• Kultur
  • Liveticker zu 100 Jahre Novemberrevolution

Tag für Tag 1918/19

Eine Chronik der Revolution in Deutschland

»Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte!«, soll Wladimir I. Lenin, Führer der russischen Bolschewiki, dereinst gesagt haben. Und doch haben Deutsche vor 100 Jahren die Revolution gewagt: Arbeiter, Matrosen und Soldaten - sowie ihre Frauen, die das vierjährige Völkermorden des Ersten Weltkrieges satt waren.

Es begann mit Meutereien in der kaiserlichen Flotte und breitete sich rasch über ganz Deutschland aus. Am 9. November 1918 siegte die Revolution in Berlin. Kaiser Wilhelm II. musste abdanken, Karl Liebknecht rief vom Balkon des Berliner Schlosses die »freie sozialistische Republik« aus, während zeitgleich Philipp Scheidemann von der SPD aus einem Fenster des Reichstagsgebäude die »frei deutsche Republik« proklamierte - obwohl die damaligen Führer der deutschen Sozialdemokratie die Revolution wie der Teufel das Weihwasser fürchteten. Oder, wie der SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert formulierte: »Ich hasse sie wie die Sünde selbst.«

nd erinnert mit einem täglichen Liveticker an die deutsche Novemberrevolution.

3. Oktober 1918:

Den Tränen nahe erklärt der SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert in einer Sitzung des Parteivorstandes, dass keine Aussicht mehr bestehe, den Krieg zu gewinnen und die Sozialdemokratie den Vorschlag von Prinz Max von Baden aufgreifen sollte, einer neuen zivilen Regierung beizutreten. Am Vorabend hatte die Oberste Heeresleitung (OHL), die unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff im Krieg de facto die Geschicke des Landes bestimmt hatte, die Führungen aller im Deutschen Reichstag vertretenen Parteien über die militärische Lage informiert und sie aufgefordert, Verantwortung für den unausweichlichen Waffenstillstand zu übernehmen.

Am Abend des 3. Oktobers wird Prinz Max von Baden von Kaiser Wilhelm II. zum neuen deutschen Reichskanzler ernannt. Der Vetter des Monarchen sendet sogleich ein Waffenstillstandsangebot an den US-amerikanischen Präsidenten Thomas Woodrow Wilson, das auf dessen 14-Punkte-Friedensprogramm vom 8. Januar fußt, das unter anderem das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Schaffung eines Völkerbundes zur künftigen Verhinderung von Kriegen vorsieht.

4. Oktober 1918:

Prinz Max stellt als neu berufener Reichskanzler sein Kabinett vor, dem auch der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann und der Gewerkschaftsführer Gustav Bauer als Staatssekretäre angehören. Die Führer der Mehrheitssozialdemokratie (MSDP) wechseln damit von der seit dem Kriegsbeginn im August 1914 praktizierten Burgfriedenspolitik zur Koalitionspolitik mit den alten Kräften des Kaiserreiches über.

Die Spartakusgruppe, ein von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg vor ihrer Verhaftung gegründeter oppositioneller Zusammenschluss innerhalb der deutschen Sozialdemokratie, verkündet in an das Volk gerichteten Flugblättern: »Nicht in eurem Interesse ist diese Regierung geschaffen worden, sondern im Interesse eurer Bourgeoisie und um euch zum Schweigen zu bringen.«

Österreich-Ungarn tritt dem deutschen Waffenstillstandsangebot bei. Die kirchlichen Behörden in Köln ordnen an, dass das reguläre Läuten der Kirchenglocken aus Rücksicht auf die zahlreichen in der Stadt befindlichen Kriegsverletzten vorläufig eingestellt werden soll.

5. Oktober 1918:

Ein Aufruf der Parteileitung und der Reichstagsfraktion der sich 1917 von der SPD abgespaltenen Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschland (USPD) begrüßt die von der neuen Regierung avisierten Waffenstillstandsverhandlungen, die ihren eigenen »unausgesetzten Friedensbestrebungen« und den Erwartungen des deutschen Volkes entgegenkämen.

Im gesamten Deutschen Reich ergeht angesichts der katastophalen Versorgungslage an alle Schüler der Aufruf, die zweite Brennnesselernte »restlos unter Dach und Fach zu bringen«. Brennesselsuppen müssen in der allgemeinen Nahrungsnot bereits Rübensuppen ersetzen.

6. Oktober 1918:

Obwohl selbst die Oberste Heeresleitung nicht mehr an den Sieg des Deutschen Reiches glaubt, erscheinen weiter Zeitungsartikel, die vor der »gefährlichen Wühlarbeit feindlicher Agenten« warnen, die »Falschmeldungen« über einen angeblich katastrophalen Einbruch der deutschen Westfront verbreiten würden.

Bei einem Postraub in Berlin werden mehrere Millionen Reichsmark erbeutet; angesichts des Chaos der letzten Kriegswochen können die Täter unerkannt untertauchen, sie werden auch in der Folge nicht gefasst.

7. Oktober 1918:

Eine Reichskonferenz der Spartakusgruppe erörtet mit anderen Linksradikalen in Berlin die Möglichkeiten einer sofortigen Beendigung des Krieges sowie die Vorbereitung der Revolution. Ein von den Delegierten verabschiedeter öffentlicher Aufruf fordert die unverzügliche Freilassung aller politischen Gefangenen und aller wegen militärischen Fehlverhaltens eingekerkerten Soldaten sowie die Aufhebung des Kriegsrechts bzw. des Belagerungszustandes. Als längerfristige Ziele werden die Enteignung des Bankkapitals und der Bergwerke sowie des Großgrundbesitzes, die Verkürzung der Arbeitszeit und die Abschaffung der Todes- und Zuchthausstrafen gefordert.

Erstmals im Krieg wird ein Fesselballon der neutralen Schweiz versehentlich von einem deutschen Kampfflugzeug abgeschossen. Die deutsche Regierung »bedauert aufrichtig«.

8. Oktober 1918:

Der US-amerikanische Präsident Thomas Woodrow Wilson antwortet zurückhaltend auf das Waffenstillstandsangebot der Mittelmächte.

Als eine der ersten Stadtverwaltungen im Deutschen Reich erlaubt die Verwaltung von Düsseldorf Jugendlichen zwischen 8 und 14 Jahren den Zutritt zu den städtischen Bibliotheken. Diese Erlaubnis soll der weiteren »Verwahrlosung« der kriegstraumatisierten Jugendlichen entgegenwirken.

9. Oktober 1918:

Auf einer Tagung im Düsseldorfer »Stahlhof« schätzen führende Schwerindustrielle ein, dass die Regierung Max von Baden sich nur noch vier bis fünf Wochen behaupten kann. Nur ein Bündnis mit den Führungen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften könne das Unternehmertum vor der Sozialisierung in einer womöglich bald ausbrechenden Revolution verhindern, so die einhellige Meinung der Kapitalisten.

Ferdinand I., abgedankter Zar von Bulgarien, das im Krieg auf Seiten der Achsenmächte Deutschland und Österreich gegen die Entente kämpfte, begründet seinen Rücktritt mit den Worten: »Dem verzweifelten Friedensdrang, der sich überall kundtat, habe ich schließlich weichen müssen.«

10. Oktober 1918:

Das Kriegsversorgungsamt gibt bekannt, dass die vorgeschriebenen Höchstpreise für Schuhe ab sofort in Sohle oder Schaft eingeprägt sein müssen, um dem allgemeinen Wucher entgegenzuwirken. Herrenstiefel dürfen danach 48 Reichsmark, Damenstiefel 44 und Damenhalbschuhe höchstens 38 RM kosten.

11. Oktober 1918:

Die Spartakusgruppe verteilt in Deutschland per Flugblatt einen Artikel von Wladimir I. Lenin, der in der »Prawda«, dem Zentralorgan der Bolschewiki, erschienen ist. Überschrieben war dieser mit »Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky«. Der Führer der Bolschewiki forderte in seiner Polemik gegen einen der führenden deutschen sozialdemokratischen Theoretiker einen Bruch mit den »Zentristen« in den Arbeiterparteien Westeuropas und die Gründung revolutionärer Parteien.

