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Oops they did it again - Massenblockade am Hambi
Etwa 1000 Klima-Aktivisten legen Braunkohleversorgung von RWE im Rheinland lahm
Es klingt beinahe flehentlich, als die Polizei durchsagt: «Sie können die Gleisanlagen jetzt verlassen. Wir werden keine polizeilichen Maßnahmen gegen Sie ergreifen.» Mehrfach wird die Durchsage wiederholt. Die Ansprache der Polizei richtet sich an gut 1000 Aktivisten des Bündnisses «Ende Gelände», die auf den Schienen der Hambachbahn sitzen. Dass die Polizei die Klimaaktivisten ohne weitere Maßnahmen gehen lassen möchte, dass liegt auch an der Örtlichkeit. Die Bahngleise liegen zwischen zwei steilen Böschungen. 1000 Aktivisten dort hoch tragen wäre erstens gefährlich und zweitens ziemlich anstrengend für die Polizeibeamten.
«Ende Gelände» hat mal wieder einen Erfolg zu feiern. Die Hambachbahn ist zentral für die Kohleinfrastruktur. Über sie versorgt für RWE die nahegelegenen Kraftwerke mit frischer Kohle aus dem Tagebau. Ist die Bahn blockiert, müssen die Kraftwerke schnell ihre Leistung drosseln. Das zeigte auch eine Blockade, die «Ende Gelände» im Sommer 2017 mit nur wenigen hundert Aktivisten durchgeführt hatte. Jetzt sitzen über 1000 Menschen auf den Gleisen. Eine so große Blockade hat es noch nicht gegeben. «Das ist die größte Massenaktion zivilen Ungehorsams der Klimagerechtigkeitsbewegung, die wir hier je gesehen haben», sagt Selma Richter, Sprecherin von «Ende Gelände».
Dass das Wochende im Rheinischen Revier aus Sicht der Aktivisten so positiv verläuft, das war lange nicht abzusehen. Die Frage wo tausende «Ende Gelände» Aktive zelten können war bis zum Donnerstag ungeklärt. Ein nicht genehmigtes Camp wurde sogar in der Nacht zum Donnerstag von der Polizei geräumt. Als am Freitagmorgen 1000 «Ende Gelände-Aktivisten mit einem Sonderzug ankamen, wurden diese am Bahnhof in Düren von der Polizei in eine Kontrollstelle geleitet, Aktivisten die sich nicht ausweisen konnten oder wollten wurden abfotografiert und ihre Fingerabdrücke genommen. Die Polizei begründete dies mit von »Ende Gelände« angekündigten Straftaten. Das Aachener Verwaltungsgericht hielt die Polizeimaßnahme für angemessen.
Über zehn Kilometer mussten die Aktivisten dann am Samstag von ihrem Camp im Süden von Düren, bis nach Merzenich laufen. Dort wurden sie erstmal von der Polizei gestoppt. Die Autobahn 4 über eine Brücke zu überqueren sei zu gefährlich, so die Argumentation der Polizei. Dann wurde die Autobahn gesperrt und über 4000 »Ende Gelände«-Aktivisten sollten über Feldwege in das Dörfchen Buir gehen. Darauf hatten die Aktivisten allerdings keine Lust und überstiegen zu Hunderten einen Wall an der Autobahn und ließen sich nicht von den zwei auf der A4 positionierten Wasserwerfern stoppen. Ihr Ziel: die Kohlebahn.
Und dort blieben die Aktivisten auch die ganze Nacht über. Trotz Temperaturen um drei Grad, verließen nur wenige Menschen freiwillig die Schienen. Am Sonntagvormittag gegen 11 Uhr verließ dann ein Großteil der Aktivisten die Gleise freiwillig. Paul aus Berlin, spricht von einer »unglaublich schönen Nacht«, die Menschen seien »total solidarisch« miteinander umgegangen. Als er Nachts einmal aufgewacht ist, sah er einen Menschen, der die ganze Blockade abgelaufen sei und die goldenen Rettungsdecken, die viele Menschen dabei hatten, wieder über die Schlafenden legte. Auch Tina berichtet ähnliches, man habe sich eng aneinander gekuschelt, deswegen sei es nicht zu kalt geworden.
Zu unschönen Szenen kam es als ein Großteil der Aktivisten die Gleise bereits verlassen hatte. Während sie mit einem Demozug zurück zum Camp des »Ende Gelände«-Bündnisses ziehen wollten, wurden etwa 50 Aktivisten, die im Gleisbett sitzen geblieben waren von der Polizei äußerst ruppig geräumt. Menschen wurden von den Schienen geschubst und die Böschungen hochgezerrt. Die Polizei habe bei der Räumung »schwere Verletzungen« in Kauf genommen kritisieren Aktivisten von »Ende Gelände«.
Trotz dieser Episode waren die 1000 Menschen auf den Bahngleisen nicht der einzige Erfolg für »Ende Gelände« an diesem Aktionswochenende. Schon in der Nacht drang eine kleine Gruppe von Aktivisten in den Tagebau Hambach ein und besetzte einen Bagger. Etwa 200 Aktivisten, die mit Bussen zum Tagebau Inden gefahren waren, schafften es nur knapp nicht in die Braunkohlegrube. Mehr als 400 Personen wurden im Verlauf des Tages in Gewahrsahm. genommen. Auf die Durchsage der Polizei, dass man die Schienen ohne polizeiliche Maßnahmen verlassen könne, reagierten übrigens bis zum Abend nur etwa 50 Aktivisten.
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