Besuch aus Washington
IWF-Delegation fordert in Kiew Strukturanpassungen für weitere Kredite
Vom 6. bis 19. September besucht eine Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) die ukrainische Hauptstadt Kiew. Im Zentrum stehen Verhandlungen über eine Kredit von zwei Milliarden US-Dollar für die ukrainische Regierung.
Der Kredit ist Teil eines umfassenden IWF-Programms, das im Zuge der einsetzenden Wirtschaftskrise im Jahr 2014 und des anhaltenden militärischen Konfliktes in der Ostukraine aufgelegt wurde. Seit März 2015 werden für vier Jahre insgesamt 17,5 Milliarden US-Dollar an die Ukraine ausgezahlt. Im Gegenzug erklärt sich die ukrainische Regierung zu weitreichenden Zugeständnissen bereit. Diese umfassen konsequente Schritte gegen die allumfassende Korruption im Land, den Umbau des Rentensystems und umfangreiche Kürzungen der staatlichen Gassubventionen. Außerdem drängt der IWF darauf, internationalen Investoren den Zugriff auf landwirtschaftliche Ackerböden zu erleichtern. Die Ukraine beherbergt eine der größten Schwarzerdegebiete der Welt.
Zwar konnte eine - vom IWF geforderte - vollständige Privatisierung des Rentensystems verhindert werden, allerdings wurden das Rentenalter erhöht und staatliche Boni für einzelne Berufsgruppen abgeschafft. Im Mai 2017 bestätigte der IWF der ukrainischen Regierung in einem Zwischenbericht eine positive kurzfristige Perspektive, mahnte aber zugleich an, dass eine entschlossene Umsetzung struktureller Reformen »entscheidend« für ein starkes und nachhaltiges Wachstum in der Ukraine sei.
In den Jahren 2014 und 2015 erlebte die ukrainische Wirtschaft einen Einbruch des Bruttoinlandsproduktes von 6,5 beziehungsweise 9,7 Prozent. Obwohl die Wirtschaft in den letzten beiden Jahren ein moderates Wachstum von knapp über zwei Prozent aufweist, hat die soziale Ungleichheit im Land massiv zugenommen.
In einer Rede im ukrainischen Parlament gab Premierminister Volodymyr Groysman vorige Woche das Ziel aus, die Ukraine müsse mittelfristig die Auslandsschulden reduzieren. Diese behinderten die Entwicklung der einheimischen Wirtschaft und des Lebensstandards im Land.
Die konkrete Politik der Regierung steht für das genaue Gegenteil. Im Vorfeld des Besuchs bekräftigten Vertreter des IWF ihre Forderungen nach Preiserhöhung im Energiesektor. Zwar hat sich die ukrainische Regierung bislang gegen eine solchen Schritt gesperrt. Allerdings nannte Groysman eine Preiserhöhung in der letzten Woche »unausweichlich« und kündigte eine Entscheidung über diese Frage bis zum Monatsende an.
Während die Ukraine die politische und ökonomische Ausrichtung nach Westen vertieft, spricht sich die belarussische Regierung gegen IWF-Kredite aus. Finanzminister Maksim Jeromolowitsch erklärte, sein Land verzichte auf die Strukturreformen und lehne daher Kostenerhöhungen im Bereich kommunaler Dienstleistungen oder die Privatisierung staatlichen Eigentums ab.
Stattdessen erhält Minsk einen Kredit über zwei Milliarden US-Dollar vom Eurasischen Fonds für Stabilisierung und Entwicklung. Dabei handelt es sich um einen regionalen Finanzmechanismus zur Vergabe von Finanz- und Investitionskrediten, der maßgeblich von Russland finanziert wird. Durch die unterschiedliche ökonomische Ausrichtung der Ukraine und Belarus gewinnt die Zersplitterung des post-sowjetischen Raums deutlichere Konturen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.