- Berlin
- Tag der Zivilcourage
»Ein Risiko ist es definitiv«
Der Tag der Zivilcourage soll ermutigen, Diskriminierung und Gewalt zu widersprechen
Diesen Mittwoch findet der bundesweite Aktionstag für Zivilcourage statt. Was planen Sie?
Bei unserem Fest wird es von 12 bis 22 Uhr verschiedene Angebote geben. Zum einen kann man sich an Ständen einfach informieren, aber auch mit Akteur*innen vernetzen, die im Bereich Zivilcourage und Diskriminierung aktiv sind. Es gibt auch eine Bühne mit Redebeiträgen und einem kulturellen und musikalischen Programm. Zusätzlich werden auch viele Mitmachaktionen angeboten, zum Beispiel Workshops für Kinder und Erwachsene zum Thema Zivilcourage oder ein Training mit Klassensprecher*innen. Man kann aber auch einfach vorbeikommen und ein wenig Spiel und Spaß erleben.
Marieke Schippert vom NARUD e.V. ist Mitorganisation des Aktionstags für Zivilcourage, der in Berlin auf dem Leopoldplatz stattfinden soll. Die Idee des bundesweiten Tages kommt ursprünglich aus Bremen. Für »nd« sprach Philip Blees mit der Organisatorin über Zivilcourage, was sie heute bedeutet und wieso Rechtsradikale diese auch für sich beanspruchen wollen.
Was ist das Ziel?
Wir wollen hauptsächlich erst mal ein größeres Bewusstsein schaffen, dass sich Organisationen vernetzten und dass es einen Austausch über die bestehenden Aktivitäten gibt. Der Leopoldplatz wurde auch gewählt, da sich dort tagsüber viele Menschen aufhalten: Wir wollen, dass das ein Thema im Viertel wird und die Nachbarschaft darüber spricht. Dann wird in Zukunft eventuell öfters mit Courage gehandelt.
Welche Gruppen sind an dem Tag beteiligt?
Organisiert wird der Tag der Zivilcourage von einem großen Team - dabei sind wir, die Giuseppe Marcone Stiftung, das VIDA Netzwerk und das Team Gewaltmanagement. Stände gibt es auch noch von anderen Organisationen, wie dem Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit oder dem gegen Menschenhandel - auch das Deutsche Rote Kreuz ist da. Es werden also quer durch alle verschiedene Bereiche Akteur*innen vor Ort sein.
Sie haben auch dazu aufgerufen, den Tag selbst mitzugestalten.
Genau, es haben sich schon viele gemeldet, die Interesse haben, die Stände anbieten wollen oder selbst Mitmach-Aktionen anbieten. Wir haben auch schon Anmeldungen von Jugendgruppen und Geflüchteten. Allerdings gab es auch Unerfreuliches: Nikolai N., der in Berlin besser bekannt ist als »Volkslehrer«, hat uns auch angerufen. Er betreibt einen Youtube-Kanal und wurde Anfang des Jahres aus dem Schuldienst ausgeschlossen wegen seiner rechtsradikalen Positionen, die er im Internet verbreitet.
Und was wollte er?
Er wollte sich am Programm beteiligen und über »Diskriminierung« von Nazis in Deutschland aufklären. Das Gespräch hat er mitgeschnitten und auf seinen Kanal gestellt, ohne uns Bescheid zu geben. In dem Video ruft er auch auf, zu dem Tag zu kommen - es hatte innerhalb weniger Stunden viele Tausend Aufrufe. In den Kommentaren wurden wir auch bedroht. Der Tag der Zivilcourage kann nicht mehr unbelastet stattfinden. Wir werden uns davon allerdings auf keinen Fall einschüchtern lassen. Das ist klar!
Das zeigt auch, wie es um Zivilcourage in der Gesellschaft steht.
Schon, das ist allerdings sicher nicht die Meinung der Mehrheit. Zivilcourage unterstützen grundsätzlich viele Menschen. Sie auszuführen ist da noch mal etwas ganz anderes. In unserem Register nehmen wir viele verschiedene Fälle auf, ob nun Beleidigungen oder tätliche Angriffe. Bei einigen davon gibt es Zeug*innen, die eingreifen. Es gibt aber auch viele Fälle, die in der Öffentlichkeit passieren, bei denen einfach niemand was macht. Ich würde sagen das Thema ist noch sehr ausbaufähig.
Wieso wird es denn so wenig thematisiert?
Das hängt auch damit zusammen, dass viele Menschen solche Probleme nicht in der Mitte der Gesellschaft wahrnehmen, sondern nur in den radikalen Gruppen am Rand - zum Beispiel bei Rechtsextremen. Viele Leute sind gegen Nazis, aber sehen nicht, dass Rassismus überall vorhanden ist. Es geht darum, dass Menschen begreifen, dass diskriminierend nicht nur die großen Sachen sind, die in der Zeitung stehen, sondern auch kleine alltägliche Momente, Blicke oder Sprüche. Dazu sagt oft niemand was.
Was bedeutet denn Zivilcourage heute?
Laut Definition geht es darum, einzugreifen, sich einzusetzen oder sich zu wehren angesichts von Konflikten oder Machtsituationen zugunsten Benachteiligter oder Unterdrückter im Sinne der Werte trotz kurzfristiger persönlicher Nachteile oder Risiken. Ein Risiko ist es definitiv - irgendwer kann immer aggressiv werden. Das zeigen schon unsere Organisationspartner*innen wie beispielsweise der Giuseppe Marcone Stiftung, die sich nach einem Menschen benannt hat, der beim Versuch zu helfen umgekommen ist. Ich denke, dass Zivilcourage zu zeigen, ganz viele verschiedene Sachen heißt. Zum einen sich selbst sehr bewusst wahrzunehmen. Aber zum anderen auch Diskriminierung und Gewalt zu widersprechen.
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