Polizei rückt im Hambacher Forst vor

Energiekonzern RWE lässt mit Polizeigroßaufgebot und schwerem Gerät Waldboden räumen

  • Lesedauer: 3 Min.

Kerpen. Die Polizei ist am Mittwochmorgen mit einem großen Aufgebot in Teile des Hambacher Forstes vorgerückt. Der Wald am Rheinischen Braunkohletagebau ist teilweise von Tagebau-Gegnern und Waldschützern besetzt. Mitarbeiter des Energieunternehmens RWE begannen mit schwerem Gerät, Hindernisse wie Baumstämme am Waldboden wegzuräumen. Die Polizei schützte die Arbeiter dabei, sagte Polizeisprecher Paul Kemen. Bei einer Personenkontrolle vor Beginn habe es einen Zusammenstoß mit zwei Menschen gegeben, sagte eine Polizeisprecherin. Näheres war dazu zunächst nicht bekannt.

Mehrere Hundert Polizisten seien im Einsatz, berichtete ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur. Die Zahl der Rodungsgegner ließ sich zunächst nicht feststellen. RWE wolle »offensichtlichen Müll« aus dem Wald beseitigen, teilte die Polizei per Twitter mit. Außerdem sollten Beweismittel und Gegenstände sichergestellt werden, die für Straftaten oder den Bau von Barrikaden geeignet seien. Die rund 60, teils seit Jahren bewohnten Baumhäuser von Rodungsgegnern sollten dagegen nicht geräumt werden, betonte die Polizei. Das sagte die Polizei auch im Wald per Lautsprecher durch.

Das Energieunternehmen RWE Power will für den Braunkohleabbau mehr als 100 der verbliebenen 200 Hektar Wald abholzen, kann damit aber frühestens mit Beginn der Rodungssaison ab 1. Oktober anfangen. Die Rodung ist seit Jahren genehmigt und laut RWE nötig, um den Tagebau fortzusetzen.

Gegen die Abholzung gibt es aber seit langem heftige Proteste von Waldbesetzern vor Ort. Darüber hinaus fordert ein breites Bündnis von Natur- und Klimaschützern einen Rodungsstopp, solange die bundesweite Kohlekommission in Berlin miteinander im Gespräch ist.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte am Montag in Düsseldorf behauptet, dass man es im Hambacher Forst mit »extrem gewaltbereiten Linksextremen« zu tun habe, die aus dem ganzen Bundesgebiet und dem benachbarten europäischen Ausland anreisten. »Diese selbst ernannten Umweltschützer wollen nicht Bäume retten, sondern den Staat abschaffen«, sagte Reul. RWE sei Eigentümer des Hambacher Forstes, habe das Recht, den Wald zu roden und wolle davon demnächst Gebrauch machen. »Wir wissen's nicht genau, aber wenn der Tag dann kommt, dann muss die Polizei eben dafür sorgen, dass dieses Recht durchgesetzt werden kann.«

Die Aktivisten vor Ort wiesen Reuls Vorwürfe zurück. »Die Polizei versucht, die komplette Bewegung zu kriminalisieren und zu diffamieren«, sagte Emil Freytag von der »Aktion Unterholz«. Er verwies darauf, dass die Polizei den Hambacher Forst als »gefährlichen Ort« definiert habe und seitdem Personen ohne konkreten Anlass kontrollieren könne. Die Polizei hatte diese Maßnahme damit begründet, dass aus dem Wald heraus Straftaten verübt würden.

»Auf dem Rücken der Polizei will RWE im Hambacher Wald offenbar ein Exempel statuieren und Fakten schaffen. Noch ist Zeit für ein Rodungsmoratorium. Reden statt roden wäre das Gebot der Stunde«, forderte Monika Düker, Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Düsseldorfer Landtag via Twitter. Der LINKEN-Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel rief zur Solidarität mit den Waldbesetzern auf. Die geplante Zerstörung des Hambacher Forstes »für Profitinteressen und die Kriminalisierung der Aktivisten« sei ein No-Go!

Die Kohlekommission soll bis Ende des Jahres einen Ausstieg aus der Kohleverstromung ausarbeiten und Vorschläge für die Finanzierung und Gestaltung des Strukturwandels in Tagebau-Regionen wie dem Rheinischen Revier vorlegen. Agenturen/nd

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -