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Nothilfe gegen Höfesterben

Nach der Entscheidung der Bundesregierung geht der Streit um die Zukunft der Landwirtschaft weiter

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 4 Min.

Julia Klöckner hat die Landwirte lange warten lassen. Keine Versprechungen, keine Spekulationen war das Motto der Bundeslandwirtschaftsministerin angesichts der Forderungen es Deutschen Bauernverbandes (DBV), den Landwirten nach dem extrem trockenen Sommer Nothilfe zukommen zu lassen. Nun hat ihr Ministerium fertig gerechnet und die CDU-Politikerin verkündete am Mittwoch ein »Witterungsereignis von nationalem Ausmaß«. Damit ist der Weg frei, dass neben den Ländern auch der Bund finanzielle Hilfen zur Verfügung stellt.

Auf rund 680 Millionen Euro beziffert das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) den Schaden, der aus den Bundesländern gemeldet wurde. 340 Millionen Euro sollen die Betriebe als Nothilfe erhalten. »Natürlich kann der Staat nicht die kompletten Schäden eines betroffenen Betriebes übernehmen, es gibt keine Vollkaskoabsicherung«, erklärte die CDU-Politikerin.

14 Bundesländer haben ans BMEL Hilfsanfragen gestellt, Saarland und Rheinland-Pfalz verzichten. Besonders von Ernteausfällen betroffen sind Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Da auch innerhalb der Bundesländer die regionalen Unterschiede sehr hoch sind, soll es Einzelfallprüfungen geben. Höfe, die mehr als 30 Prozent Ernteverluste im Vergleich zu den vergangenen drei Jahren verzeichnen und in ihrer Existenz gefährdet sind, sollen rund die Hälfte als nicht rückzahlbare Nothilfe erhalten. Bund und Länder teilen sich den Betrag zur Hälfte. »Ohne Beteiligung der Länder wird es auch keine Hilfe vom Bund geben«, stellte Klöckner in Berlin klar. Der Beitrag des Bundes werde 150 bis 170 Millionen Euro betragen und soll zunächst aus dem laufenden BMEL-Haushalt beglichen werden. Die jeweiligen Bedürftigkeitsprüfungen liegen bei den Ländern. Insgesamt geht das Ministerium von rund 10 000 betroffenen Höfen aus, im letzten Dürrejahr 2003 waren es rund 4400 Betriebe.

Obwohl der Deutsche Bauernverband die Schäden auf rund drei Milliarden Euro beziffert, sprach DBV-Präsident Jochim Rukwied von einem »guten Signal«. Nun müssten die Länder ihre Verantwortung und ihren Anteil übernehmen. »Es muss eine schnelle und unbürokratische Umsetzung der Dürrehilfen erfolgen«, so Rukwied. Der DBV hatte zuvor Hilfen von einer Milliarde Euro gefordert.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hatte sich dagegen im Vorfeld kritisch zu den Geldforderungen geäußert. »Ich halte es für einen Holzweg, pauschal mehr Geld zu fordern«, sagte AbL-Geschäftsführer Mitteldeutschland, Reiko Wöllert, gegenüber »nd«. Es gebe Höfe, besonders in der Weidehaltung, die es sehr hart treffe, »und die brauchen auf jeden Fall Unterstützung«. Andere stünden nicht schlechter da als vorher. Zudem hätten die Getreidebauern zwar nicht quantitativ, aber zum Teil qualitativ sehr gute Ernten eingefahren. Da müsse man schauen, wieweit das über einen höheren Getreidepreis ausgeglichen werde.

»Und es bleibt Nothilfe«, so Wölllert. Die sei nicht mehr als der Versuch, die größten Schäden und Einkommenseinbußen abzumildern. Die AbL fordert einen Agrargipfel, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. »Sowohl die Molkereien als auch die Handelsketten und besonders die Bevölkerung wären bereit, Solidarität zu zeigen.« Mögliche Preiserhöhungen müssten aber direkt bei den Höfen ankommen. »Es geht ja nicht darum, die Gewinne der Molkereien und Handelskonzerne zu stärken«, sagte Wöllert und verwies auf die Mitverantwortung des Bauernverbandes, der »in den Molkereien viel mehr Druck machen könnte für höhere Erzeugerpreise, denn der Verband ist in den entsprechenden Gremien vertreten. Aber die DBV-Politik ist weiterhin auf ›Wachse oder Weiche‹ ausgerichtet«.

»Eigentlich geht es darum, wie wir uns in Zukunft aufstellen«, schlussfolgert Wöllert. An der langfristigen Strategie angesichts des Klimawandels schieden sich auch am Mittwoch die Geister. Der DBV hob zwar seine Klimastrategie 2018 hervor, er setzt aber gleichzeitig auf Altbewährtes: So mahnte DBV-Vize Wolfgang Vogel eine Aufweichung des Verbotes der bienenschädlichen Neonikotinoide für die nächste Ernte an und DBV-Präsident Rukwied wünscht sich Hilfe durch neue Gentechnikverfahren wie CRISP-Cas.

Die AbL dagegen setzt auf klimaschonende Landwirtschaft und eine Abkehr von der bisherigen Exportstrategie. Gesteuert werden soll die zukünftige Landwirtschaftspolitik über die nächste Förderperiode der gemeinsamen EU-Agrarpolitik. Zahlungen sollen nicht mehr pro Hektar geleistet, sondern an Umweltmaßnahmen und den Erhalt der Biodiversität gekoppelt werden. Das sehen auch die Grünen so und warnten im Vorfeld davor, den Bauern »pauschal mal wieder Geld herüberzureichen«. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte, zukünftig müsse gelten: »Wer nachhaltig Landbau betreibt, der wird unterstützt«.

Die LINKE forderte weitergehende Maßnahmen wie Futterbörsen und einen vorübergehenden Pachtverzicht - zumindest auf den Flächen, die dem Bund unterstehen. Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Kirsten Tackmann, forderte zudem eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage für Landwirte.

Julia Klöckner kündigte an, über all diese Vorschläge sprechen zu wollen - zu gegebener Zeit.

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