- Politik
- Seenotrettung im Mittelmeer
Todesrate auf dem Mittelmeer so hoch wie nie
Die Blockade der Häfen durch die italienische Regierung lässt die Todeszahlen im Mittelmeer steigen.
Seit Matteo Salvini von der strammrechten Lega-Partei im Juni diesen Jahres als Innenminister im Amt ist, ist privaten Hilfsschiffen und auch denen aus der Berufsschifffahrt, die Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet hatten, die Einfahrt in italienische Häfen verboten.
Die Konsequenzen dieser Politik sind tödlich: In den vier Monaten seit Salvini als Innenminister regiert, sind die Todeszahlen gestiegen – auf 8 Tote am Tag. Unter der Vorgängerregierung lag die Quote bei 3.2 Toten am Tag, wie eine Auswertung der Daten durch das Italienischen Institut für internationale Politik ergab.
Diesen Trend bestätigen auch andere Zahlen. Laut der Internationalen Organisation für Migration sind im September 19 Prozent der Menschen, die über das Mittelmeer geflohen sind, bei dem Versuch ertrunken. Jeder Fünfte. Es ist die höchste Todesrate, seit es verlässliche Daten gibt.
Es gibt ein Problem mit diesen Daten, sagte Matteo Villa, der die Daten der IMO mit dem Italienischen Institut für internationale Politik ausgewertet hat, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Sie sind nur ein Minimalwert, die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Die fehlende Präsenz von Schiffen führt dazu, dass weniger Tote registriert werden, das Sterben im Mittelmeer wird zunehmend unsichtbar.
Eine nd-Recherche erhärtet diesen Verdacht. Von 1535 bis Ende August im Mittelmeer gestorbenen Menschen sind 383 von Nichtregierungsorganisationen gemeldet worden. Das sind ca. 25 Prozent. Die Zahl geht aus Daten der IOM hervor, die dem »nd« exklusiv vorliegen.
Lesen Sie dazu: »… niemand soll es mitbekommen.« Die Abwesenheit von Rettern könnte für geringere Todeszahlen sorgen - in der Statistik
Aktuell befinden sich keine zivilen Seenotrettungsschiffe mehr vor der Küste Libyens. Die »Aquarius« wurde nach Druck der italienischen Regierung auf Panama die Flagge entzogen. Sie liegt jetzt im Hafen von Marseille. Wer nun das Ende der humanitären Seenotrettung beschwört, der irrt. Denn selbst unter den erschwerten Umständen werden die Organisationen weiter in See stechen. »Weil alles besser ist, als wenn die Leute ertrinken«, wie Claus-Peter Reich, Kapitän der »Lifeline« kürzlich im nd-Interview bekräftigte.
Für Salvini zahlt sich die Repression gegen über den Seenotrettern aber offenbar aus. Während 80 Prozent weniger Menschen in Italien angekommen sind, als noch im Jahr davor, haben sich die Zustimmungswerte für seine Partei seit den Wahlen im März beinahe verdoppelt.
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