Im Hochamt der Bundestrainer

Dunja Hayali und das ZDF-»Sportstudio«

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

An diesem Wochenende debütiert die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali im »Aktuellen Sportstudio« des ZDF. Doch in der Woche vor dem Debüt rückte ein anderes Thema in den Fokus: Weil sie Moderationsjobs in der Wirtschaft übernahm, geriet die 44-Jährige in die Kritik. Hayali rechtfertigte sich damit, dass sie die Nebentätigkeiten oftmals ehrenamtlich ausübe oder die Veranstalter bitte, das Honorar zu spenden. Gleichwohl ist die Debatte nicht zu Ende. Hayali wird insbesondere ein Auftritt bei der Deutschen Automatenwirtschaft vorgeworfen. Damit, so die Kritiker, habe sie für Glücksspiele geworben.

Wenn die streitbare Journalistin ab Samstagabend Punkt 23 Uhr »Das aktuelle Sportstudio« moderiert, wird für die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer allerdings etwas anderes von Interesse sein. Kann eine Frau das zweitwichtigste Hochamt im Reich von mindestens 50 Millionen Fußballbundestrainern ausüben?

Seit Wegbereiterinnen von Christine Reinhart über Doris Papperitz bis hin zu Monica Lierhaus das testosterongetränkte Feld der Sportberichterstattung bestellen, verschafft sich die Emanzipation langsam Luft. Und doch, das weiß niemand besser als Dunja Hayali, werden Frauen dort »immer noch als Fremdkörper« wahrgenommen. »Ein Fehler - und die Nation dreht hohl«, sagt sie im Gespräch. Angesichts von Hayalis beruflicher Herkunft scheint ein solcher Fehler allerdings wenig wahrscheinlich zu sein. Schließlich ist sie vom Fach. Gleich nach dem Sportstudium in Köln berichtet die glühende Gladbach-Anhängerin aus Datteln für Medien wie die Deutsche Welle über »alles, was mit Bällen gespielt wird«. Der Wechsel zur »heute«-Redaktion und ins »Morgenmagazin« lenkt ihr Interesse ab 2007 auf die Politik. Und »wer zehn Jahre lang nur noch Fan ist«, beteuert sie in einem Straßencafé ihres Kreuzberger Heimatkiezes, verabschiede sich irgendwann von Kindheitsträumen - »das gehört zum Erwachsenwerden dazu«.

So steht sie zwei Tage vor dem 55. Geburtstag der zweitwichtigsten deutschen Sportsendung unter der Bahnhofsuhr am Mainzer Lerchenberg und will zu Max Gregers Eröffnungsfanfare zwar alles gut, aber wenig anders, geschweige denn besser machen. »Erstens hat es das «Sportstudio» nicht nötig, zweitens wäre es gegenüber den Kollegen arrogant, drittens kann ich nicht machen, was ich will.« Trotzdem erwartet Reaktionsleiter Thomas Fuhrmann von Hayali, der Bundesverdienstkreuzträgerin mit eigener Talkshow, natürlich noch etwas mehr an »soziokultureller Tiefe« als von Sven Voss, Katrin Müller-Hohenstein oder Jochen Breyer.

Themen wie Rassismus, Korruption oder Doping haben die Trennwand zur gesamtgesellschaftlichen Nachrichtenlage ja schon lange vor dem Antritt Hayalis perforiert. Doch mit der Politikjournalistin im (endlich mal paritätisch besetzten) Moderationsquartett wird all dies gewiss noch ein bisschen zentraler im »Aktuellen Sportstudio«. Weil sie politisch, menschlich, fachlich, äußerlich in vielerlei Hinsicht so viel anders ist, als es dem wutbürgerlichen Mainstream behagt, haben die Hasstrolle des Internets ihre Tastaturen da sicher längst ausgiebig in Gift und Galle getränkt.

Doch wenn Dunja Hayali mit etwas zurechtkommt, dann sind es die Drecksstürme der Empörungsdemokratie. Außer im Stadion oder am Fernseher, wenn Mönchengladbach spielt. »Abgesehen vom Surfen ist dieser Zeitraum fast der einzige im wachen Zustand, wo ich alle Aufgaben, Probleme, Sorgen, Shitstorms vergessen kann.« »Fußball«, sagt sie und wirft virtuell fünf Euro ins Phrasenschwein, »ist einfach die schönste Nebensache der Welt.« Mit Dunja Hayali im Studio wird sie indes ein wenig mehr zur Hauptsache. Fürs Fernsehen ist das ein Glücksfall.

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