Zucker bis nach Neujahr
Mecklenburg-Vorpommern: In Anklam hat die Verarbeitung der Rübenernte begonnen
Anklam. Mit der Anlieferung der ersten Rüben des Jahrgangs 2018 ist die Zuckerfabrik Anklam in Mecklenburg-Vorpommern in dieser Woche in die Verarbeitungsphase gestartet. 346 Betriebe aus Mecklenburg-Vorpommern und Nordbrandenburg liefern in den kommenden Monaten ihre Ernte an die einzige verbliebene Zuckerfabrik im Nordosten. Das Unternehmen will in diesem Jahr rund 1,4 Millionen Tonnen Rüben zu 130 000 Tonnen Zucker verarbeiten.
Die Trockenheit hat den Früchten offenbar wenig zugesetzt. Die ersten angelieferten Rüben waren trotz der trockenen Böden vergleichsweise groß, der Zuckergehalt der Früchte mit 17,2 bis 17,7 Prozent relativ hoch. »Unsere Erwartungen wurden super erfüllt«, sagte Geschäftsführer Matthias Sauer. »Wir können optimistisch in die Kampagne gehen.« Bis Anfang Januar werden die Rüben im Schichtsystem von etwa 200 Mitarbeitern zu Zucker und Dicksaft verarbeitet.
Die Zuckerrübe entstand gegen Mitte des 18. Jahrhunderts durch Züchtung aus der Runkelrübe, wobei gezielt auf einen hohen Zuckergehalt selektiert wurde.
Dadurch konnte dieser Anteil von anfänglich acht Prozent bis etwa auf 16 Prozent um das Jahr 1800 gesteigert werden. Heutige Zuckerrüben haben einen Zuckergehalt bis 20 Prozent. Die zweijährige Pflanze bildet erst im zweiten Jahr einen Blütenstand und Samen aus. Im ersten Jahr entwickelt sie oberirdisch eine Blattrosette mit ungefähr 20 breitflächigen, bis zu 30 Zentimetern langen Laubblättern, und die Wurzel verdickt sich zu einem weißen Rübenkörper. Die Pflanze ist ein Pfahlwurzler, ihre Wurzeln können bis zu anderthalb Meter tief in die Erde reichen. Die Ernte erfolgt im ersten Vegetationsjahr, da in diesem Zeitraum die Speicherung von Reservestoffen erfolgt und damit der Zuckergehalt am höchsten ist. Zum Erntezeitpunkt hat die Rübe üblicherweise ein Gewicht von 700 bis 1200 Gramm.
Weltweit wurden laut der Welternährungsorganisation 2016 insgesamt etwa 277 Millionen Tonnen Zuckerrüben geerntet. Deutschland war in jenem Jahr mit 25,5 Millionen Tonnen viertgrößter Produzent. Die Plätze eins bis drei nahmen Russland (51,3 Millionen Tonnen), Frankreich (33,8) und die USA (33,5) ein. Die Rüben dienen nicht nur der Zuckerproduktion für die menschliche Ernährung, sondern auch als Tierfutter oder zur Gewinnung von Ethanol (Bioethanol). nd
Laut Geschäftsführer Sauer bewegt sich das Unternehmen nach dem Ende der EU-Zuckermarktordnung in einem schwierigen Marktumfeld. Bis Ende 2017 war die Zuckerproduktion innerhalb der EU limitiert. Es durften maximal 85 Prozent der Zuckerproduktion aus der EU stammen. Der restliche Bedarf wurde durch Importe, vor allem aus Entwicklungsländern gedeckt. Außerdem existierte eine jährliche Obergrenze der Produktion von 13,5 Millionen Tonnen.
Nach dem Wegfall der Quote hätten sich die Zuckerpreise durch Übermengen und leicht rückläufigem Zuckerkonsum innerhalb eines Jahres im europäischen Binnenmarkt von 570 Euro pro Tonne auf 300 Euro je Tonne nahezu halbiert, sagte der Firmenchef. Auf dem Weltmarkt beläuft sich der Preis inzwischen bei etwa 250 Euro pro Tonne.
Die Rübenanbauer in Mecklenburg-Vorpommern, die die süßen Früchte landesweit auf etwa 21 000 Hektar anbauen, sehen die Preisentwicklung beim Zucker mit großer Sorge - der Rübenpreis richtet sich nach dem Zuckerpreis. »Zu diesen Preisen kann weltweit eigentlich kein Zucker produziert werden«, sagt der Vorsitzende des Anklamer Anbauerverbandes, Thies Holtmeier. Der Landwirt setzt darauf, dass sich der Markt bald stabilisiert. Das bedeute im Endeffekt, dass Überkapazitäten abgebaut werden müssen.
Noch gelten für die Bauern die Preise, die vor zwei Jahren mit der Zuckerfabrik verhandelt wurden. Im Winter, nach dem Abschluss der Zuckerkampagne, stehen dann neue Preisverhandlungen mit der Zuckerfabrik an.
Das zum niederländischen Suiker Unie gehörende Unternehmen in Anklam will zu den Gewinnern in diesem Prozess gehören. Schon vor zehn Jahren hatte das Unternehmen mit der Produktion von Bioethanol begonnen, um ein zweites Standbein zu haben und sich langfristig auf den Wegfall der EU-Zuckerquote einzustellen. Die Entscheidung sei richtig gewesen, resümiert Sauer. Anfangs sollte mit der Bioethanolproduktion die Fabrik nur ausgelastet werden, doch inzwischen sei das Ganze ein stabilisierender Faktor, um den Preisverfall beim Zucker zu kompensieren.
Die Zuckerfabrik investiert und baut derzeit für sechs Millionen Euro einen neuen Dicksafttank, der Ende des Jahres in Betrieb genommen wird. Im Frühjahr will man mit dem Bau einer neuen, etwa acht Millionen Euro teuren Saftreinigungsanlage beginnen. Die Anlage sei Voraussetzung, um die tägliche Verarbeitungsmenge von derzeit 12 000 auf 16 000 Tonnen Rüben zu erhöhen. dpa/nd
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