Khashoggi stand schon im Visier

Fall des vermissten saudischen Journalisten findet auch in den USA große Aufmerksamkeit

  • Oliver Eberhardt, Erbil
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor dem saudi-arabischen Konsulat in Istanbul hat eine kleine Gruppe von Demonstranten Position bezogen; » Freiheit für Jamal Khashoggi«, heißt es in türkischer Sprache auf Plakaten.

Die Suche nach dem saudi-arabischen Journalisten Khashoggi (andere Schreibweise Chaschukdschi) läuft auf Hochtouren, seit er am 2. Oktober das Konsulat betreten hatte, und nicht wieder heraus kam. Die türkische Polizei ermittelt und wohl auch ausländische Geheimdienste: Die CIA habe Informationen, dass saudische Regierungsmitarbeiter darüber gesprochen haben sollen, Khashoggi zu entführen, berichtete die Zeitung »Washington Post«, für die Khashoggi seit 2017 als Kolumnist arbeitete.

Und vor allem regierungsnahe türkische Medien veröffentlichen ständig neue Ermittlungsergebnisse, bereitwillig weitergegeben von Polizeisprechern und Mitarbeitern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan: Überwachungsvideos werden gezeigt, auf denen zu sehen ist, wie Khashoggi das Konsulat betritt; wie irgendwann eine Mercedes-Limousine mit abgedunkelten Scheiben das Gelände des Konsulats verlässt. Der Wagen sei direkt zur 200 Meter entfernt gelegenen Residenz des Generalkonsuls gefahren, sagt ein Polizeisprecher. Zudem veröffentlichte die Erdogan sehr verbundene Zeitung »Sabah« Bilder und Namen von 15 Männern, die bei der Einreise am Flughafen entstanden zu sein scheinen.

Diese Personen seien am Tag des Verschwindens in zwei Privat-Jets gelandet; die erste Gruppe von neun Männern habe in zwei Hotels in Konsulatsnähe Quartier bezogen; die andere Gruppe, sechs Männer, sei direkt zum Konsulat und dann später zur Residenz gefahren. Die Flugzeuge hätten Istanbul am Abend mit Kairo beziehungsweise den Vereinigten Arabischen Emiraten als Ziel verlassen. Von dort seien die Maschinen dann jeweils am 3. Oktober nach Riad geflogen.

Ein türkischer Polizeisprecher bestätigt: Im Großen und Ganzen sei dies der aktuelle Ermittlungsstand; man habe »die gesamten Ressourcen des Staats« zur Verfügung - aus gutem Grund: Khashoggi ist nicht nur einer der bekanntesten saudischen Journalisten und Kritiker der saudischen Führung, sondern hat auch enge Kontakte zu Erdogan, der ihn als »Freund, den ich schon seit langem kenne« bezeichnete; auch zu einem seiner Berater pflegt Khashoggi enge Beziehungen.

Seine Beziehungen zur saudischen Regierung waren indes wechselhaft: Er interviewte Osama bin Laden, war Chefredakteur der Zeitung »Al Watan«. Zeitweise war Khashoggi Berater von Turki ibn Faisal, ehemaliger Geheimdienstchef und späterer saudischer Botschafter in London und Washington.

Im Laufe der Zeit kritisierte er immer vehementer die in Saudi-Arabien angewandten Auslegungen der islamischen Glaubensvorschriften, trat für einen moderaten Islam ein. Und immer lauter prangerte er den Führungsstil von Kronprinz und de facto Machthaber Mohammad bin Salman an, der sich nach außen als Reformer präsentiert, und nach innen einen harten Kurs gegen Kritiker fährt. Mitte 2017 reiste er dann in die USA, ins Exil; kurze Zeit darauf begann in Saudi-Arabien eine beispiellose Verhaftungswelle: Einflussreiche Mitglieder der Königsfamilie wurden in einem Luxushotel interniert; in den folgenden Monaten wurden zudem Hunderte Bürgerrechtsaktivisten festgenommen.

Zum Verschwinden Khashoggis äußerte sich die saudische Regierung indes tagelang nur ausweichend, bis nun Khalid bin Salman al-Saud, saudi-arabischer Botschafter in Washington, die Vorwürfe mit scharfen Worten zurückwies: »Die Berichte, dass Jamal Khashoggi im Konsulat in Istanbul verschwunden ist, oder dass die Behörden des Königreichs ihn festgenommen oder getötet haben, sind vollkommen falsch und entbehren jeglicher Grundlage«, heißt es in einer Stellungnahme des Botschafters.

Dass er sich äußert, hat einen guten Grund: Im US-Kongress fordern selbst einige jener Politiker Aufklärung, die bislang die engen Beziehungen von US-Präsident Donald Trump zum saudischen Königshaus unterstützt haben: »Dieser Vorfall hängt schwer über unseren Beziehungen (…) und muss so ernsthaft und so schnell wie möglich aufgeklärt werden«, heißt es in einem Brief des republikanischen Senators Lindsay Graham an den saudischen Botschafter: »Sollten die Vorwürfe stimmen, würde dies für mich alles verändern«, sagte er der »Washington Post«.

Für die saudische Regierung steht dabei einiges auf dem Spiel: Schon seit Monaten fordern auch einige Republikaner, also der Regierungspartei, im Kongress größere Zurückhaltung bei den US-Militärhilfen für die saudische Kriegsführung im Jemen; Graham war bisher einer derjenigen, die dabei bremsten und blockierten. Präsident Donald Trump selbst hält sich nach wie vor ungewöhnlich zurück: Über Twitter teilte er kurz mit, er sei »besorgt«.

Die ohnehin schon angespannten Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und der Türkei stehen nun vor der Zerreißprobe: Saudi-Arabien nimmt der türkischen Regierung schon seit Langem übel, dass sie nicht nur die Muslimbruderschaft unterstützt, sondern auch enge Beziehungen zu Katar pflegt, über das man im Juni 2017 eine Blockade verhängt hat. Die türkische Regierung betrachtet das Verschwinden Khashoggis nun als direkte Provokation; dass es eine Woche dauerte, bis sich Riad mit einer Durchsuchung des Konsulats einverstanden erklärte, sei, so ein türkischer Regierungssprecher, »eine Unverschämtheit«.

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