Japan sucht dringend Verbündete

Während sich die USA und Nordkorea annähern, wird in Tokio am großem Allianzpartner gezweifelt

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie so oft ist auch beim Asia-Europe-Meeting (ASEM) diesen Donnerstag und Freitag in Brüssel entscheidend, wer nicht mit am Tisch sitzt: Über den Regierungschefs 31 europäischer, 20 asiatischer und ozeanischer Ländern sowie Vertretern der Europäischen Union und dem Verband Südostasiatischer Staaten, ASEAN, liegt der lange Schatten von US-Präsident Donald Trump. Sie alle eint, noch keine Strategie gegen die Wucht gefunden zu haben, mit der Trump die Welt umbauen will. Dessen erste Amtshandlung als neuer Präsident sandte Schockwellen durch Asien: Die Aufkündigung der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) beendete mit einem Knall die von Vorgänger Barack Obama initiierte strategische Ausrichtung auf den pazifischen Raum. Seitdem setzt Washington auf Eskalation, sei es im Zollstreit mit China oder mit Druck auf Japan, ein bilaterales Handelsabkommen auszuarbeiten.

In Asien wächst die Angst, nach 1997/98 und 2008 wieder in eine wirtschaftliche Krise zu schlittern. Der Chef der Weltbank, Jim Yong Kim, warnte, seine Organisation bereite sich mit jedem einzelnen Mitgliedsstaat in Asien auf den wirtschaftlichen Abschwung vor, den er vor allem für die sich entwickelnden Länder befürchtet, sollte Trump seine Politik nicht ändern. Eine Schwächung des wirtschaftlichen Zugpferdes Asiens, China, dürfte viele Staaten in in die Bredouille bringen.

Für Japan ist die Situation derzeit besonders brisant. Denn es ist nicht nur die wirtschaftliche Situation, die dem pazifischen Inselstaat zu schaffen macht; in Tokio wird auch eine politische Isolation befürchtet. Beides hängt dabei direkt mit der Politik der USA zusammen. Die Sorge ist, dass Trump für einen Deal mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un die Sicherheitsinteressen Japans opfert. Dabei wird befürchtet, dass der US-Präsident sich für den schnellen Erfolg eines Friedensvertrages dazu verleiten lässt, nur auf den Abbau von nordkoreanischen Interkontinentalraketen zu bestehen, die eine Gefahr für die USA darstellen, Pjöngjang aber die für Japan gefährlichen Mittelstreckenraketen lässt.

In der Drei-Wege-Allianz USA-Japan-Südkorea knirscht es seit geraumer Zeit: In Seoul häuft sich die Kritik an Tokio, die koloniale Vergangenheit nicht aufgearbeitet zu haben; Forderungen nach neuerlichen Reparationszahlungen sollen vorbereitet werden. Und Südkoreas Staatschef Moon Jae In würde lieber heute als Morgen die Sanktionen gegen Nordkorea aufheben. Sollte es im Falle eines Friedensvertrages mit dem Norden auch zu einem Abzug US-amerikanischer Truppen aus Südkorea kommen, wären Japans strategische Planungen vollends obsolet. Gefühlt auf sich allein gelassen, kauft Japan für zig Milliarden Waffen aus den USA. Premier Shinzo Abe will das ASEM-Treffen nutzen, seinen europäischen Kollegen die japanische Sicht auf Nordkorea mitzuteilen. Vor dem Gipfel besuchte er deshalb schon Frankreich und Spanien.

Aber Abe wirbt in Europa auch für den Freihandel. Denn Japans Wirtschaft droht im Zollkrieg der USA gegen China - Japans Handelspartner Nummer Eins - in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Die japanische Autoindustrie hat schon begonnen, die Zulieferungskette aus China abzuziehen, da die Preise durch die Politik der USA steigen. Dabei ist es keinesfalls so, dass Peking als natürlicher Partner erachtet wird. Die Transatlantische Partnerschaft war nicht zuletzt ein Versuch, die wirtschaftliche Dominanz Chinas einzugrenzen, und Abe versucht, sie solange aufrechtzuerhalten, bis die Ära Trump vorbei ist und die USA dem Freihandelsabkommen TPP von derzeit elf pazifischen Staaten doch beitreten könnten. Mit dem kürzlich abgeschlossenen Freihandelsabkommen mit der EU versucht Tokio, sich dem Druck durch die USA sowie China zu entziehen. Und um der chinesischen Seidenstraßeninitiative auch in Asien etwas entgegensetzen zu können, investiert Japan mit Australien und Neuseeland in Infrastrukturprojekte in Südostasien und Indien.

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