In Berlin versammeln sich etwa 1000 Anhänger des Alldeutschen Verbandes, einer einflussreichen völkischen, militaristischen und antisemitischen Organisation, am Hindenburg-Denkmal, um vor der »Verstümmelung Deutschlands« durch einen »ungerechten« Friedensvertrag zu warnen.

12. Oktober 1918:

Die Regierung des Deutschen Reiches erklärt sich bereit, zur rascheren Herbeiführung des Waffenstillstands die besetzten Gebiete an der Westfront zu räumen.

Kaiser Wilhelm II. verkündet eine Amnestie für alle politischen Gefangenen im Deutschen Reich - mit Ausnahmen; zu letzteren gehört Karl Liebknecht, der trotz Immunität als Reichstagsabgeordneter wegen seiner antimilitaristischen Agitation am 1. Mai 1916 verhaftet wurde und im Zuchthaus Luckau eingekerkert ist.

13. Oktober 1918:

Trotz Waffenstillsstandsangebot an die Kriegsgegner wird im Deutschen Reich Propaganda für die 9. Kriegsanleihe betrieben. Mehrere Zeitungen veröffentlichen Warnungen, Erspartes zu Hause aufzubewahren; es sei besser, diese zinsbringend anzulegen.

Das Ankaufen der Anleihe ähnelt der Gewährung eines Kredits an die Regierung. Zwischen 1914 und 1918 wurden in Deutschland insgesamt neun Kriegsanleihen ausgegeben, die 98 Milliarden Mark einbrachten und etwa 60 Prozent der deutschen Kriegskosten deckten.

14. Oktober 1918:

In seiner dritten Antwortnote an die deutsche Regierung betont US-Präsident Thomas Woodrow Wilson, Vorbedingung für einen Friedensschluss sei die Umwandlung des Deutschen Reiches in eine Demokratie.

Auf Antrag des Reichsversorgungsamtes beschließt der Reichstag die Durchführung fleischloser Wochen einmal im Monat bis einschließlich Januar 1919.

15. Oktober 1918:

Auch die osmanische Regierung, die im Krieg an der Seite der Achsenmächte stand, sendet eine Waffenstillstandsnote an den US-Präsidenten Woodrow Wilson. Führende osmanische Politiker hatten sich vom Eintritt in den Weltkrieg am 3. August 1914 die Rückeroberung zuvor verlorengegangener Gebiete auf dem Balkan, eine erneute Expansion in Richtung Kaukasus und Zentralasien sowie eine Lösung der »Armenierfrage« erhofft. Mitten im Krieg kam es 1915/16 zum Genozid an 1,5 Millionen christlichen Armeniern. Die Verweigerung der Anerkennung des Völkermordes durch die türkische Regierung belastet bis heute die Beziehungen zwischen der Türkei einerseits und Armenien sowie zahlreichen westlichen Staaten andererseits.

16. Oktober 1918:

In Berlin finden Friedensdemonstrationen statt. Karl I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn, veröffentlicht ein »Völkermanifest« zur Neugliederung der österreichisch-ungarischen Monarchie. Österreich soll demnach in einen Bundesstaat umgewandelt werden, in dem jedes Volk ein eigenes staatliches Gemeinwesen bildet.

17. Oktober 1918:

Der Parteivorstand der SPD wendet sich mit einem Aufruf »An Deutschlands Männer und Frauen«, in dem verkündet wird, dass sich Deutschland in einer Phase tiefgreifender Umwälzung vom Obrigkeitsstaat zum Volksstaat befände. Es gelte in noch stärkerem Maße als am 4. August 1914, dem Kriegsbeginn, das Vaterland in der Stunde der Gefahr nicht im Stich zu lassen. Der Parteivorstand wendet sich explizit gegen revolutionäre Aktionen, ruft zur Einhaltung von Ruhe und Ordnung auf.

Kaiser Wilhelm II. reist fluchtartig aus Berlin ab und begibt sich in das militärische Hauptquartier im belgischen Spa.

18. Oktober 1918:

Wladimir I. Lenin lobt in einem Brief »An die Mitglieder der Spartakusgruppe«: »Die Arbeit der deutschen Spartakusgruppe, die unter den schwierigsten Umständen eine systematische revolutionäre Propaganda trieb, hat wirklich die Ehre des deutschen Sozialismus und des deutschen Proletariats gerettet.«

In Essen treffen sich Ruhrindustrielle wie Alfred Hugenberg, Emil Kirdorf und Hugo Stinnes mit Vertretern des Bergarbeiterverbandes und weiterer Gewerkschaften. Vier Tage später komm es in Berlin zu einer ähnlichen Zusammenkunft zwischen Repräsentanten der Elektro- und Maschinenbaukonzerne, darunter Carl Friedrich von Siemens, Walther Rathenau und Ernst von Borsig, mit Führern der Freien Gewerkschaften wie Carl Legien und Theodor Leipart. Bei diesen Treffen wird seitens der Unternehmer die Anerkennung der Gewerkschaften, das Koalitionsrecht und die sofortige Auszahlung von schon zugesicherten Lohnerhöhungen zugestanden. Dafür verpflichten sich die Gewerkschaften, die »Betriebsordnung« einzuhalten und die Arbeiterschaft von revolutionären Aktivitäten abzuhalten.

19. Oktober 1918:

Angesichts der hoffnungslosen Lage des deutschen Heeres an allen Fronten des Weltkrieges zweifelt die deutsche Bevölkerung zunehmend an den Sinn von Kriegsanleihen. Die deutsche Regierung wirbt für diese daher verstärkt in allen Zeitungen und Zeitschriften.

Im hessischen Hanaudemonstrieren tausende Werktätige. Sie bringen Hochrufe auf Karl Liebknecht und die noch im Zuchthaus sitzende Rosa Luxemburg aus.

In Moskau beginnt der I. Allrussische Kongress der Arbeiter-, Bauern- und Jugendverbände, auf dem der Russische kommunistische Bund der Jugend (RKSM) gegründet wird.

20. Oktober 1918:

In der dritten Antwortnote der deutschen Regierung auf den Friedensappell des US-Präsidenten Wilson wird versichert, das Deutsche Reich sei bereits eine Demokratie. Damit sei dessen grundlegende Bedingung für den Abschluss eines Waffenstillstandes erfüllt.

Die deutsche Oberste Heeresleitung stellt den unbeschränkten U-Bootkrieg ein, der am 1. Februar 1917 verkündet worden war und zum Kriegseintritt der USA geführt hatte.

Die Reichsernährungsstelle teilt mit, dass die Versorgung der Bevölkerung mit »Reichsmarmelade« gesichert sei. Diese ist jedoch zur Hälfte mit Mohrrüben gestreckt.

21. Oktober 1918:

Bei einer Explosion in einer Maschinenfabrik in Dessau werden mehr als 70 Menschen getötet und 50 schwer verletzt.

22. Oktober 1918:

Die deutschen Generäle Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff fordern von der deutschen Regierung eine Politik des »Durchhaltens«. Die Führung der Kaiserlichen Kriegsmarine befiehlt dem Flottenkommando von Wilhelmshaven, sich auf den »Endkampf« vorzubereiten, am 29. Oktober auszulaufen und einen erneuten Angriff auf die englische Flotte zu starten.

23. Oktober:

US-Präsident Wilson stellt die deutsche Regierung vor die Alternative, entweder die Abdankung des Kaisers zu bewirken oder bedingungslos zu kapitulieren.

Karl Liebknecht wird nach fast zweieinhalb Jahren Haft aus dem Zuchthaus Luckau entlassen und vor dem Anhalter Bahnhof in Berlin von tausenden Arbeitern, Soldaten und Frauen stürmisch empfangen. Auf dem Potsdamer Platz ruft er kurz darauf die deutsche Arbeiterklasse dazu auf, dem Beispiel ihrer russischen Brüder zu folgen.

24. Oktober:

Das Preußische Herrenhaus billigt in erster Lesung eine Vorlage, die das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht für Preußen vorsieht.

