auf Twitter mitgeteilt, er verurteile »alle Formen von Rassismus und Gewalttaten«. David Barrows (71), der am Sonntag gegen die Rechten auf die Straße ging, meinte dazu allerdings: »Er lügt.« Auf Barrows T-Shirt prangte die Aufschrift »Trump ist ein rassistisches Schwein«. Die Demonstrantin Alex Bloomfield (28) sagte zu Trumps Aussage: »Das ist Bullshit. Er sagt das, weil er das sagen muss.«

Deutlicher als Trump - dessen Tweet man wieder so lesen könnte, dass er die Gewalt von links womöglich mit der von rechts gleichsetzt - bezog seine Tochter Ivanka Trump Stellung gegen Rechts. Sie schrieb auf Twitter: »In unserem großartigen Land gibt es keinen Platz für weiße Vorherrschaft, Rassismus und Neonazismus.«

Trump selber war während des rechten Aufmarschs nicht im Weißen Haus, sondern machte Urlaub in einem seiner Golfresorts - er wurde erst am Montag wieder zurück in Washington erwartet. Das Thema Rassismus dürfte ihm erhalten bleiben. Der Sender CBS veröffentlichte am Jahrestag der Proteste von Charlottesville eine Umfrage, wonach 58 Prozent der Amerikaner seinen Umgang mit dem Thema missbilligen, nur 41 Prozent heißen es gut. 61 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass Rassenspannungen im vergangenen Jahr zugenommen haben. Agenturen/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -