Berliner Linkspartei fremdelt mit Sammlungsbewegung

Initiative von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine stößt bei Funktionären eher auf Skepsis und Ablehnung - wie es an der Basis aussieht, ist offen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Rein formal gesehen ist die neue Sammlungsbewegung von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine eine Berlinerin. Schließlich ist der »Aufstehen Trägerverein Sammlungsbewegung e.V. i. Gr.« mit seiner Adresse in Berlin am Kurfürstendamm registriert. Grundsätzlich aber zielen die »Aufstehen«-Initiative und »die Sammlungsbewegung« natürlich auf eine bundesweite Bewegung ab. »Es haben sich bislang bei uns 60.000 Menschen registriert«, sagt Caroline Heptner, die für »Aufstehen« spricht, dem »nd«. Sie ist zugleich stellvertretende Pressesprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Weil die regionale Zuordnung der Interessenten für die Initiative noch läuft, ist auch noch nicht absehbar, ob das Interesse im linken Berlin möglicherweise größer ist als das andernorts. »Wir können noch nicht sehen, von wo sich die Leute angemeldet haben«, sagt Heptner.

Ohne solche Angaben lässt sich deshalb derzeit nicht seriös darstellen, wie die Bundeshauptstadt mit ihren starken linken Bewegungen und Parteien auf das Projekt der LINKEN-Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht und ihres Mannes Oskar Lafontaine, der früher Bundesvorsitzender der Partei war, reagiert.

Anders sieht es auf der Ebene der Funktionsträger bei der Berliner Linkspartei aus: Dort trifft man häufig auf Skepsis. »Ich habe große Zweifel, ob das überhaupt funktioniert«, sagt die Landesvorsitzende der LINKEN, Katina Schubert. Zwar wäre es sinnvoll, wenn die LINKE mit ihrer sozialen, solidarischen und friedlichen Politik gestärkt werde. »Das wird aber nicht über virtuelle Plattformen funktionieren.« Der Landesvorsitzenden ist zudem unklar, was die Zielsetzung einer Sammlungsbewegung sein soll.

Noch kritischer wird das Projekt »Aufstehen« vom Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, bewertet. »Ich glaube, dass diese Sammlungsbewegung sowohl inhaltlich als auch strategisch an dem, was die Menschen in Berlin von linker Politik erwarten, vorbeigeht: Insbesondere diese nationalstaatliche Orientierung, diese Abgrenzung gegenüber Migration und Geflüchteten kann das linksalternative und das Mitte-Links-Klientel in der Stadt nicht begeistern«, sagt der Fraktionschef. Die Berliner Linkspartei sei außerdem permanent dabei, die linke Wählerschaft zu erweitern. Zudem habe die Partei Bündnispartner sowohl auf parlamentarischer als auch außerparlamentarischer Ebene, so Wolf. Sein Fazit: »Die LINKE in Berlin braucht keine Sammlungsbewegung.«

Ein Blick auf die Umfragen zeigt, dass das nicht ganz unplausibel ist: Ende Juli rangierte die LINKE laut einer Forsa-Umfrage in Berlin mit 21 Prozent mit Abstand an der Spitze vor den anderen Parteien. Der Berliner Weg der LINKEN, sich nämlich mit bestehenden Initiativen der Stadtgesellschaft zu verbünden, läuft - trotz der Regierungsbeteiligung, die früher immer zu einem Rückgang der Zustimmung in den Umfragen führte - derzeit offenbar erfolgreich.

Dennoch gibt es natürlich auch in der Berliner Linkspartei Stimmen, die die Sammlungsbewegung unterstützen. »Ich finde, dass das eine tolle Initiative ist«, sagt der LINKE-Bezirksvorsitzende von Tempelhof-Schöneberg, Alexander King. Und: »Wenn man das richtig aufgreift, dann ist das ein toller Rückenwind für die Linkspartei und ihre politischen Anliegen.« Bei Mitgliedern seiner Basis komme das gut an, sagt King, der selber eine »Diskrepanz zwischen Funktionären und Basis« wahrnimmt. Auch Umfragen würden zeigen, dass die Wähler der LINKEN die Idee Wagenknechts unterstützen, so King.

Gleichzeitig gibt es in der Partei die Sorge, dass die Initiative der Sammlungsbewegung mit ihrer bisherigen Ausrichtung im migrantisch geprägten Berlin eher Schaden anrichten könnte. »Es ist die grundsätzliche Aufgabe der LINKEN, den Rassismus in all seinen Facetten zurückzudrängen«, sagt die Spandauer Bundestagsabgeordnete Helin Evrim Sommer (LINKE). Bei der Sammlungsbewegung habe sie aber den Eindruck, dass beim »Monothema« soziale Gerechtigkeit vieles ausgeklammert werde. Dabei müsse man das doch von Anfang mit dem Thema Rassismus koppeln. »Armut hat ein migrantisches Gesicht«, betont Sommer.

»Eine echte linke Sammlungsbewegung bringt diejenigen, die sich gegen explodierende Mieten wehren und für höhere Löhne kämpfen, mit denjenigen zusammen, die in der Flüchtlingshilfe arbeiten oder für die Wiederherstellung eines umfassenden Asylrechts streiten«, sagt der Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser (LINKE), der seinen Wahlkreis in Friedrichshain-Kreuzberg hat. Meiser warnt im Zusammenhang mit der Sammlungsbewegung wie andere vor einer Spaltung der Partei. Obwohl sich natürlich alle Mitglieder der LINKEN fragen müssten, wie man ein Angebot an die von SPD und Groko-Kurs Enttäuschten machen könnte, die noch mit der Linkspartei fremdeln. Ob die Sammlungsbewegung das ändern könne? Meiser ist skeptisch: »Da wird eine gute Idee leider einfach schlecht umgesetzt.«

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