In Ungarn meutert das 79. Infanterie-Regiment gegen die Militärführung der österreichisch-ungarischen k.u.k.-Monarchie und ruft die Revolution aus.

25. Oktober 1918:

Otto Rühle, ehemaliger Sozialdemokrat und nunmehriger Führer einer linksradikalen Gruppe in Dresden, fordert im Deutschen Reichstag die Absetzung und Bestrafung von Wilhelm II. und ruft zur Revolution auf.

Die österreichische Hauptstadt Wien steht vor einer Hungerkatastrophe. Die Nahrungsvorräte reichen nur noch bis Mitte November.

Das britische Unterhaus in London beschließt die Wählbarkeit von Frauen ins Parlament.

26. Oktober 1918:

Der Reichstag beschließt Verfassungsänderungen. Deutschland soll eine parlamentarisch-konstitutionelle Monarchie werden. General Groener wird Ludendorffs Nachfolger in der OHL.

Ludendorff tritt als Generalquartiermeister zurück, seinen Platz in der Obersten Heeresleitung nimmt General Wilhelm Groener ein.

Der erst drei Tagen zuvor freigelassene Karl Liebknecht nimmt erstmals an einer Sitzung des illegalen Vollzugsausschusses der Revolutionären Obleute teil.

2000 Arbeiter demonstrieren in Hamburg für Frieden und die Freilassung aller politischen Gefangenen.

27. Oktober 1918:

Um ein Auslaufen der Flotte gegen die britische Marine zu verhindern, verweigern Matrosen auf mehreren, in Wilhelmshaven ankernden deutschen Kriegsschiffen den Dienst, über tausend werden verhaftet.

Der österreichische Kaiser Karl I. Teilt in einem Telegramm dem deutschen Kaiser Wilhelm II die Auflösung des Kriegsbündnisses zwischen Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich mit. In einer Note an die US-Regierung erklärt sich Österreich-Ungarn zu Sonderfriedensverhandlungen bereit.

28. Oktober 1918:

Wilhelm II. Unterzeichnet die vom Reichstag zwei Tage zuvor beschlossenen Verfassungsänderungen zur »Parlamentarisierung« Deutschlands.

In Prag proklamiert Tomas Masaryk die souveränen, von Österreich-Ungarn unabhängige Tschechoslowakische Republik. Der Philosoph und Schriftsteller ist deren erster Präsident.

29. Oktober 1918:

Der Aufstand der Mastrosen hat bereits große Teile der Kriegsmarine erfasst. Heizer bleiben an Land, Matrosen lichten nicht den Anker. Die Besatzungen der »Thüringen« und der »Helgoland« hissen die rote Flagge. Im hessischen Hanau demonstrieren Tausende Werktätige. Sie bringen Hochrufe auf Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg aus und fordern die sozialistische Republik.

30. Oktober 1918:

Auf einem Schlachtschiff in der griechischen Hafenstadt Moudros wird der Waffenstillstand zwischen dem Osmanischen Reich, das auf Seiten der Achsenmächte Deutschland und Österreich-Ungarn im Krieg kämpfte, und der Entente abgeschlossen.

31. Oktober 1918:

Die Leitung der Kriegsmarine muss angesichts der explosiven revolutionären Stimmung unter den Matrosen ihren Befehl zum Auslaufen gegen die britische Flotte zurücknehmen.
In Berliner Betrieben wird ein Flugballt verteilt, das erstmals mit »Der Vollzugsausschuss des Arbeiter- und Soldatenrates« unterzeichnet ist. Er ruft die Arbeiter auf, sich neuen Masseneinberufungen zu entziehen, der Krieg sei verloren. Weiter heißt es: »Heute muss ganze Arbeit gemacht werden. Das monarchistische System muss verschwinden. Das deutsche Volk muss endlich alle seine Ketten brechen.«

1. November 1918:

Im Kieler Gewerkschaftshaus treffen sich Vertrauensmänner der Matrosen. Sie beschließen Abordnungen auf alle Kriegsschiffe zu entsenden, die von den jeweiligen Kommandanten die Freilassung aller inhaftierten Meuterer verlangen. Die Offiziere weigern sich, dem nachzukommen, die Militärbehörden greifen zu drastischeren Maßnahmen.

2. November 1918:

Die Vertrauensleute der Matrosen treffen sich erneut. Angeführt vom Oberheizer Karl Artelt beschließen sie für den kommenden Tag zu einer großen Protestkundgebung aufzurufen. Noch in der Nacht fertigen revolutionäre Arbeiter und Mastrosen Handzettel, auf denen es heißt: »Kameraden, schießt nicht auf eure Brüder! Arbeiter, demonstriert in Massen, lasst die Soldaten nicht im Stich!«

3. November 1918:

Bewaffnete Matrosen, Arbeiter und Soldaten demonstrieren in Kiel für die Befreiung der Ende Oktober 1918 verhafteten meuternden Matrosen. Der Schusseinsatz gegen die Demonstranten entfacht einen Aufstand. Auf Schiffen und in Kasernen werden Soldatenräte gewählt. Sie fordern: sofortige Beendigung des Krieges, Abdankung des Kaisers, Aufhebung des Belagerungszustandes, Freilassung aller verhafteten Matrosen und politischen Inhaftierten sowie allgemeines Wahlrecht.

In den Eichensälen in Wien-Favoriten wird die Kommunistische Partei Österreich gegründet.

4. November 1918:

Die Kieler Arbeiter schließen sich der revolutionären Bewegung der Matrosen an und bilden einen Arbeiterrat. Im Laufe des Tages befindet sich die gesamte zivile und militärische Gewalt in Kiel in den Händen des Arbeiter- und Soldatenrates. Gustav Noske (SPD), der von der Regierung unter Max von Baden nach Kiel entsandt worden ist, gelingt es nicht, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen, um sie in »ruhigere Bahnen« zu lenken.

Unter der Führung der Spartakusgruppe kommt es in Stuttgart zu einem Generalstreik, an dem sich 30.000 Arbeiter beteiligen, die sofortigen Waffenstillstand und die sozialistische Republik fordern.

In Griechenland beginnt der bis zum 19. November währende Gründungskongress der Sozialistischen Arbeiterpartei Griechenlands, die sich ab November 1924 KP Griechenlands nennt.

5. November 1918:

Die revolutionäre Bewegung der Matrosen und Soldaten breitet sich auf Lübeck und Brunsbüttel aus. Noske gelingt es, sich in Kiel zum Vorsitzenden des Soldatenrates wählen zu lassen. Zwei Tage später übernimmt er auch den Gouverneursposten in der strategisch wichtigen norddeutschen Stadt.

6. November 1918:

Zu revolutionären Erhebungen und zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräte kommt es auch in Altona, Bremen, Cuxhaven, Flensburg, Hamburg, Neumünster, Oldenburg und Rostock.

Eine Sitzung der revolutionären Obleute Berliner Betriebe lehnt den Antrag von Karl Liebknecht ab, in der Hauptstand den Aufstand für den 8. November auszurufen; dieser soll frühestens am 11. November ausgerufen werden.

Der Parteivorstand der SPD wendet sich in einem Aufruf im »Vorwärts« gegen revolutionäre Massenaktionen und fordert stattdessen friedliche Aktionen mit dem Ziel, »Demokratie und Sozialismus« zu erlangen.

7. November 1918:

Es kommt zu revolutionären Erhebungen und der Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten in Braunschweig, Frankfurt am Main, Großenhain, Hannover, Lüneburg und Schwerin.
In München proklamiert Kurt Eisner den Sturz der Wittelsbacher und die demokratische Republik Bayern.

In einem Ultimatum des Parteivorstandes der SPD und der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion wird Reichskanzler Prinz Max von Baden aufgefordert, den Rücktritt von Kaiser Wilhelm II. und den Thronverzicht des Kronprinzen Wilhelm von Hohenzollern durchzusetzen.

8. November 1918:

Die Revolution erfasst Augsburg, Bayreuth, Chemnitz, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld-Barmen, Gotha, Halle an der Saale, Hildesheim, Koblenz, Köln, Leipzig, Magdeburg, Mannheim, Nürnberg, Passau, Rosenheim und Würzburg.

