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Familiennachzug deutlich unter der Obergrenze
Bisher nur 112 Visa für Nachzug zu subsidiär geschützten Flüchtlingen erteilt / Kritiker sehen Rechtsanspruch auf familiäres Zusammenleben in »kontingentäres Gnadenrecht« umgewandelt
München. Die Anzahl der Visa für den Familiennachzug nach Deutschland zu subsidiär geschützten Geflüchteten liegt einem Bericht zufolge bislang deutlich unter der Obergrenze. Von Anfang August bis Mitte September seien lediglich 112 Visa erteilt worden, meldete die »Süddeutsche Zeitung«. Dies habe das Bundesinnenministerium auf eine Frage von Ulla Jelpke (LINKE) im Bundestag mitgeteilt.
Damit liegt die Anzahl weit unter der Obergrenze von 1000 pro Monat. Auf dieses Kontingent hatte sich die Große Koalition nach monatelangem Streit geeinigt. Zuvor durften Geflüchtete mit einem subsidiären Geflüchtetenstatus rund zwei Jahre lang ihre Familien nicht nachholen.
Es sind vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, die subsidiären Schutz statt des vollwertigen Geflüchtetenstatus erhalten. Geflüchtete mit subsidiären Schutzstatus bekommen nur eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, die verlängert werden kann. Zudem ist ihr Recht auf Familiennachzug stark einegschränkt. Ein anerkannter Flüchtling kann seine Familie in der Regel nachholen, die Aufenthaltsgenehmigung gilt für drei Jahre.
Laut Innenministerium liegen derzeit gut 43.000 Terminanfragen von Nachzugsbewerbern in den deutschen Botschaften, wie die »SZ« weiter berichtete. Im August seien von dort 853 geprüfte Anträge an die zuständigen kommunalen Ausländerämter übermittelt worden. Davon wiederum seien 65 an das Bundesverwaltungsamt weitergeleitet worden, das dann entschieden habe, dass 42 Migranten ein Visum bekommen.
Der niedersächsische Flüchtlingsrat kritisierte bereits vor einigen Tagen, dass erste Erfahrungeneinen sehr hohen Aufwand zeigten, der das Verfahren enorm verlangsame: Wie zu erwarten handele »es sich dabei um ein hoch kompliziertes bürokratisches Verfahren, an dem mehrere Behörden beteiligt sind.«
Die Zusammenführungsanträge werden doppelt geprüft. Zum einen durch die zuständige deutsche Auslandsvertretung, die Fragen der Familienzusammengehörigkeit sowie humanitäre, aber auch integrative Aspekte, etwa Kenntnisse der deutschen Sprache beachtet. Wenn die Nachzugsvoraussetzungen grundsätzlich gegeben sind, nehmen sich dann inländische Behörden, vor allem die Ausländerbehörden, ebenfalls die Anträge vor. Die abschließende Entscheidung trifft dann das Bundesverwaltungsamt.
Der Rat kritisiert: »Die Abschottungspolitik hat mit diesem Gesetz weiter an Raum gewonnen und die Willkommenskultur gerät weiter unter Druck. Der Rechtsanspruch auf ein familiäres Zusammenleben wird damit nun in ein kontingentiertes Gnadenrecht umgewandelt.«
Im Verlauf der Aufzeichnung stieg die Anzahl der Vergaben etwas an - im ganzen August seien es 42, in der ersten Septemberhälfte 70 gewesen. In der ersten Septemberhälfte stiegen auch die Anträge dem Bericht zufolge deutlich an: 537 Ansuchen gingen demnach an die Ausländerämter, die wiederum 80 an das Bundesverwaltungsamt zur endgültigen Entscheidung geschickt hätten. AFP/nd
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