Korruption ohne Grenzen

Der Odebrecht-Skandal zieht in Peru weiter Kreise

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Nachricht wühlte den politischen Betrieb in Peru auf: Keiko Fujimori, Oppositionsführerin und Tochter des früheren Präsidenten Alberto Fujimori, wurde am Mittwoch wegen Geldwäschevorwürfen festgenommen. Damit reiht ihr Fall sich ein in eine Folge kürzlich aufgedeckter Korruptionsvorfälle in Peru: Die letzten vier Präsidenten wurden alle wegen Korruption verurteilt oder mussten ihre Posten räumen.

Fujimori soll während der Präsidentschaftswahlkampagne 2011 unerlaubt Gelder des brasilianischen Baukonzerns Odebrecht kassiert haben. Fujimori wird zunächst zehn Tage in Präventivhaft bleiben, während die Ermittler entscheiden, ob sie Anklage erheben. Zudem wurde Haftbefehl gegen weitere 19 Personen erlassen, darunter zwei frühere Minister. Keiko Fujimori wies die Vorwürfe zurück.

Sowohl der frühere Konzernchef Marcelo Odebrecht, der bereits wegen Korruption verurteilt wurde und nach seiner Haftstrafe nun unter Hausarrest steht, als auch der Repräsentant des brasilianischen Bauriesen in Peru hatten gegenüber der Justiz ausgesagt, Geld für die Wahlkampagnen von Keiko Fujimoris Partei, die rechtspopulistische Oppositionspartei Fuerza Popular, gezahlt zu haben. Odebrecht zahlte fast 800 Millionen US-Dollar Bestechungsgelder in zwölf Ländern - oft an wahlkämpfende Politiker, um so später an öffentliche Aufträge zu gelangen.

Die Ermittler werfen den 20 Verhafteten die Bildung einer »kriminellen Organisation« innerhalb der Fuerza Popular vor. Demnach hatte Keiko Fujimori »Führung und Chefrolle« inne. Die 43-Jährige, eine der mächtigsten und einflussreichsten Politikerinnen des Landes, wurde verhaftet, während sie im sogenannten Cocktail-Fall vor der Staatsanwaltschaft aussagte. Dabei geht es um die Verschleierung illegaler Parteifinanzierung als Parteispenden während der Wahlkampagnen 2011 und 2016.

Die Festnahme »wurde angewiesen wegen der begründeten Annahme, dass die Verhafteten mit dem Delikt der Geldwäsche, Fluchtgefahr und Behinderung der Ermittlungen in Verbindung gebracht werden können«, begründete die peruanische Justiz die Maßnahme. Fujimori selbst verbreitete auf Twitter eine handgeschriebene Notiz an ihre Anhänger, in der es unter anderem heißt: »Die Verfolgung hat sich in unserem Land als Justiz verkleidet.«

Erst in der vergangenen Woche hatte das Oberste Gericht Perus die Freilassung ihres Vaters Alberto Fujimori, der das Land von 1990 bis 2000 regiert hatte, als verfassungswidrig erklärt und wieder rückgängig gemacht. Der 80-jährige frühere Präsident war im Rahmen eines politischen Deals des damaligen Präsidenten Pedro Pablo Kuczynski kurz vor Weihnachten 2017 »aus humanitären Gründen« begnadigt worden.

Alberto Fujimori, der 2009 als Verantwortlicher für mehrere Massaker während seiner Amtszeit zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt worden war, hätte diese noch bis 2032 absitzen müssen. Kuczynski verwies auf die Verfassung, die ihm als Präsidenten das Recht auf Begnadigungen gebe. Juristen aber wiesen diese Darstellung zurück: Schwere Menschenrechtsverletzungen seien nicht begnadigungsfähig. Am Donnerstag beschloss nun der Kongress ein umstrittenes Gesetz, das die erneute Inhaftierung Alberto Fujimoris verhindern könnte: Es sieht vor, dass verurteilte Gefangene, die älter als 65 Jahre sind, unter einer chronischen Krankheit leiden und mindestens ein Drittel ihrer Haftstrafe verbüßt haben, aus dem Gefängnis entlassen und unter Hausarrest gestellt werden können.

Schon im März hatte Kuczynski wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten müssen. Sein Nachfolger im Präsidentenamt, Martin Vizcarra, hat derweil für den 9. Dezember ein Referendum anberaumt, in dem die Bevölkerung über eine geplante Politik- und Justizreform abstimmen soll. Dabei sollen die Bürger unter anderem über die Nicht-Wiederwahl von Kongressabgeordneten, das Verbot privater Wahlkampffinanzierung und eine Rückkehr zum Zwei-Kammer-System abstimmen. Peru hatte 1992 den Senat abgeschafft.

Im Juli war ein gewaltiger Justizskandal ans Licht gekommen. Tonaufnahmen der Polizei hatten bei Ermittlungen gegen einen Drogenhändlerring Gefälligkeiten und gegenseitige Einflussnahme zwischen Richtern, Staatsanwälten, Unternehmern und Kongressmitgliedern aufgedeckt. Der Skandal hatte zum Rücktritt des Justizministers sowie des Präsidenten des Gerichtswesens geführt; mehrere hochrangige Richter wurden suspendiert. Indem er das Volk abstimmen lässt, umgeht Präsident Vizcarra die Blockade durch die von Keiko Fujimori angeführte Fuerza Popular. Die verhindert seit 2016 im Kongress eine Reform des politischen Systems. Der Fujimori-Partei wird unterstellt, kein Interesse an der Aufarbeitung des Justizskandals zu haben. Mehrere Politiker der Partei und ihr nahestehende Unternehmer tauchen in den Tonaufnahmen auf. Und nun steckt auch die Parteichefin selbst in ernsthaften Schwierigkeiten.

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