Die Spartakusgruppe und der Vollzugsrat der revolutionären Obleute in Berlin rufen in Flugblättern für den 9. November zu Demonstrationen für den Sturz der Monarchie und die Übernahme der Regierungsgewalt in Deutschland durch Vertreter der Arbeiter- und Soldatenräte auf.

Rosa Luxemburg wird aus dem Zuchthaus Breslau entlassen und trifft zwei Tage später, am 10. November, in Berlin ein.

9. November 1918:

Ganz Berlin wird von einem machtvollen Generalstreik und zahlreichen Demonstrationen erfasst, an denen Hunderttausende Menschen beteiligt sind. Polizeiwachen und Kasernen werden durch Revolutionäre gestürmt und besetzt, politische Häftlinge, darunter Leo Jogiches, Freund von Rosa Luxemburg, aus den Gefängnissen befreit. Bereits gegen Mittag sind das Polizeipräsidium, das Haupttelegrafenamt, das Rathaus und andere wichtige öffentliche Gebäude in der Hand der Revolutionäre.

Reichskanzler Prinz Max von Baden gibt die Abdankung Wilhelm II. und den Thronverzicht des Kronprinzen bekannt und kündigst Wahlen für eine verfassungsgebende Nationalversammlung an. Friedrich Ebert. Vorsitzender der SPD, lässt sich zum Reichskanzler ernennen. Er ruft zur Aufrechterhaltung von »Ruhe und Ordnung« auf und bittet die alten kaiserlichen Beamten und Behörden um die reibungslose Weiterführung ihrer Arbeit. Zugleich kündigt er eine neue Volksregierung an.

Karl Liebknecht ruft von einem Balkon des Berliner Schlosses die sozialistische Republik aus, während Philipp Scheidemann von der SPD vor dem Reichstag die freie deutsche Republik proklamiert.

10. November 1918:

In Berlin konstituiert sich als neue deutsche Regierung der Rat der Volksbeauftragten, der sich paritätisch aus Mitgliedern der Mehrheitssozialdemokratie, Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann und Otto Landsberg, sowie der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei, Hugo Haase, Wilhelm Dittmann und Emil Barth, zusammensetzt. Zum Chef wird Ebert ernannt.

Friedrich Ebert und der Erste Generalquartiermeister der Obersten Heeresleitung, Generalleutnant Wilhelm Groener, schließen eine Geheimpakt, der die Verantwortung der neuen Regierung dafür fixiert, die Rechte des Offizierskorps wiederherzustellen, die Transortwege intakt zu halten und Truppenverschiebungen zu ermöglichen. Dafür sagt die OHL der Regierung ihre militärische Unterstützung zu, die Revolution im Zaum zu behalten. Paul von Hindenburg äußert öffentlich, dass »die OHL mit dem Reichskanzler Ebert… zusammengehen will, um die Ausbreitung des terroristischen Bolschewismus in Deutschland zu verhindern«.
Kaiser Wilhelm II. flieht nach Holland, wo er 1941 in Doorn sterben wird, ohne dass sich seine heimliche Hoffnung auf eine Rückkehr nach Deutschland und auf den Thron erfüllt.

11. November 1918:

Im französischen Compiègne wird in einem Eisenbahnwaggon das Waffenstillstandsabkommen zwischen Vertretern der deutschen Regierung und der Entente unterzeichnet. Zur deutschen Delegation gehört der Staatssekretär Matthias Erzberger, der 1921 wegen seiner Unterschrift von Angehörigen der rechtsradikalen Terrororganisation Consul ermordet wird. Das Abkommen fixiert unter anderem die sofortige Räumung alle von Deutschland besetzten Gebiete, außer jenen im ehemaligen russischen Zarenreich sowie die polnischen Ostgebiete.
In Berlin gründen revolutionäre Matrosen die Volksmarinedivision unter Führung von Heinrich Dorrenbach und Paul Wieczorek. Sie unterstellt sich dem am 9. November von der Revolution eingesetzten Polizeipräsidenten Emil Eichhorn (USPD).

12. November 1918:

Das Regierungsprogramm des Rates der Volksbeauftragten verkündet die Aufhebung des Belagerungszustandes, Vereins-, Versammlung-, Presse- und Religionsfreiheit, Amnestie für alle politischen Straftaten, Einführung des Acht-Stunden-Tages ab spätestens 1. Januar 1919 und Wiederinkraftsetzung der im Krieg ausgesetzten Arbeitsschutzbestimmungen sowie gleiches, allgemeines, geheimes und direktes Wahlrecht für alle Bürger.

13. November 1918:

Die Sowjetregierung annulliert den Vertrag von Brest-Litowsk, der nach zähen Verhandlungen mit der deutschen Obersten Heeresleitung am 3. März 1918 unterzeichnet worden ist und mit dem Russland aus dem Krieg ausschied, zum Preis des Verlustes von 26 Prozent seines europäischen Territoriums. Die provisorische Regierung in Berlin, der Rat der Volksbeauftragten, lehnt jedoch am. 18. November die Annullierung des »Raubfriedens« ab und weigert sich, mit der Sowjetregierung einen neuen Friedensvertrag abzuschließen

In Magdeburg wird unter der Leitung des Reserveoffiziers Franz Seldte der militaristische Bund der Frontsoldaten, »Stahlhelm«, gegründet, der sich als bewaffneter Arm der konservativen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) versteht und der im Januar 1919 gegründeten Weimarer Republik feindlich gegenübersteht.

In Preußen tritt die Verordnung über die Erwerbslosenfürsorge in Kraft, die erstmals das Recht auf Arbeit festschreibt.

König Ludwig III. von Bayern verzichtet auf seinen Thron; bereits am 7. November ist durch Kurt Eisner die Republik Bayern ausgerufen worden. In Dresden wird die offizielle Abdankung des sächsischen Königs Friedrich August III., der bereits vor den revolutionären Ereignissen aus seiner Residenzstadt geflohen ist, bekannt gegeben.

14. November 1918:

In den Berliner Sophiensälen findet die erste Massenversammlung des Spartakusbundes statt, dessen führende Köpfe Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind.

Die Freie Jugend Groß-Berlin fordert auf einer Versammlung in den Pharussälen in Berlin-Wedding das Wahlrecht ab 18 Jahre für beiderlei Geschlechter, Mitbestimmung der Jugend in Staatsangelegenheiten, Reformierung des Bildungs- und Ausbildungswesens sowie die Trennung von Staat und Kirche in den Schulen.

Weitere gekrönte Häupter verzichten auf ihren Thron, so die Großherzöge von Baden und Mecklenburg-Schwerin sowie der Fürst von Schaumburg-Lippe.

In Prag wird die Tschechoslowakische Republik ausgerufen. Erster Präsident wird Tomás Masaryk.

15. November 1918:

Vertreter deutscher Unternehmen und der Gewerkschaften unterzeichnen ein Abkommen, das den Arbeitern Koalitionsfreiheit und den Achtstundentag zusichert, zudem sollen paritätische Schlichtungsausschüsse eingerichtet werden. Das sogenannte Arbeitsgemeinschaftsabkommen wird von den Unternehmern als Sieg über die Arbeiterräte in den Betrieben gefeiert. Der Elektroindustrielle Hans von Raumer, der das Abkommen mit unterzeichnete, schrieb: »Als alle Autoritäten zusammenbrachen: Monarchie, Staat, Militär und Bürokratie schuf sie (die Arbeitsgemeinschaft) durch den Zusammenschluss der Unternehmer mit den Gewerkschaften eine Macht, die die Wirtschaft und die Betriebe in Ordnung hielt.«

Unter der Leitung des sorbischen Bauernsohns und Mitglieds des Spartakusbundes Willi Budich wird der Rote Soldatenbund gegründet, der sich zur Verteidigung der Revolution verpflichtet fühlt und im Dezember des Jahres in Berlin Angriffe konterrevolutionärer Freikorps zurückschlägt.

