Ein Verein mischt sich ein

Folge 141 der nd-Serie »Ostkurve«: Wie der 1. FC Union den Profifußball reformieren will

Der 1. FC Union Berlin steht im Moment genau da, wo er dauerhaft sein möchte: unter den besten 20 Fußballklubs in Deutschland. Als Zweiter der zweiten Liga sind die Köpenicker in dieser Saison nach acht Spielen noch immer ungeschlagen, mit einem Heimsieg an diesem Sonntag gegen den 1. FC Heidenheim können sie vor der Länderspielpause ihre Position festigen. Sportlich ist ja auch noch Luft nach oben. Die Mannschaft spielt solide, eher auf defensive Stabilität als auf Offensivpower ausgerichtet. Und wenn der neue Trainer Urs Fischer nach einem beschwerlichen Remis im Heimspiel gegen den Tabellenletzten aus Duisburg von einem »sehr guten Spiel« spricht, darf man gespannt sein, was der Schweizer nach der ersten Findungsphase noch aus dem Team herausholen kann.

Der Start jedenfalls ist geglückt, der Traum vom Aufstieg lebt. Den Weg vom Wunsch zur Realität haben sie in der Wuhlheide nach der turbulenten Vorsaison schnell wiedergefunden. Auch wenn der der 1. FC Union von Ligaspielen gegen Bayern München oder Borussia Dortmund noch weit entfernt ist, brachte er in dieser Woche doch einige Erstligisten in Bedrängnis. »Kurswechsel für den deutschen Profifußball« - unter dieser Überschrift stellte der Berliner Zweitligist die bisherige Ausrichtung und Struktur des Sports arg infrage. Seine Vorstellungen von einer besseren Zukunft veröffentlichte er am Mittwoch auf einem fünfseitigen Positionspapier.

»Sehr umfangreich«, stöhnte Mönchengladbachs Manager Max Eberl. Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc gab am Donnerstag zu, »das Papier noch nicht ganz gelesen« zu haben. Die zurückhaltenden Reaktionen haben einen Grund: die forschen Forderungen, die der 1. FC Union zur Diskussion stellt. Darunter finden sich Schlagworte wie »Gehaltsobergrenzen«, »Beibehaltung der 50+1-Regel«, »Aufstockung der Bundesligen auf 20 Teilnehmer« oder »Abschaffung von Montagsspielen«.

Der 1. FC Union Berlin ist keineswegs weltfremd. Präsident Dirk Zingler, einer der beiden Unterzeichner des Positionspapiers, spürte in Köpenick schon oft genug Gegenwind ob seiner Pläne zur Professionalisierung und Kommerzialisierung des eigenen Klubs. Und ins Blaue haben die Rot-Weißen ihre Gedanken auch nicht geschossen. Ausgangspunkt war die Vorlage der Deutschen Fußball Liga zur eigenen Strukturreform. Darüber sollen alle 36 DFL-Mitglieder, die Klubs der ersten und zweiten Bundesliga, möglichst am 12. Oktober abstimmen. Entscheidungen sollen am 13. Dezember fallen, auf der Mitgliederversammlung.

Nicht nur »den Druck des jetzt vorliegenden Zeitplans« sieht der 1. FC Union kritisch. »Die Diskussion über Veränderungen im deutschen Fußball sollten wir nicht auf personelle und strukturelle Aspekte beschränken«, meint Dirk Zingler. Der Klub fordert »eine Auseinandersetzung um eine inhaltliche Ausrichtung.«

Unions Vorstoß geht in zwei Richtungen. Die erste These behandelt das Sportliche: »Ein stufenloser nationaler Wettbewerb aller deutschen Profivereine erhält die Popularität des Fußballs in Deutschland und stärkt seine internationale Wettbewerbsfähigkeit.« Dass die drei Profiligen unter dem Dach der DFL organisiert sein und diese, wie überall in Europa, jeweils 20 Teilnehmer haben sollten, darüber lassen bestimmt noch einige Vereine mit sich reden. Auch für die »Professionalisierung des Schiedsrichterwesens und der Sportgerichtsbarkeit« kann sich bestimmt der ein oder andere erwärmen. Schwieriger wird es mit Sicherheit, wenn über die »Festlegung von Obergrenzen von Gehaltsetats« diskutiert werden soll. Eine »wettbewerbsfördernde, ligaübergreifende und stufenlose Verteilung der Vermarktungserlöse« dürfte, zumindest unter den etablierten Erstligisten, kaum Befürworter finden.

Mit seiner zweiten These greift der 1. FC Union den seit Jahren schwer schwelenden Konflikt zwischen Verbänden und Fans auf. »Die aktiven Fanszenen« sollten als »akzeptierter wichtiger Akteur« angesehen werden. Die Forderung nach »Teilhabe und Mitbestimmung« wird wie folgt formuliert: »Ein wirksames Vertreten der vielfältigen Interessen der am Fußball beteiligten Gruppen setzt voraus, dass diese direkt in den Entscheidungsgremien vertreten sind.« Hierfür müsste sich die DFL öffnen. Das scheint noch vorstellbar.

Eine Rolle rückwärts, wie bei folgenden Themen, ist dem Ligaverband aber kaum zuzutrauen. »Montagsspiele gehören abgeschafft.« Meint der 1. FC Union - und mit ihm bundesweit unzählige Fans, die ihre Vereine in den Stadien unterstützen. Diese seien ein zentraler Bestandteil der Faszination Fußball. Auch, weil ohne die von ihnen entfachte Atmosphäre der Fußball kaum medial zu vermarkten wäre. Deshalb setzt sich der Berliner Zweitligist auch dafür ein, Anstoßzeiten nicht an Übertragungsmöglichkeiten, sondern an Stadionbesucher anzupassen und »Maximalentfernungen bei Freitags- bzw. Wochentagsspielen« zu beachten.

Harter Tobak für Fußballfunktionäre. Der DFL übrigens genügte am Donnerstag ein Zehnzeiler, um über die geplante Strukturreform zu informieren. Inhaltliches? Nichts. Man muss nicht alles mögen, was im Positionspapier des 1. FC Union steht. Dafür, dass der Klub die Diskussion in die Öffentlichkeit getragen hat, darf man ihm aber dankbar sein. Allein die Reaktionen aus der 1. Bundesliga sprechen dafür. »Das ist kontraproduktiv«, meinte Mönchengladbachs Manager Eberl. Warum? Weil ein Status quo, eine Besitzstandswahrung im Stillen besser funktioniert? Michael Zorc hat in Dortmund anscheinend auch noch nicht viel weiter gedacht: »Ich sehe die Struktur, die wir haben, als erhaltenswert an.«

Vieles erinnert an das Jahr 2012. Damals wollte die DFL ebenfalls unter Zeitdruck ihr Konzept »Sicheres Stadionerlebnis« durchdrücken. Auch damals mischte sich ein Verein ein - der 1. FC Union Berlin. Auch wenn vieles im Fußball immer noch kritikwürdig ist, mit der Ablehnung des DFL-Vorschlags und seiner damals neunseitigen Erklärung stieß der Klub aus Köpenick eine wichtige Diskussion an - mit teils akzeptablen Ergebnissen. Versuchen kann man es ja.

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