Stapeln macht mehr Wohnungen

Friedrichshain-Kreuzberg will neue Bauflächen durch Mehrfachnutzung schaffen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Während die Grünen-Abgeordnetenhausfraktion bei ihrer Klausurtagung in Hamburg von der dort im Bau befindlichen Deckelung der Autobahn angetan war und nun Ähnliches für die A100 rund um das Dreieck Funkturm fordert, ist deren Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt schon einen Schritt weiter. Er will den Betriebshof der Berliner Stadtreinigung (BSR) an der Friedrichshainer Mühlenstraße mit Wohnungen und Gewerberäumen überbauen. Im künftig überbauten Erdgeschoss sollen weiterhin die BSR-Fahrzeuge untergebracht sein, darüber könnten 400 bis 600 Wohnungen entstehen.

»Wir wollen nicht mehr warten, bis möglicherweise irgendwelche Konstellationen eintreten, dass gebaut werden kann«, sagt Schmidt. Er spielt dabei auf den ursprünglich geplanten Umzug des BSR-Areals auf ein Grundstück nahe dem Bahnhof Ostkreuz an. Das Land wollte der Bahn die entsprechenden Grundstücke abkaufen, doch die entschied sich für ein Höchstpreisverfahren und verkaufte an privat. Doch obwohl sowohl Bezirk als auch Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) im vergangenen Oktober ankündigten, alle Hebel in Bewegung setzen zu wollen, das Grundstück doch noch zu bekommen, wurde bisher daraus nichts.

Nun sollen also quasi die Nutzungen gestapelt werden, um doch noch Wohnungsbau realisieren zu können. Vorbild für die Lösung ist das Projekt einer Wohnungsbaugenossenschaft in Zürich. Dort wurde das komplette Straßenbahndepot Kalkbreite gedeckelt. »Es gibt so etwas überall in der Welt«, so Schmidt. Für das Areal an der Multifunktionshalle am Ostbahnhof sollen nun Untersuchungen angestellt werden. Unter anderem ist zu klären, ob der Bebauungsplan geändert werden muss, sagt der Stadtrat. Und natürlich mit Betriebe-Senatorin Ramona Pop (Grüne), die für die BSR zuständig ist. »Ich glaube, dass sie der Idee aufgeschlossen gegenübersteht«, so Schmidt.

Baufläche für weitere 200 bis 400 Wohnungen will der Bezirk durch die Deckelung eines großen Regenwasser-Rückhaltebeckens am Columbiadamm gewinnen. Auch hier gab es einst Pläne, dieses auf das Tempelhofer Feld zu verlegen. Ob und wann das kommen könnte, ist aber völlig offen. Florian Schmidt möchte nicht so lange untätig bleiben. »Auch Neubau sorgt dafür, dass wir mehr bekommen von dem was wir hier im Bezirk haben und wollen«, sagt er.

Doch nicht nur vom Bezirk werden Pläne geschmiedet, Nutzungen zu stapeln. Sehr konkret ist das Vorhaben der aus den skandalumwitterten Immobilienfonds der einstigen Berliner Landesbank hervorgegangenen Berlinovo. Für die marode Schwimmhalle an der Holzmarktstraße plant sie einen Ersatzneubau - auf das Schwimmbad sollen Studentenapartments kommen. Ähnliches sei nun für das ehemalige Spaßbad SEZ an der Landsberger Allee geplant, berichtet Schmidt. Doch bevor auf dem Areal etwas geschehen kann, müssen die juristischen Auseinandersetzungen zwischen dem Leipziger Investor Rainer Löhnitz und dem Land ausgestanden sein. Der Prozessauftakt vor einigen Monaten platzte, weil Löhnitz’ Anwalt einen Befangenheitsantrag gegen die Richter stellte. Der ist inzwischen abschlägig beschieden worden, einen neuen Gerichtstermin gibt es jedoch derzeit nicht.

Erfreulicher ist die Entwicklung an der Kreuzberger Ratiborstraße. Die Pläne der Integrationsverwaltung, auf dem teils von Kleingewerbetreibenden genutzten und teils verwilderten Gelände, eine Flüchtlingsunterkunft zu errichten, sorgten zunächst für Aufregung. Doch inzwischen haben die Nutzer die Zukunft selbst in die Hand genommen. »Noch bis Jahresende läuft ein dialogischer Planungsprozess für das Areal«, sagt Schmidt. Über den Werkstätten mit ihren riesigen Toreinfahrten könnten 100 bis 200 Wohnungen, auch für Geflüchtete, entstehen. »Ratibor 14 Plus« nenen die derzeitigen Nutzer ihr Konzept.

Ein Baupotenzial von 17 851 Wohnungen hat der Bezirk für Friedrichshain-Kreuzberg ermittelt. 6500 davon sollen laut Vereinbarung mit der Stadtentwicklungsverwaltung bis 2021 genehmigt werden. »Mehr als die Hälfte davon übrigens durch landeseigene Unternehmen«, so Schmidt. »Sie spielen also eine wichtige Rolle hier.«

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