Unverständliches Kauderwelsch

Wie Sabine Pannen an der SED-Basis scheiterte

  • Heinz Niemann
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf dem Buchcover wird eine »erstmals systematische Untersuchung des Innenlebens der SED-Basis« versprochen. Tatsächlich stützt sich dieser, in der Buchreihe des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam publizierte und unter anderem von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur finanziell gesponserte Band auf eine umfängliche archivalische Quellenbasis.

Die beigefügte Literaturliste umfasst 180 Autoren, darunter allerdings nur zehn ausgewiesene DDR-Historiker mit ihren Publikationen nach 1990. Das schränkt das Versprechen auf dem Cover zusätzlich ein. Zusätzlich deshalb, weil von der - an sich begrüßenswerten - Konzentration der Autorin Sabine Pannen auf die Grundorganisation eines Teils des Brandenburger Stahlwerks nicht auf die gesamte SED-Basis in den verschiedenen Zeitabschnitten der DDR geschlussfolgert werden kann. Ein solches Gesamtbild geben auch nicht die zehn Interviews mit Zeitzeugen her. Und das kann auch die gelegentliche Einbeziehung zentraler Ebenen oder von Beispielen aus anderen Bezirken nicht ausgleichen.

Der »gelernte« DDR-Bürger wie Genosse dürfte zwar vielen Passagen, etwa zur tristen Medienkultur und zur dahingegen unterschwelligen vielseitigen »Öffentlichkeit«, zustimmen können. Ob aber die hier geschilderte Kommunikation in den Betriebskollektiven, zwischen Parteifunktionären und Belegschaft als weitgehend zutreffend akzeptiert würde, ist zu bezweifeln.

Was sich die Doktorandin, die sich selbst »als Historikerin, die im katholischen Rheinland aufwuchs, zur Zeit des Mauerfalls Grundschülerin war und keine familiären Beziehungen nach Ostdeutschland hatte«, dabei gedacht hat, die Zitate aus ihren Interviews wörtlich und völlig unredigiert zu dokumentieren, bleibt unklar. Zur Illustration sei hier die Aussage einer von der Autorin über die Rolle der betrieblichen Gewerkschaft bei Personalentscheidungen befragten Zeitzeugin geboten: »Äh, naja, dass sie, sie mussten ja viele Sachen auch durchsetzen, mit Partei und Gewerkschaft. Und da konnte, konnte es vorkommen, dass das dann die Partei gesagt hat, ne, sag ich mal, wenn es um Kaderprobleme ging. Äh, wenn ein Abteilungsleiter eingesetzt werden sollte, denn war das so, dass die APO und die Gewerkschaft am Tisch saßen und ich (Dipl. Ing. Ingrid K., Mitglied der Werks- und Parteileitung) da meine Vorstellungen entwickeln musste, und sagen, also für mich ist der, oder die für diesen Posten geeignet. So und dann kann das durchaus passieren, dass dann die Partei gesagt hat: ›Ne. Also so nicht.‹« Wer soll dieses Kauderwelsch verstehen?

Ebenso wenig erschließt sich dem Leser das hier gezeichnete Bild eines hauptamtlichen Parteisekretärs, Werkmeisters und Ingenieurs im Stahlwerk. Sabine Pannen will an seinem Beispiel die »Meckergesellschaft DDR« vorführen. 1980 gab es nicht ausreichend Bettwäsche und andere Baumwollprodukte, und von der übergeordnete Kreisleitung der Partei waren keine Informationen zu erhalten, wann der Engpass überwunden sei. Die Autorin zitiert den unglücklichen Parteisekretär: »Ja, et blieb nicht aus, aber det war eigentlich, das, was wir dann als als (!) Information jekriegt haben, in die Grundorganisationen, war eben nicht so, dass wir det als befriedigend ansehen konnten. Das wir gesagt haben: ›Pass mal uff!‹ Du kannst erzählen, wat de willst, wenn’s trotzdem draußen für die Frauen Schlüpfer, keene Schlüpfer, ja, ja, ja keene, denn warn det eben keene Büstenhalter. Ick kann denen ja erzählen, wat se wollen.«

Der von der harten DDR-Realität verschont gebliebene westdeutsche oder nachgeborene Leser bekommt ein Bild vermittelt, das nicht völlig falsch ist, aber zwischen Erscheinung und Wesen liegen oft Welten. Pars pro Toto stimmt nicht immer. Einen Beitrag zur Klärung der Frage, wodurch die SED, die sich anfänglich bemühte, eine völlig neue Gesellschaft aufzubauen, unter der Führung von Erich Honeckers zu einem bürokratischen Monster mutierte und letztlich schmählich scheitern musste, kann dieses Buch nur sehr, sehr bedingt leisten. Für den kritischen Leser ist es eher grimmig-erheiternd als bildend.

Sabine Pannen: Wo ein Genosse ist, da ist die Partei. Der innere Zerfall der SED-Parteibasis 1979 - 1989. Verlag Ch. Links, 356 S., geb., 40 €.

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