Nahles wendet parteiinterne Revolte ab

SPD-Führung ist zufrieden mit Kompromiss zu Maaßen, obwohl sie ursprünglich seine Entlassung gefordert hatte

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Viele Sozialdemokraten waren am Montag erleichtert, dass ihre Parteivorsitzende Andrea Nahles gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) doch noch eine neue Lösung im Streit um die Zukunft von Hans-Georg Maaßen gefunden hat. Dem Vernehmen nach wurde die Einigung der Koalitionsspitzen vom Vorabend, wonach der bisherige Verfassungsschutzchef Maaßen doch nicht zum Staatssekretär im Innenministerium befördert, sondern dort als Sonderbeauftragter für europäische und internationale Fragen verantwortlich sein wird, im SPD-Vorstand einhellig unterstützt. In dem 45-köpfigen Gremium gab es am Montag zwar keine formelle Abstimmung, aber auch keine Stimmen, die die Lösung ablehnten.

Damit hat Nahles möglicherweise einen Aufstand in der eigenen Partei abgewendet. Die Parteivorsitzende war in den vergangenen Tagen flügelübergreifend dafür kritisiert worden, dass sie der Beförderung von Maaßen zugestimmt hatte, ohne sich darüber mit der SPD-Spitze abzusprechen. Nach der Vorstandssitzung sprach Generalsekretär Lars Klingbeil nun mit Bezug auf die Causa Maaßen von einem »akzeptablen Ergebnis«. Die jetzige Lösung sei aber eine persönliche Entscheidung von Seehofer, dieser müsse sich dafür vor seinen Wählern verantworten, betonte der Sozialdemokrat.

Nahles habe in der Vorstandssitzung »große Unterstützung« für den Koalitionsbeschluss erfahren, hob Klingbeil hervor. Der Vorsitzenden sei »großer Respekt« dafür gezollt worden, dass sie die vorherige Einigung zu Maaßen vom Dienstag als Fehler erkannt habe. Dass jemand sagt, dass Dinge »falsch gelaufen sind«, sei in der Politik selten.

Ursprünglich hatte die SPD-Spitze allerdings die Entlassung von Maaßen und seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gefordert. »Für die SPD-Parteiführung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt handeln«, hatte Klingbeil am 13. September noch vollmundig verkündet.

Nicht einmal linke Sozialdemokraten messen die Entscheidungen ihrer Parteiführung noch an solchen einst erhobenen Forderungen. Stattdessen schlugen sich nun auch Vertreter des linken Flügels auf die Seite von Nahles. »Sonderbeauftragter, keine Gehaltsstufe höher, keine Belohnung, das ist ja nun mal ein Ergebnis, mit dem kann man einigermaßen leben«, sagte die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis dem Sender SWR 2.

Ähnlich äußerten sich weitere SPD-Politiker, die Mattheis inhaltlich nahe stehen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Nahles in diesen Kreisen nun auf einmal an Popularität gewonnen hat. Vielmehr liegt es nahe, dass die Sozialdemokraten kurz vor den wichtigen Landtagswahlen in Hessen und Bayern im Oktober eng zusammenstehen wollen.

Dazu passte auch, dass Mattheis im Kurznachrichtendienst Twitter einen kürzlich gefassten Beschluss des baden-württembergischen SPD-Landesvorstandes verbreitete, in dem Seehofer zum Rücktritt aufgefordert wird. »Frau Merkel lässt dem Innenminister einen Skandal nach dem anderen durchgehen. Er torpediert seit Monaten die Regierung«, heißt es zur Begründung in dem Beschluss. Sonderlich beeindrucken wird dies den Bundesinnenminister allerdings wohl nicht.

Am Montag deutete sich vielmehr an, dass Seehofer die Sozialdemokraten auch in Zukunft provozieren wird. Der Bayer ließ mitteilen, dass er schon bei der ersten Verhandlungsrunde angeboten habe, Maaßen zum Sonderberater in seinem Ministerium zu machen. Nach Angaben der Sprecherin des Bundesinnenministeriums, Eleonore Petermann, soll Seehofer schon bei der ersten Runde der Gespräche mit Merkel und Nahles drei Vorschläge gemacht. Demnach habe der Innenminister sich offen dafür gezeigt, dass Maaßen eine andere Bundesbehörde leiten, Staatssekretär werden oder die Aufgaben eines Sonderberaters übernehmen könnte.

Es sei komplett falsch, dass Seehofer die jetzt gefundene Lösung schon am Dienstag angeboten habe, sagte hingegen Nahles nach Angaben eines Sprechers. Es liegt nahe, dass sowohl die CSU als auch die SPD die jetzt gefundene Lösung als eigenen Verhandlungserfolg darstellen wollen.

Auch in der CDU hatte es wegen der ursprünglich beschlossenen Beförderung von Maaßen Ärger gegeben. Nach der Sitzung der Parteispitze am Montag sagte Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, dass diese Entscheidung auf wenig bis gar kein Verständnis gestoßen sei. Die CDU-Politikerin berichtete von »unmissverständlichen« Rückmeldungen aus ihrer Partei. Viele Konservative hoffen nun offensichtlich, dass die Streitigkeiten in der schwarz-roten Bundesregierung ein Ende haben werden. »Die CDU-Mitglieder erwarten von der Regierung einen anderen Arbeitsmodus und einen anderen Umgang in der Koalition«, erklärte Kramp-Karrenbauer. Sie gehe davon aus, dass dies auch ein Anliegen der anderen Regierungsparteien sein werde.

Maaßen war in den vergangenen Wochen unter anderem in die Kritik geraten, weil er rassistische Übergriffe in Chemnitz verharmlost hatte. Zudem soll Maaßen in seiner Zeit als Verfassungsschutzpräsident der rechten AfD-Bundestagsfraktion Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 bereits Wochen vor dessen Veröffentlichung zur Verfügung zugestellt haben. Das hatte kürzlich das ARD-Magazin »Kontraste« berichtet. Der AfD-Politiker Stephan Brandner hatte dies bestätigt. Dabei sei es um die Zahl islamistischer Gefährder und um den Haushalt des Verfassungsschutzes gegangen.

Dem Inlandsgeheimdienstchef war schon zuvor vorgeworfen worden, den Kontakt zur AfD gesucht und der einstigen Parteichefin Frauke Petry Ratschläge gegeben zu haben, was die Partei tun müsse, um einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entgehen.

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