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Ein gescheitertes Experiment
Verwaltung im Kolonialstil, die ungeklärte Statusfrage und ökonomisch ein schwarzes Loch - Kosovo hat mit vielen Problemen zu kämpfen
Im März 1981 gingen Tausende Studierende der Universität Priština auf die Straße, um gegen schlechte Studienbedingungen und noch schlechteres Mensaessen zu demonstrieren. Kumpel aus den Bergwerken in Trepča schlossen sich den Protesten an. Binnen weniger Wochen mutierten soziale Forderungen zu einem nationalen Aufstand: »Kosovo den Kosovaren«, stand am 1. April auf den Transparenten zu lesen. Die Erhebung brach im Feuer zentralstaatlicher Repression zusammen. Offiziell blieben elf tote Demonstranten in den Straßen liegen. In Westeuropa machte man darüber kein großes Aufheben. Erst im jugoslawischen Zerfallsprozess zehn Jahre später setzte das nun vergrößerte Deutschland auf das Konzept der »nationalen Selbstbestimmung«, mit dem man die Völker Jugoslawiens aus dem sogenannten serbo-kommunistischen Kerker befreien wollte.
Außenminister Hans-Dietrich Genscher gerierte sich als politischer Architekt neuer Staatlichkeiten und stand damit im Juni 1991 in Widerspruch zu seinem US-Amtskollegen James Baker, der am 21. Juni 1991 im Belgrader Palast der Föderation erklärte, die von Deutschland forcierte Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens nicht anerkennen zu wollen. Vier Tage später gründeten Zagreb und Ljubljana ihre Nationalstaaten. Von Kosovo sprach im Westen noch kaum jemand. Erst nach dem vollständigen Auseinanderbrechen des multiethnischen Jugoslawien, dessen innere Schwäche von außen zu Bürgerkriegen und Vertreibungen dynamisiert worden war, setzte die NATO am 24. März 1999 einen Schlusspunkt unter den Zerfallsprozess. 78 Tage lang wurde Restjugoslawien - ohne UN-Mandat - bombardiert.
Die Abspaltung Kosovos gelang nicht, die UN-Resolution 1244 beließ das mehrheitlich albanisch bewohnte Gebiet bei Jugoslawien/Serbien. Und die spätere Unabhängigkeitserklärung vom Februar 2008 ist bis heute nur von einem Teil der Staatenwelt anerkannt. Selbst fünf EU-Länder (Spanien, Slowakei, Zypern, Griechenland, Rumänien) sehen weiterhin in Belgrad die Hauptstadt. Auch Russland, China, die Ukraine und viele andere Staaten erkennen Kosovo nicht an. Seine Unabhängigkeit war von Anfang an als eine überwachte vorgesehen. Kosovo ist, wie es im UN-Dokument heißt, »juristisch gebunden, sich an die Bestimmungen der Deklaration zu halten«.
Diese sieht vor, dass die letzte politische Instanz des Landes - bis zur weiteren einvernehmlichen Klärung - ein UN-Repräsentant ist. Seit 2015 nimmt diese Position der Afghane Zahir Tanin ein. Ihm müssen vom Budget über die Gesetzgebung bis zur Außenpolitik sämtliche Agenden seitens der gewählten Regierung vorgelegt werden. Das 1,8 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen zählende Land ist somit der klassische Fall eines Protektorates.
Nicht einmal das eigene Staatssymbol durfte sich seine politische Klasse aussuchen. Anstatt des schwarzen albanischen Adlers auf rotem Grund, unter dessen Banner die UÇK für die Befreiung von Belgrad gekämpft hatte, wurde dem Land eine blaue Fahne oktroyiert, deren zentrales Element die Landkarte Kosovos darstellt. Auch bei der Fahne Zyperns kompensiert die aufgezeichnete Landkarte eine am Boden nicht eindeutige Territorialität.
Die Anerkennung der am 17. Februar 2008 einseitig ausgerufenen kosovarischen Unabhängigkeit vornehmlich durch Staaten der transatlantischen »Wertegemeinschaft« stellte einen Präzedenzfall dar. Unmittelbar darauf reagierte Russland im Konflikt um die abtrünnigen georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien mit deren Anerkennung und auch die russische Landnahme der Krim kann als Vorbild auf die Herauslösung Kosovos aus Serbien verweisen.
Ökonomisch ist das Land ein schwarzes Loch. Die offizielle Arbeitslosigkeit liegt bei 30 Prozent. Investoren schrecken vor der ungeklärten Statusfrage zurück und die Jugend emigriert. Anfang September 2018 lag zwischen Priština und Belgrad eine Vereinbarung darüber in der Luft. Die beiden Präsidenten Ha-shim Thaçi und Aleksandar Vučić dachten laut über eine Lösung nach, die mit Hilfe eines Gebietsaustauschs erfolgen könnte. Der Reflex aus Berlin entsprach dem gängigen Kolonialstil: So nicht, verlautete Angela Merkel. Grenzen dürften nicht nach nationalen Kriterien verschoben werden. Wenn diese Doktrin im Jahre 1990 gegolten hätte, dann wäre sie wohl bloß Regierungschefin im zweiten deutschen Staat geworden.
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