UN fordern Ermittlungen wegen Völkermord an Rohingya
Schwerwiegende Anschuldigungen gegen ranghohe Militärs aus Myanmar durch Untersuchungskommission
Völkermord ist die schwerwiegendste Anklage, die Ermittler der Vereinten Nationen (UN) gegen eine Regierung erheben können. Am Montag veröffentlichte die UN-Untersuchungsmission für Myanmar in Genf einen Bericht, in dem die Ermittler ein internationales Strafverfahren gegen Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing und fünf ranghohe Militärs des südostasiatischen Landes fordern. Das Vergehen: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen - und Völkermord.
Ein Jahr nach der Vertreibung der muslimischen Rohingya-Minderheit in Myanmar empfehlen die UN-Ermittler, dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Ermittlungen aufnimmt. Da Myanmar die Römischen Verträge zur Teilnahme am Strafgerichtshof nicht unterzeichnet hat, dürfte eine Anklage dort allerdings schwierig werden. Dazu benötigt es eine Empfehlung des UN-Sicherheitsrates, wo mit einer Blockade durch China gerechnet wird. Deshalb empfiehlt der Bericht, ersatzweise ein Ad-hoc-Tribunal einzurichten.
Min Aung Hlaing und seine Generäle seien verantwortlich für Morde, Massenvergewaltigungen, Folter, Versklavung, Gewalt gegen Kinder und das Niederbrennen ganzer Dörfer, so die UN-Ermittler. »Die grausamen Menschenrechtsverletzungen und Misshandlungen, die in den Bundesstaaten Kachin, Rakhine und Shan begangen wurden, schockieren wegen ihrer grauenerregenden Art und Allgegenwärtigkeit«, heißt es in dem UN-Bericht. Und weiter: »Die Verbrechen in Rhakine und die Art, wie sie begangen wurden, ähneln in (...) Schwere und Umfang Verbrechen anderswo, bei denen Völkermord als Absicht festgestellt wurde.« So sind unter anderem Hassrhetorik, Diskriminierung, organisierte Zerstörung und extreme Brutalität und Gewalt als Merkmale genannt. Zusätzlich zu den sechs hohen Militärs erstellten die UN-Ermittler eine längere Liste mit den Namen von Zivilpersonen, die mutmaßlich Verbrechen begingen.
Myanmar verweigerte den Experten die Einreise, die mit 875 Augenzeugen und Opfern sprachen und Dokumente, Satellitenaufnahmen und Fotos untersuchten. Der Bericht liefert ausreichend Beweise für die Untersuchung und Strafverfolgung der hochrangigen Kommandeure.
Neben den militärischen Akteuren beschuldigt der Bericht auch Myanmars De-facto-Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, weder ihre Stellung noch ihre moralische Autorität genutzt zu haben, um den Geschehnissen in Rakhine Einhalt zu gebieten. Zwar attestiert der Bericht, dass weder sie noch die Zivilbehörden Einfluss auf das Vorgehen der Militärs hätten. Aber durch ihre Unterlassungen hätten sie dazu beigetragen, dass Gräueltaten verübt wurden.
Die Vertreibungen, bei denen circa 700 000 muslimischen Rohingya aus dem mehrheitlich buddhistische Land nach Bangladesch flüchteten, begannen nachdem Rohingya-Terroristen bei Angriffen mehrere Grenzwächter und Sicherheitskräfte getötet hatten. Die Gewalt, mit der das Militär reagierte, sei allerdings »durchweg grob unverhältnismäßig« gewesen, so die UN-Ermittler. Laut Ärzte ohne Grenzen wurden bis zu 10 000 Rohingya ermordet. Die Untersuchungsmission empfiehlt, dass der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen die Verantwortlichen verhängen und Myanmar mit einem Waffenembargo belegen soll.
In Yangon wurde derweil das Urteil gegen die beiden Reporter Wa Lone und Kyaw Soe Oo um eine Woche verschoben, das für diesen Montag angekündigt war. Die beiden haben mit ihrer Berichterstattung maßgeblich dazu beigetragen, dem Militär eine Beteiligung an Massakern gegen Rohingya-Männer in Rakhine nachzuweisen. Sie sind wegen Diebstahls von Staatsgeheimnissen angeklagt, ihnen drohen bis zu 14 Jahren Haft.
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