Als Parteiorgan der USPD erscheint in Berlin erstmals »Die Freiheit«. Leitender Redakteur ist Rudolf Hilferding.

In einer Verordnung über die Neuordnung des Geschichtsunterrichtes schreibt die preußische Regierung vor, dass in Zukunft »keine abfälligen Bemerkungen über Entstehung und Folgen der Revolution gemacht werden dürfen«.

16. November 1918:

Der Vollzugsrat der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte ordnet schärfste Kontrolle der preußischen Behörden und Beamten durch die Räte an; Beamte, die im alten Geist weiterarbeiten, sollen abgesetzt und ersetzt werden. Am nächsten Tag nimmt der Vollzugsrat eine Entschließung an, in der von einer Vereinbarkeit von Rätemacht und einer zu wählenden Nationalversammlung die Rede ist.

Der neue ungarische Ministerpräsident Mihály Graf Károlyi von Nágykarolyi proklamiert in Budapest die ungarische Republik.

17. November 1918:

Der Berliner Stadtkommandant Otto Wels (SPD) ruft die von den ehemaligen Fronten zurückflutenden Soldaten zur Aufrechterhaltung von »Ruhe und Ordnung« und zur »Verhinderung eines Bruderkrieges« auf; sie sollen eine republikanische Soldatenwehr als Pendant zu den Arbeiterwehren und Soldatenräten bilden.

In Berlin löst der selbsternannte »Ober-Dada« Johannes Baader einen Skandal aus, als er während des sonntäglichen Gottesdienstes im Dom auf die rhetorische Predigerfrage »Was ist uns Jesus Christus?« ausruft: »Christus ist Euch wurscht!«

18. November 1918:

Rosa Luxemburg warnt in einem Artikel in der »Roten Fahne« davor, sich mit der Abschaffung der Monarchie zufrieden zu geben; alle Macht müsse in den Händen der Arbeiter- und Soldatenräte konzentriert werden. Zum Schutz der Revolution sollen Rote Garden gegründet werden. In dem mit »Der Anfang« überschriebenen Beitrag heißt es unter anderem: »Die Revolution hat begonnen. Nicht Jubel über das Vollbrachte, nicht Triumph über den niedergeworfenen Feind ist am Platze, sondern stärkste Selbstkritik und eiserne Zusammenhaltung der Energie, um das begonnene Werk weiterzuführen. Denn das Vollbrachte ist gering und der Feind nicht niedergeworfen.«

19. November 1918:

Auf einer Versammlung des Berliner Arbeiterrates fordern Karl Liebknecht und andere linke Unabhängige Sozialdemokraten die Proklamierung der Rätemacht, während Mitglieder der Mehrheitssozialdemokratie Wahlen zu einer Nationalversammlung favorisieren.

Bei einer Tagung des Marine-Soldatenrates der Nord- und Ostseeflotte wird ein aus 53 Mann bestehender Hauptausschuss gewählt, der mit militärischen Befugnissen über die gesamte Marine ausgestattet wird und seinen Sitz in Wilhelmshaven nimmt. Er soll das Reichsmarineamt und den Admiralstab in Berlin kontrollieren.

20. November 1918:

Die Beisetzung der Revolutionsopfer in Berlin-Friedrichsfelde gestaltet sich zu einer Massendemonstration zur Fortführung der Revolution. Auch in anderen deutschen Großstädten werden unter großer Volksbeteiligung die Toten der ersten Novembertage feierlich beerdigt.

Als politisches Gegengewicht zu den Freien (sozialistischen) Gewerkschaften bilden die christlichen und liberalen Gewerkschaften den Deutsch-Demokratischen Gewerkschaftsbund.

21. November 1918:

In Berlin erklären sich die Teilnehmer von fünf Massenversammlungen, auf denen Paul Levi, Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Wilhelm Pieck und andere sprechen, mehrheitlich für die Rätemacht und gegen eine Nationalversammlung.

Der Oberste Soldatenrat und der Arbeiterrat in Kiel fordern die Überführung der Banken und Großbetriebe sowie des Großgrundbesitzes in Nationaleigentum, um eine solide Grundlage für eine künftige sozialistische Republik zu schaffen.

Der Arbeiter- und Soldatenrat in Frankfurt am Main wendet sich in einen Aufruf an die ehemaligen Fronttruppen, sich für die Republik und den Sozialismus einzusetzen.

In Berlin legen 3000 Arbeiter der Daimler-Werke die Arbeit nieder; der Streik für die Abschaffung der Akkordarbeit, Erhöhung der Löhne und Verkürzung der Arbeitszeit greift auf die Siemens-Werke und andere Betriebe über.

In den Gruben Oberschlesiens protestieren über 30 000 deutsche und polnische Bergarbeiter gegen die »Kattowitzer Vereinbarung«, eine Version des am 15. November in Berlin geschlossenen Arbeitsgemeinschaftsabkommens zwischen Unternehmer und Gewerkschaften. Auch hier fordern die Arbeiter eine Erhöhung der Löhne und Verkürzung der Arbeitszeit.

22. November 1918:

Die linke Frauenrechtlerin Clara Zetkin (USPD) ruft in einem Artikel in der »Roten Fahne« die werktätigen Frauen auf, ihre durch die Revolution erkämpften Rechte zu nutzen und für die proletarische Revolution zu kämpfen.

Französische Truppenverbände besetzen Straßburg. Am Tag zuvor haben die deutschen Einheiten Elsass-Lothringen geräumt.

23. November 1918:

Der Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin überträgt dem Rat der Volksbeauftragten die exekutive Gewalt und verspricht, sich nicht in Verwaltungsaufgaben der Regierung einzumischen. Damit beschränkt er seine Aufgaben auf untergeordnete Kontrollfunktionen. Zugleich ruft der Vollzugsrat einen Reichsrätekongress für den 16. Dezember in Berlin ein.

Die Linksradikalen in Bremen geben sich den Namen »Internationale Kommunisten Deutschlands«.

24. November 1918:

Unter dem Vorsitz von Karl Kautsky, einem der Mitbegründer der USPD 1917, wird in Berlin eine Sozialisierungskommission gebildet, die Gutachten und Vorschläge für »Sozialisierungsmaßnahmen« einer künftigen Nationalversammlung ausarbeiten soll.

Die erste Nummer des Organs des Roten Soldatenbundes, »Der Rote Soldat«, erscheint.

25. November 1918:

Auf einer Reichskonferenz der deutschen Republiken (Bayern, Sachsen, Baden etc.) wird in Berlin der Beschluss gefasst, an der Reichseinheit festzuhalten. Zudem sprechen sich die Delegierten, außer die Vertreter von Braunschweig und Gotha, für baldige Wahlen zur Nationalversammlung aus. Der Vorsitzende des Rates der Volksbeauftragten, Friedrich Ebert, plädiert dafür, dass die Regelung des gesamten gesellschaftlichen Lebens der künftigen Nationalversammlung vorbehalten bleibt und bei der Sozialisierung auf Experimente verzichtet wird.

26. November 1918:

Der bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD) wirft dem noch von alten Kräften geleiteten Auswärtigen Amt in Berlin vor, das deutsche Volk mit seiner Geheimdiplomatie zu betrügen. Der Münchener Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat fordert den Arbeiter- und Soldatenrat in Berlin auf, den Rat der Volksbeauftragten, die in der Novemberrevolution gebildete provisorische Regierung von SPD und USPD, zu stürzen.

27.November 1918:

Auf einer Sitzung des Berliner Arbeiterrates spricht sich das Mitglied des Rates der Volksbeauftragten Emil Barth (USPD) gegen die gerade in Berlin stattfindenden Streiks sowie gegen Sozialisierungsmaßnahmen aus. Die Mehrheit des Arbeiterrates teilt seine Position nicht.

Der in Wilhelmshaven sitzende 53er-Hauptausschuss der Marine verlangt von der Regierung in Berlin energische Schritte gegen die konterrevolutionären Machenschaften der Generäle und Admiräle.

28. November 1918:

Der Parteiausschuss der SPD spricht sich für alsbaldige Wahlen für die Nationalversammlung aus.

