Wie der Westen den Osten zensierte
Das Kino Arsenal zeigt Filme aus der DDR, die in der BRD nicht zu sehen sein sollten
Die Filme, die in der DDR verboten waren, besonders die aus eigener Produktion, die nach dem 11. Plenum des ZK der SED 1965 nicht in die ostdeutschen Kinos kommen durften, sind schon oft gezeigt und diskutiert worden. Es gab aber auch Filme der DEFA und des DDR-Fernsehens, die nicht in der BRD gezeigt werden durften, weil sie angeblich das Leben in der DDR verherrlichen würden.
Zwischen 1953 und 1966 existierte in der Bundesrepublik eine staatliche Zensurstelle, die für die inhaltliche Überprüfung aller osteuropäischen Filme zuständig war. Dieser »Interministeriellen Ausschuss für Ost-West-Filmfragen« verbot über 100 ostdeutsche Filme.
Am heutigen Montag stellt die DEFA-Stiftung um 19 Uhr im Kino Arsenal eine Datenbank vor, in der alle Filme die damals überprüft wurden, erfasst sind. Sie wurde erarbeitet vom Hannah-Arendt-Institut in Dresden. Der Filmhistoriker Andreas Kötzing führt in das Thema ein, im Gespräch mit Ralf Schenk vom Vorstand der DEFA-Stiftung.
Danach werden drei Filme als Beispiele für Zensurfälle aus dem Jahr 1956 gezeigt. Heiner Carows kurzer Dokumentarfilm »Martins Tagebuch« war dem Ministerium für gesamtdeutsche Angelegenheiten nicht geheuer, weil darin ein zu positives Bild der Schule in der DDR gezeichnet würde: Nachdem Martins schulische Leistungen abfallen, setzen sich Eltern und Lehrer zusammen und helfen ihm. Ein Skandal! Das Ministerium protestierte, weil der Film »wesentliches weglässt«, nämlich dass in den Schulen der DDR »in der Hauptsache zum Atheismus und zum Hass gegen die Bundesrepublik« erzogen werden würde, ja der Film sei ein »gezielter Versuch (…) die Bevölkerung der Bundesrepublik zu täuschen und deren Behörden ins Unrecht zu setzen. Das Publikum, das diesen DEFA-Film sieht, muss sich sagen, dass die dargestellte Erziehung zu Moral und Arbeitsamkeit etc. auch seinen Zielen entspricht, und muss damit den Schluss verbinden, [...] die sind ja gar nicht so, wie uns immer erzählt wird.«
Doch der Film durfte dann nicht nur bei den Kurzfilmfestspielen in Oberhausen laufen, er wurde auch für »nichtgewerbliche Nutzung« freigegeben.
Dagegen durfte der Dokfilm »Träumt für morgen« von Hugo Hermann nicht in die BRD eingeführt werden. Darin wird ein Puppenspieler gezeigt, der Kinder dazu anregt, mit selbstgebastelten Puppen von einer besseren Welt zu träumen. Sie müssten sich nur vorstellen, dass sie zaubern können - und schon ist ein paradiesischer Sozialismus da. Das ging im Westen natürlich gar nicht. Auch der Spielfilm »Zwischenfall in Benderath« von János Veiczi wurde verboten. Er handelt davon, wie in einer - selbstverständlich - westdeutschen Kleinstadt sich Schüler gegen einen Lehrer wehren, der einen jüdischen Mitschüler als »feigen Orientalen« beschimpft. Die Schüler stellen der Schulleitung ein Ultimatum, ihre Eltern solidarisieren sich mit ihnen und der Lehrer wird an eine andere Schule versetzt.
1.10., Arsenal 2, Potsdamer Str. 2, 19 Uhr Gespräch, »Martins Tagebuch« und »Träumt für morgen«; 21 Uhr »Zwischenfall in Benderrath«.
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