• Berlin
  • Öffentlichkeitsfahndung

1. Mai: Polizei stellt Fotos ins Internet

Beamte stellen Aufnahmen von neun Teilnehmern der diesjährigen Revolutionären 1. Mai-Demonstration ins Netz

  • Julian Seeberger
  • Lesedauer: 2 Min.

Nun also eine Öffentlichkeitsfahndung: Am Dienstag stellte die Berliner Polizei Fotos von neun Teilnehmern der diesjährigen Revolutionären 1. Mai-Demonstration ins Internet. Sie rief die Bevölkerung auf, Hinweise zu deren Identität zu geben. Die als »Gewalttäter« bezeichneten Demonstranten seien in den vorderen Reihen des Aufzugs gelaufen. Ihnen wird schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Die Stimmung der Versammlung sei im Verlauf zunehmend aggressiv geworden, schreibt die Polizei.

Das wirkt widersprüchlich: Nach der Demo hatte die Polizei erklärt, es habe deutlich weniger Straftaten als in den Vorjahren gegeben. Auch seien kaum Einsatzkräfte verletzt worden. Medien nannten den Tag den friedlichsten 1. Mai seit 1986. Ein Polizeisprecher sprach damals von einem »super Tag«. Dass die Polizei nun dennoch zum drastischen Mittel der Öffentlichkeitsfahndung greift, erklärt Thomas Neuendorf, Sprecher der Polizei, wie folgt: »Schwerer Landfriedensbruch ist durchaus eine Straftat von erheblicher Bedeutung. Wir greifen nicht leichtfertig zur Öffentlichkeitsfahndung und nur wenn andere Maßnahmen ausgeschöpft sind.« Auch bei früheren 1.Mai-Demonstration sei das bereits der Fall gewesen.

Einer der linksradikalen Organisatoren der Demonstration kritisierte die Maßnahme gegenüber dem »nd« indes als »völlig unverhältnismäßig«. »Bei den Repressionsbehörden ist in dieser Hinsicht seit G20 ein absoluter Dammbruch festzustellen«, erklärte er. Derartige Fotos könnten die Betroffenen ohne jedes Urteil für den Rest ihre Lebens stigmatisieren. »Der unablässige Ausbau des Überwachungsstaates bestärkt uns nur in unserem Kampf«, meinte der Aktivist.

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