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  • Flüchtlingsaktivistin

Freilassung von Sarah Mardini gefordert

Flüchtlingsaktivistin aus Berlin sitzt in Griechenland ein - LINKE-Landeschefin Schubert besuchte sie im Knast

  • Johanna Treblin, Athen
  • Lesedauer: 4 Min.

Müll liegt neben dem überquellenden Abfalleimer, es riecht, als sei er schon länger nicht geleert worden. Frauen und Männer bringen große Taschen voll mit Handtüchern, Bettwäsche, Kleidung. Mehrere Poller auf der Straße vor dem Eingang sind umgefahren. Das Gefängnis von Athen liegt in einem Vorort, hier sind die Männer untergebracht. Schräg gegenüber beim Frauengefängnis ist weniger los.

Hier sitzt Sarah Mardini in Untersuchungshaft. Die 23-Jährige war zuvor mehrere Monate lang als Flüchtlingshelferin auf der griechischen Insel Lesbos. Am 21. August war sie gerade auf dem Rückweg nach Berlin, um ihr Studium am Bard-College fortzusetzen, als sie am Flughafen festgenommen wurde. Wenig später wurde sie ins Gefängnis nach Athen gebracht.

Etwa eine halbe Stunde darf die Landesvorsitzende der Berliner Linkspartei, Katina Schubert, am Mittwochmorgen mit ihr sprechen. Sie sehe müde und erschöpft aus, berichtet Schubert danach. Es gehe ihr aber - den Umständen entsprechend - gut. »Sarah Mardini ist davon überzeugt, kein Verbrechen begangen zu haben. Sie habe nur Menschen geholfen, und dazu steht sie«, sagt Schubert nach dem Besuch dem »nd«. Mardini gehe deshalb davon aus, dass sie bald entlassen werde.

Schubert ist derzeit mit einer Delegation von Landespolitikern der LINKEN aus Berlin, Brandenburg und Thüringen zu Besuch in Athen, um sich mit hochrangigen Politikern der Regierungspartei Syriza auszutauschen. Der Besuch im Gefängnis hat kurzfristig geklappt - begleitet werden darf sie nur von einer Mitarbeiterin der deutschen Botschaft.

Mardini ist zwar keine Deutsche, hat aber eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland. 2015 floh sie gemeinsam mit ihrer Schwester Yusra aus dem zerbombten Syrien. Als der Motor ihres Schlauchbootes, mit dem sie von der Türkei nach Griechenland fahren wollten, aussetzte, sprangen die beiden Schwestern ins Meer und zogen das Boot mit 18 Menschen an Bord mehrere Kilometer an die griechische Küste. Sarah und Yusra hatten früh schwimmen gelernt: Ihr Vater war Schwimmtrainer. Später schwammen die beiden Mädchen in der syrischen Nationalmannschaft. Yusra trat 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro an. Sarah Mardini engagiert sich bereits seit längerem in der Flüchtlingshilfe und war immer wieder mit der griechischen Organisation ERCI (Emergency Response Centre International) auf Lesbos. Nun werfen die griechischen Behörden ihr vor, Migranten bei der illegalen Einreise nach Griechenland geholfen zu haben. Dabei hätten sie auch mit organisierten Schleppern zusammengearbeitet. Zudem sollen Sarah Mardini und andere Aktivisten illegal den Funkverkehr der griechischen Küstenwache und der EU-Grenzschutzagentur Frontex abgehört haben. Mit Spendenaufrufen im Internet hätten sie zudem einen »finanziellen Gewinn« für ihre Organisation angestrebt, heißt es.

Gegen rund 30 Flüchtlingshelfer, darunter 24 Ausländer, soll die Justiz wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermitteln. Ein Teil von ihnen soll für ERCI tätig gewesen sein, so auch Mardini und der Deutsch-Ire Sean Binder. Er wurde gemeinsam mit Mardini festgenommen und soll auf der Insel Chios in Untersuchungshaft sitzen. Ein dritter Festgenommener ist der Grieche Nassos Karakitsos. ERCI bestreitet die Vorwürfe in einer Mitteilung auf ihrer Homepage. Die Organisation engagiere sich lediglich in der Seenotrettung und habe sich gegenüber den Behörden immer transparent gezeigt.

Auch Mardinis Anwalt Haris Petsikos weist die Vorwürfe zurück. »Man versucht, die Tätigkeiten der Helfer zu kriminalisieren«, sagte er kurz nach der Verhaftung der dpa. Mardini sei während mehrerer Taten, die ihr zur Last gelegt werden, gar nicht in Griechenland gewesen. Das geht auch aus einer Recherche des griechischen Online-Magazins »Protagon« hervor. Sie hat E-Mails und Anwesenheitslisten des Bard-College in Berlin eingesehen. Daraus gehe hervor, dass Mardini an einigen der Tage, an denen sie in Griechenland Straftaten begangen haben soll, in Seminaren ihrer Universität in Berlin saß oder sogar Klausuren schrieb. Mardini studiert dank eines Stipendiums seit einem Jahr Wirtschafts- und Sozialwissenschaften am Bard-College.

Sowohl Mardini als auch Binder werden konsularisch betreut, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Die Deutsche Botschaft in Athen stehe zu beiden Fällen mit den griechischen Behörden in Kontakt. Mardini berichtet Schubert, dass sie zuletzt am Montag von eine Mitarbeiterin der Botschaft besucht worden sei.

In der kommenden Woche soll Mardini einem Haftrichter vorgeführt werden. »Ich hoffe, dass Sarah Mardini möglichst schnell wieder entlassen wird. Dafür setzen wir uns auch bei unseren griechischen Partnern ein«, sagt Schubert dem »nd« am Mittwoch nach dem Besuch im Gefängnis. Schubert hatte am Tag zuvor auch Migrationsminister Dimitris Vitsas um Unterstützung für Mardini gebeten. »Auch ich habe ein Interesse daran, dass das Verfahren schnell vorankommt«, sagte der Minister. Er sagte zu, mit dem Justizminister über den Fall zu sprechen.

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