Karl Liebknecht charakterisiert in seinen »Leitsätzen« den bisherigen Verlauf der Revolution als bürgerlich-politische Reformbewegung und fordert zur Weiterführung der Revolution alle Macht den Räten, Schaffung einer Arbeitermiliz und einer Roten Garde, Vergesellschaftung der Großbetriebe, Entwicklung des Genossenschaftswesens und Überführung des Vermögens der Dynastie in die Verfügungsgewalt der Gesellschaft.

Der deutsche Kaiser Wilhelm II. dankt formell ab; seinen Thronverzicht hatte der letzte Reichskanzler, Prinz Max von Baden, bereits am 9. November ohne herrschaftlichen Segen bekannt gegeben.

29. November 1918:

Der Rat der Volksbeauftragten beschließt das Reichswahlgesetz für die zukünftige Nationalversammlung.

1200 Arbeiter der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik in Berlin-Oberspree wenden sich gegen eine Nationalversammlung und fordern die Übertragung der gesamten politischen Macht an den Arbeiter- und Soldatenrat. 20.000 Arbeiter der Werften und Großbetriebe in Bremen sprechen sich ebenfalls gegen die Nationalversammlung aus.

Die deutsche Regierung schlägt den Siegermächten, der Entente, die Bildung einer neutralen Kommission zur Klärung der Kriegsschuldfrage vor.

30. November 1918:

Der Rat der Volksbeauftragten ordnet Neuwahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung an. Alle Männer und Frauen über 20 Jahren haben das Recht, an den allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen teilzunehmen.

Als einer der letzten Monarchen dankt der König von Württemberg, Wilhelm II., ab.

1. Dezember 1918:

Auf mehreren Massenversammlungen in Berlin, auf denen unter anderem Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sprechen, wird die Machtübergabe an die Arbeiter- und Soldatenräte statt Wahlen zur Nationalversammlung gefordert. Das »Berliner Mitteilungsblatt« der USPD bezeichnet den »Schrei nach der Nationalversammlung« als »Sammelruf für alle gegenrevolutionären und kapitalistischen Kreise« und verlangt eine Erweiterung der Kompetenzen der Arbeiter- und Soldatenräte. In Halle an der Saale fordern ebenfalls 25 000 Demonstranten mehr Macht den Räten.

In der Lützowstraße in Berlin gründen rechtsradikale Intellektuelle ein »Generalsekretariat zum Studium und zur Bekämpfung des Bolschewismus«, das sich später in Antibolschewistische Liga umbenennt. Finanziert von Unternehmern und der Deutschen Bank fördert die als wissenschaftliche Einrichtung getarnte Vereinigung den Aufbau von Freikorps zur Bekämpfung der Revolution und Verfolgung von Revolutionären.

Serbien und Montenegro vereinigen sich mit den südslawischen Gebieten zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen.

2. Dezember 1918:

Im Leitartikel der »Roten Fahne« deckt Karl Liebknecht Machenschaften der Konterrevolution auf und fordert eine demokratische Heeresreform, energischere Propaganda unter Soldaten sowie die Schaffung von Arbeitermilizen und einer Roten Garde.

1800 Arbeiter der Zeche Matthias Stinnes in Karnap bei Essen treten in einen Streit für Lohnerhöhungen.

Armenien erklärt seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich.

3. Dezember 1918:

Tausende demonstrieren in Essen gegen konterrevolutionäre Putschabsichten im rheinisch-westfälischen Industriegebiet; als Zentrum der reaktionären Verschwörung wird die Krupp-Villa »Hügel« vermutet.

In Berlin wird die »Novembergruppe«, eine Künstlervereinigung, in der u.a. der Maler Max Pechstein und der Architekt Erich Mendelsohn vertreten sind, gegründet. Politisch bekennt sich die Gruppe zur Novemberrevolution.

4. Dezember 1918:

Auf einer Versammlung der Zentrumspartei fordert Konrad Adenauer, der im Vorjahr gewählte Oberbürgermeister von Köln, die Ausrufung der »Republik Rheinland-Westfalen« und die Abtrennung des Rhein-Ruhr-Gebietes von Deutschland; Adenauer, der während des Ersten Weltkrieges zur Überbrückung der Nahrungsmittelknappheit ein »Kölner Brot« aus Reis- und Maismehl erfand, bleibt bis 1933 Stadtoberhaupt.

5. Dezember 1918:

Die am 24. November 1918 beschlossene Sozialisierungskommission tritt zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Ihr gehören unter anderem der sozialdemokratische Theoretiker Karl Kautsky, der Industrielle Walther Ratenau sowie der sozialdemokratische Hochschullehrer und Ethnologe Heinrich Cunow an.

In einem Artikel in der »Freiheit« unter der Überschrift »Nationalversammlung und Räteversammlung« erklärt Kautsky, dass sich die Räte in der Zeit des Umsturzes in Deutschland als sehr nützlich und unentbehrlich erwiesen haben und auch in der Phase der Konsolidierung der neuen Ordnung von Bedeutung seien. Sie seien jedoch ungeeignet, die staatliche Macht auszuüben. Um die Wirtschaft im Lande wieder in Gang zu bringen, sei eine Nationalversammlung nötig.

Die Verbände der deutschen Beamten- und Lehrerschaft schließen sich mit etwa 1,5 Millionen Mitgliedern zum Deutschen Beamtenbund zusammen.

6. Dezember 1918:

In Berlin kommt es zu einem Putschversuch. Strippenzieher sind der sozialdemokratische Berliner Stadtkommandant Otto Wels, das Kriegsministerium und das Auswärtige Amt. Von alten kaiserlichen Offizieren angeführte Truppen verhaften den Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte (ASR), besetzen die Redaktion der »Roten Fahne« und schießen auf unbewaffnete Demonstranten, wobei 14 Menschen verletzt und mehr als 30 verwundet werden. Wegen mangelnder Unterstützung und entschlossener Gegenwehr bricht der Angriff auf die Revolution zusammen.

Im Münchener Schauspielhaus wird das Revolutionsstück »Der Minister« von Roda Roda, der eigentlich Sandor Friedrich Rosenfeld heißt, uraufgeführt.

7. Dezember 1918:

Über 30 000 Arbeiter zahlreicher Berliner Betriebe protestieren gegen den Putschversuch am Vortag.

Der Arbeiter- und Soldatenrat in Mühlheim an der Ruhr verhaftet Großindustrielle und Direktoren von Hütten und Bergwerken, darunter Edmund Stinnes sowie August Thyssen und dessen Sohn Fritz, die Ententetruppen zu einer raschen Besetzung des Ruhrgebietes bewegen wollten, um die Revolution im Ballungszentrum abzuwürgen. Sie werden nach Berlin gebracht und dort auf Druck des Rates der Volksbeauftragten nach einigen Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt.

8. Dezember 1918:

In Berlin, Hamburgr und Chemnitz finden Protestkundgebungen gegen konterrevolutionäre Aktivitäten statt.

Der Chef des Generalstabes des Deutschen Heeres, Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, fordert in einem Brief an Friedrich Ebert, Vorsitzender des Rates der Volksbeauftragten, die sofortige Entmachtung und Eliminierung der Arbeiter- und Soldatenräte sowie die Wiederherstellung der alten militärischen Kommandogewalt.

9. Dezember 1918:

Der Berliner Stadtkommandant Otto Wels (SPD) lässt Büroräume des »Spartakusbundes« nach Waffen durchsuchen und teilt mit, dass die Aufstellung einer 10 000 Mann starken Republikanischen Schutzwehr beendet sei.

Ein Ausschuss des Rates der Volksbeauftragten beschließt, dass die vom deutschen Militär im Verlauf des Krieges geraubten Kunstgegenstände in vollem Umfang an Großbritannien und Frankreich zurückerstattet werden sollen.

10. Dezember 1918:

Friedrich Ebert, Vorsitzender der provisorischen Regierung, begrüßt die in Berlin einmarschierenden Gardetruppen, die von monarchistisch gesinnten Offizieren angeführt werden; zu deren Enttäuschung setzen sich zahleichen Soldaten rasch ab und kehren zu ihren Familien nach Hause zurück.

