- Wirtschaft und Umwelt
- Klimacamp im Rheinland
Kohlekumpel trifft Klimaschützer
Ein Konsens wurde im Klimacamp Rheinland nicht erzielt, aber der Dialog soll fortgesetzt werden
Das Klimacamp und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) - das ist keine einfache Geschichte. Die Gewerkschaft hat sich in der Vergangenheit das eine oder andere Mal über die Klimaschützer beschwert. »Schnauze voll!« hieß eine Kampagne, mit der die Gewerkschaft in den letzten beiden Jahren gegen die Camps agitierte. In einer Pressemitteilung wurden die Klimaaktivisten schon als »Straf- und Gewalttäter« bezeichnet. Dass Manfred Maresch, Bezirksleiter der Gewerkschaft im rheinischen Braunkohlerevier, also zu einer Diskussion in das Klimacamp kam, ist schon eine Überraschung. Gewerkschaft und Klimabewegung hatten sich zwar immer mal wieder getroffen, aber nicht in einem so großen Rahmen.
Maresch, der mit gut 20 Gewerkschaftsmitgliedern zur Diskussion gekommen war, hatte am Montagabend keinen einfachen Stand. Als die Diskutanten gefragt wurden, wie sie sich das rheinische Revier in fünf Jahren vorstellen, war der Gewerkschafter der einzige, der nicht vom Ende der Braunkohle sprach, sondern sich einen »breiten gesellschaftlichen Konsens« über die Wichtigkeit der Braunkohle als heimischen Energieträger wünschte. »Meine Kollegen sorgen täglich dafür, dass Deutschland mit Energie versorgt wird. Dafür verdienen sie Respekt!«
Mit Aussagen wie diesen erzielte Maresch auf dem Klimacamp keine Beifallsstürme. Beifall gab es eher für Aussagen wie die von Pauline Esser, die Aktivistin der Gruppe »ausgeCO2hlt«. Sie wünschte sich für das Rheinland einen Umstieg zu dezentraler Energieversorgung. Esser erklärte, dass sie die Sorgen und Ängste der RWE-Mitarbeiter verstehe. Diese könnten für die Gewerkschaft aber kein Grund sein, eine fortschrittliche Klimapolitik zu blockieren. Gemeinsam müsse man RWE in die Verantwortung für seine Mitarbeiter nehmen. Wer jetzt im Tagebau arbeite, könne umgeschult werden und in der Rekultivierung des Reviers tätig werden, in Frührente gehen oder müsse von RWE entschädigt werden.
Manfred Maresch findet solche Aussagen naiv. Er warnte davor, die Braunkohle abzuschreiben, sie sei wichtig für die Industrie. Ein zu schneller Ausstieg könne zur Deindustriealisierung Deutschlands führen. Der IG BCE-Bezirksleiter wurde auch persönlich. Er erklärte, dass er seine Wurzeln in der Steinkohle im Ruhrgebiet habe. Wenn er daran denke, dass Ende des Jahres die letzte Zeche geschlossen würde, dann kämen ihm die Tränen. Die Klimaaktivisten müssten verstehen: »Bergmann zu sein ist mehr als nur ein Job, das ist ein Lebensgefühl«. Beschäftigte und Unternehmen könne man in der Montanindustrie nicht so einfach trennen. Das solle aber niemand falsch verstehen, man sei durchaus in der Lage, die eigenen Interessen offensiv zu vertreten und Konflikte auszutragen. Die Aussagen von Maresch wurden von mehreren Bergarbeitern im Publikum unterstützt. Sie berichteten von ihren Ängsten vor einem Arbeitsplatzverlust und von dem Stolz, im Tagebau zu arbeiten.
Am Ende des Abends kam es, wie nicht anders zu erwarten, nicht zu einem Konsens zwischen Bergbaugewerkschaft und Klimaaktivisten. Allerdings zeigten sich alle Seiten froh darüber, dass man miteinander ins Gespräch gekommen ist. Es sei deutlich geworden, wie unterschiedlich die Positionen sind, so Manfred Maresch. Trotzdem sei es wichtig, den Dialog fortzusetzen.
Pauline Esser von »ausgeCO2hlt« sagte, sie habe vor der Debatte unterschätzt, dass RWE für die Menschen in der Braunkohle »mehr als nur ein Arbeitgeber« sei. Die Klimabewegung müsse in Zukunft stärker darauf schauen, was hinter den Ängsten der Beschäftigten stehe. Das sei aber kein Anlass, die Forderung nach einem sofortigen Kohleausstieg zu revidieren. Die Bergarbeiter hätten eine starke Gewerkschaft, die Menschen im globalen Süden, die direkt vom Klimawandel betroffen sind, jedoch nicht.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.