Der Rat der Volksbeauftragten verweigert einer Delegation aus Sowjetrussland, die an dem für Mitte Dezember geplanten Reichsrätekongress in Berlin teilnehmen will, die Einreise.

Im Hallenser »Volksblatt« wird die unverzügliche Einberufung eines Parteitages der USPD gefordert, auf dem Klarheit über die weitere Politik der Unabhängigen Sozialdemokraten geschaffen werden soll.

Der Nobelpreis für Physik wird an Max Planck, der für Chemie an Fritz Haber verliehen. Der Friedensnobelpreis wird in diesem Jahr nicht vergeben.

11. Dezember 1918:

Die Sozialisierungskommission unter Karl Kautsky veröffentlicht unter der demagogischen Losung »Die Sozialisierung marschiert« ihr Programm. Vorgeschlagen wird die Verstaatlichung bzw. Kontrolle »dazu reifer Zweige« der Volkswirtschaft gegen Entschädigung der enteigneten Unternehmer. Bei Kreditbanken sowie in der Exportindustrie sollen die bisherigen Besitzverhältnisse beibehalten werden.

12. Dezember 1918:

Der Rat der Volksbeauftragten erlässt das Gesetz über die Bildung einer freiwilligen Volkswehr. »Langer einwandfreier Frontdienst« gilt als Bedingung für die Aufnahme, womit Revolutionäre weitgehend ausgeschlossen bleiben sollen.

13. Dezember 1918:

Die Alliierten erkennen den deutschen Rat der Volksbeauftragten nicht als rechtmäßige Regierungsinstanz an.

Heinrich Mann, Autor des gerade erschienenen Romans »Der Untertan«, spricht im »Politischen Rat geistiger Arbeiter« in München über den Sinn der Revolution.

In Berlin findet die deutsche Erstaufführung des Dramas »Und das Licht scheint in der Finsternis« von Leo Tolstoi an dem von Max Reinhardt geführten Deutschen Theater statt.

14. Dezember 1918:

In der »Roten Fahne« wird das Programm des Spartakusbundes unter der Überschrift »Was will der Spartakusbund?« publiziert. In dem von Rosa Luxemburg ausgearbeiteten Text heißt es unter anderem: »Der Weltkrieg hat die Gesellschaft vor die Alternative gestellt: entweder Fortdauer des Kapitalismus, neue Kriege und baldigster Untergang im Chaos und in der Anarchie oder Abschaffung der kapitalistischen Ausbeutung. Mit dem Ausgang des Weltkrieges hat die bürgerliche Klassenherrschaft ihr Daseinsrecht verwirkt.« Gefordert wird: »Anstelle der Arbeitgeber und ihrer Lohnsklaven freie Arbeitsgenossen! Die Arbeit niemandes Qual, weil jedermanns Pflicht! Ein menschenwürdiges Dasein jedem, der seine Pflicht gegen die Gesellschaft erfüllt. Der Hunger hinfür nicht mehr der Arbeit Fluch, sondern des Müßiggängers Strafe! Erst in einer solchen Gesellschaft sind Völkerhaß, Knechtschaft entwurzelt. Erst wenn eine solche Gesellschaft verwirklicht ist, wird die Erde nicht mehr durch Menschenmord geschändet. Erst dann wird es heißen: Dieser Krieg ist der letzte gewesen! Sozialismus ist in dieser Stunde der einzige Rettungsanker der Menschheit… Sozialismus oder Untergang in der Barbarei!«

15. Dezember 1918:

In Berlin erklärt die 1. Reichskonferenz der Internationalen Kommunisten Deutschlands als ihr Ziel die Verstaatlichung von Betrieben der Schlüsselindustrien und die Herbeiführung des Kommunismus. Sie wendet sich gegen eine Beteiligung an den Wahlen zur Nationalversammlung und fordert die Errichtung einer Diktatur des Proletariats.

16. Dezember 1918:

In Berlin wird der I. Allgemeine Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands eröffnet. Er nimmt Forderungen von Berliner Arbeitern entgegen, ohne jedoch über diese zu beraten oder abzustimmen. Dies verhindern die Führer der Mehrheitssozialdemokratie, die auch die Teilnahme von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg vereiteln. Die Mehrheit der 489 Delegierten beschließt am 18. Dezember, die Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung auf den 19. Januar 1919 festzulegen. Damit ist die Entscheidung über eine Grundfrage der Revolution, Rätemacht oder bürgerliches Parlament, gefallen. Zugleich beschließt der Kongress, dass die Soldatenräte die Kontrolle über die Armee übernehmen und alle Rangabzeichen abgeschafft werden, was allerdings nicht realisiert wird. Ebenfalls nicht verwirklicht wird der Beschluss, »die Sozialisierung aller dafür geeigneter Industrien«, vor allem des Bergbaus, voranzutreiben.

In Polen kommt es zur Gründung einer Kommunistischen Arbeiterpartei.

17. Dezember 1918:

In Berlin findet unter der Leitung von Staatssekretär Matthias Erzberger die Gründungsversammlung der »Deutschen Liga für Völkerbund« statt; zu den Gründungsmitgliedern gehören Sozialdemokraten der MSPD und USPD, Liberale sowie Zentrumspolitiker, Wissenschaftler und Unternehmer, die nach vierjährigem Völkergemetzel für eine internationale Organisation zur friedlichen Konfliktlösung eintreten.

18. Dezember 1918:

Die Bayerisch Volkspartei verlangt eine stärkere Eigenstaatlichkeit des Freistaates und eine Lostrennung Bayerns von Deutschland, falls in Berlin »die Spartakisten« die Macht übernehmen sollten.

19. Dezember 1918:

Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg lehnt den Beschluss des Reichsrätekongresses über die militärische Kommandogewalt in den Händen der Soldatenräte ab.

20. Dezember 1918:

Die katholischen Bischöfe Preußens fordern in einem Hirtenbrief alle gläubigen Christen zum Widerstand gegen die Sozialisten und die Revolution auf.

21. Dezember 1918:

21 Bergwerks- und Industrieunternehmen im Ruhrgebiet gründen die »Gesellschaft für Kohletechnik«.

22. Dezember 1918:

Die Zentrale des Spartakusbundes beschließt für Ende Dezember die Einberufung einer Reichskonferenz, um die Krise in der USPD zu beraten und Stellung zur Frage der Nationalversammlung zu beziehen.

23. Dezember 1918:

In einem Leitartikel in der »Roten Fahne« fordert Rosa Luxemburg, dass sich das revolutionäre Proletariat an den Wahlen zur Nationalversammlung beteiligen soll, um die Tribüne des Parlaments für eine weitere Revolutionierung der Massen zu nutzen.

Aus Empörung über ausstehende Lohnzahlungen besetzen Matrosen der Volksmarinedivision die Reichskanzlei in Berlin und verhaften den Stadtkommandanten Otto Wels (SPD), den sie drei Tage in Geiselhaft behalten.

24. Dezember 1918:

Konterrevolutionäre Truppen greifen unter dem Kommando von Generalleutnant Lequis und auf Anweisung der Volksbeauftragten Ebert, Scheidemann und Landsberg sowie des Kriegsministers Scheüch die im Berliner Schloss und Marstall stationierte Volksmarinedivision an, um dieses bewaffnete Organ der Revolution auszuschalten. Die Matrosen erhalten Waffenhilfe von Berliner Arbeitern und können den Angriff erfolgreich abwehren. Elf Matrosen und über 50 Soldaten von Lequis finden den Tod.

25. Dezember 1918:

Auf der Berliner Siegesallee demonstrieren 30 000 Arbeiter und Soldaten gegen den konterrevolutionären Putschversuch zu Heiligabend. Karl Liebknecht warnt vor der Illusion, die Gegenrevolution sei mit dessen Abwehr geschlagen. Die im Laufe des Tages an Teilnehmer erstarkende Demonstration zieht durch das Brandenburger Tor zum Schloss und zum Marstall, um ihrem Unmut größeren Ausdruck zu verleihen.

26. Dezember 1918:

Das Mitglied des Rates der Volksbeauftragten Emil Barth von der USPD spricht sich in einer Rede für die Sozialisierung, vor allem des Bergbaus, aus und positioniert sich damit gegen seine Regierungskollegen von der Mehrheitssozialdemokratie.

27. Dezember 1918:

Das während der Zweiten Polnischen Teilung 1793 von Preußen annektierte Posen kommt unter polnischer Verwaltung und heißt nun wieder offiziell Poznan.

28. Dezember 1918:

Der von den revolutionären Matrosen nach Zusicherung auf Erfüllung ihrer Forderungen aus der Geiselhaft entlassene Berliner Stadtkommandant Otto Wels gibt seinen Rücktritt bekannt.

29. Dezember 1918:

Die drei Mitglieder der USPD im Rat der Volksbeauftragten, Emil Barth, Wilhelm Dittmann und Hugo Haase, treten auf Grund von zunehmenden Zwistigkeiten und Konflikten mit den Mehrheitssozialdemokraten aus der Regierung aus; sie werden durch die rechten Sozialdemokraten Gustav Noske und Rudolf Wissell ersetzt.

30. Dezember 1918:

Im Preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin beginnt unter dem Vorsitz von Wilhelm Pieck der Gründungsparteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands, an dem über 80 Delegierte aus ganz Deutschland und 16 ausländische Gäste, darunter aus Sowjetrussland Karl Radek, teilnehmen. Der Parteitag folgt dem Antrag von Karl Liebknecht, den Spartakusbund in KPD umzutaufen; Rosa Luxemburg favorisierte den Namen Sozialistische Partei Deutschlands. Ein Höhepunkt des bis zum 1. Januar tagenden Parteitages bildet die Annahme des Parteiprogramms, das am 14. Dezember unter der Überschrift »Was will der Spartakusbund?« in der »Roten Fahne« veröffentlicht worden ist. Die Delegierten entscheiden sich mehrheitlich gegen die vor allem von Rosa Luxemburg geforderte Teilnahme an den Wahlen zur Nationalversammlung.

31. Dezember 1918:

Arthur Nikisch, Dirigent des Leipziger Gewandhausorchesters seit 1895, gibt ein Konzert mit Beethovens 9. Sinfonie speziell für die Arbeiter der Messe- und Industriestadt.

1. Januar 1919:

Der Parteivorstand der SPD verspricht in einem Aufruf zu den Wahlen zur Nationalversammlung eine freie republikanische Verfassung und warnt zugleich vor einem Bürgerkrieg.

2. Januar 1919:

Eine vom Rat der Arbeitslosen einberufene Versammlung im Zirkus Busch wird wegen Überfüllung durch eine Parallelversammlung im Berliner Lustgarten ergänzt, auf der Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung und zur sozialen Absicherung von Erwerbslosen gefordert werden. Eine anschließende Arbeitslosendemonstration durch die Innenstadt bekräftigt die Forderungen.

3. Januar 1919:

In der oberschlesischen Königshütte überfallen konterrevolutionäre Truppen streikende Arbeiter; der heimtückische Feuerüberfall kostet über 20 Tote und mehr als 40 Verletzte.

4. Januar 1919:

Eine Versammlung der Arbeiterräte von Berliner Großbetrieben fordert mehr Einfluss auf Produktions-, Lohn- und Arbeitsverhältnisse und protestiert gegen Bestrebungen, die Räte aus den Unternehmen zu verbannen.

Der dem linken Flügel der USPD angehörende Berliner Polizeipräsident Emil Eichhorn wird vom preußischen Innenminister entlassen; Eichhorn anerkennt seine willkürliche Amtsenthebung nicht. Es kommt zu spontanen Solidaritätsbekundungen für ihn auf Berliner Straßen und Plätzen.

5. Januar 1919:

Revolutionäre Obleute und der Zentralvorstand der USPD rufen zu weiteren Demonstrationen gegen die Absetzung von Eichhorn als Polizeipräsident auf. Hunderttausende fordern am Nachmittag die Rücknahme der Entlassung und die Entwaffnung konterrevolutionärer Truppen. Am Abend besetzen revolutionäre Arbeiter und Soldaten das Berliner Zeitungsviertel und verschanzen sich in den Redaktionsgebäuden, darunter des sozialdemokratischen »Vorwärts«.

6. Januar 1919:

Die Lage in Berlin eskaliert. Gustav Noske von der SPD übernimmt den Oberbefehl über alle konterrevolutionären Verbände, einschließlich der Freikorps, und erklärt sich zur brutalen Niederschlagung der Proteste in der deutschen Hauptstadt bereit: »Meinetwegen! Einer muss der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht!«

7. Januar 1919:

Zur Abwehr der konterrevolutionären Übergriffe besetzen revolutionäre Arbeiter und Soldaten in Berlin öffentliche, strategisch wichtige Gebäude, darunter die Eisenbahndirektion, das Hauptpost- und Proviantamt sowie das Brandenburger Tor und den Schlesischen Bahnhof.

8. Januar 1919:

Gustav Noske (SPD) beginnt mit dem militärischen Angriff auf die revolutionären Arbeiter und Soldaten in Berlin. Rechtzeitig vor den Wahlen zur Nationalversammlung sollen in der deutschen Hauptstadt wieder »Ruhe und Ordnung« einziehen.

Im rheinisch-westfälischen Industriegebiet beginnt ein mehrere Tage andauernder Streik der Bergarbeiter für die Sozialisierung.

Großbritannien fordert in einer diplomatischen Note die deutsche Regierung auf, jegliche Provokationen gegen die polnische Bevölkerung in den ehemaligen Ostgebieten zu unterlassen und zu unterbinden; die Zukunft der Ostgrenze werden auf einer Friedenskonferenz endgültig geregelt.

9. Januar 1919:

Mehrere revolutionäre Organisationen fordern zu einem Generalstreik gegen die Offensive der Konterrevolution auf.

10. Januar 1919:

In Bremen rufen revolutionäre Arbeiter, Soldaten und Matrosen die Rätemacht aus; der Senat wird abgesetzt und die Hansestadt zu einer sozialistischen Republik erklärt. Auf Befehl von Noske wird diese dann am 4. Februar unter der militärischen Gewalt der Division Gerstenberg blutig niedergeschlagen.

11. Januar 1919:

Unter dem Kommando von Noske stehende Regierungstruppen stürmen das Berliner Zeitungsviertel und beschießen das von revolutionären Arbeitern und Soldaten besetzte »Vorwärts«-Gebäude. Besetzt und völlig verwüstet wird auch das Domizil der KPD.

12. Januar 1919:

Die letzten Kämpfe in Berlin toben um das Polizeipräsidium. Die blutigen Januarereignisse in der deutschen Hauptstadt kosteten 165 Todesopfer; viele weitere Opfer folgen auf Grund der Lynchjustiz der konterrevolutionären Soldateska und der Freikorps.

13. Januar 1919:

Das Staatssekretariat für Auswärtiges unter Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau protestiert in Noten an die Alliierten gegen die angeblich diskriminierende Behandlung Deutscher durch Franzosen in Elsaß-Lothringen.

14. Januar 1919:

In der »Roten Fahne« erscheint ein Artikel von Rosa Luxemburg unter der Überschrift »Die Ordnung herrscht in Berlin«, in der die gewaltsame Niederschlagung der Revolution unter maßgeblicher Beteiligung der Mehrheitssozialdemokraten angeklagt und verurteilt wird.

Die letzten alliierten Kriegsgefangenen verlassen Deutschland.

15. Januar 1919:

Die »Rote Fahne« veröffentlicht einen Artikel von Karl Liebknecht unter dem programmatischen Titel »Trotz alledem!«

Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Wilhelm Pieck werden in Berlin verhaftet. Während letzterem die Flucht gelingt, werden Liebknecht und Luxemburg im Hotel Eden verhört und schwer misshandelt sowie anschließend heimtückisch ermordet. In den folgenden Tagen fordern in mehreren deutschen Städten Revolutionäre und Demokraten die Bestrafung der Mörder; teils werden auch Rufe nach Absetzung der Regierung Ebert-Scheidemann laut.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -