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Votum für Unabhängigkeit?
Referendum in Neukaledonien / Frankreich hofft auf Verbleib im Staatsverband
Auf diesen Tag haben viele »Kanak«, die historischen Bewohner des französischen Überseeterritoriums Neukaledonien, seit vielen Jahren gewartet: Am Sonntag findet auf der nordöstlich von Australien gelegenen Inselgruppe ein Referendum über die Unabhängigkeit statt. Doch von den knapp 300.000 Einwohnern sind nur noch 40 Prozent Kanak, und dass die nicht mit einer Zunge sprechen, liegt nicht nur daran, dass sie in 341 ethnischen Gruppen mit 26 verschiedenen Sprachen leben.
Am Sonntag will Umfragen zufolge nur jeder dritte Einwohner für die Unabhängigkeit stimmen und zwei Drittel dagegen, aber 15 Prozent der Wähler sind noch unschlüssig und viele wollen gar nicht votieren. Nicht wenige Kanak bangen um die Sozialhilfe, denn heute kommt ein Drittel des Budgets der autonomen Inselverwaltung als Finanzhilfe aus Frankreich. Andere glauben, dass Neukaledonien mit seinen Bodenschätzen - hier lagern 40 Prozent der Weltvorräte an Nickel, von dem erst ein Bruchteil abgebaut wird - durchaus auf eigenen Beinen stehen könnte.
Die Anhänger der Unabhängigkeitsorganisation FLNKS (Front de libération nationale kanak et socialiste) geben sich optimistisch. Die »Caldoches«, die Nachfahren der weißen Verbannten und Siedler und die später hierher übersiedelten Festlandfranzosen, sind fast ausnahmslos für den Verbleib bei Frankreich. Die von Präsident Emmanuel Macron gegründete Bewegung La République en marche (LREM), die in Paris die Parlamentsmehrheit stellt, verhält sich hier zurückhaltend, um nicht durch vorzeitiges Triumphieren alte Wunden aufzureißen. »Schließlich müssen wir hinterher weiter miteinander leben«, meint der LREM-Abgeordnete Philippe Gomès. Nur die Rechtspartei der Republikaner und die rechtsextreme Partei Rassemblement National (Ex-Front National) trommeln hemmungslos für ein Nein beim Referendum.
Für Frankreich hat Neukaledonien große strategische Bedeutung, schon wegen der Bodenschätze, doch mehr noch als mögliche Basis für Marine und Luftwaffe, und um international im Pazifikraum mitzureden und die drohende Vormachtstellung Chinas zurückzudrängen. Philippe Gomès warnt: »Spätestens nach zehn Jahren Unabhängigkeit wären wir de facto eine Kolonie Chinas.« Das könne man am nahen Vanuatu studieren, das 1980 von den Mandatsmächten Großbritannien und Frankreich in die Unabhängigkeit entlassen wurde. China habe massive Entwicklungshilfe geleistet, Straßen und Hafenkais, Behördenbüros und Schulen gebaut, und heute sei die gesamte Wirtschaft fest in chinesischer Hand.
Von 1853 bis 1946 war die Inselgruppe französische Kolonie und seitdem Überseeterritorium. Hauptproblem beim Zusammenleben von Kanak und Caldoches ist das Land, das den Ureinwohnern im 19. Jahr-hundert von den Siedlern geraubt wurde, sodass ihnen nur acht Prozent des Territoriums blieben. Daran entzündete sich der Unabhängigkeitskampf, der Formen eines Bürgerkriegs annahm und 1988 in der Geiselnahme von 20 Gendarmen durch militante FLNKS-Aktivisten gipfelte. Die hatten sich in eine Grotte auf der Insel Ouvéa zurückgezogen, die durch französisches Militär nach ergebnislosen Verhandlungen gestürmt wurde. Dabei kamen zwei französische Militärs und 19 Kanak ums Leben. Die anschließenden Verhandlungen des sozialistischen Premiers Michel Rocard mit Vertretern der FLNKS gipfelten in einem Abkommen, in dem schrittweise Autonomie und das jetzige Votum über die Unabhängigkeit vereinbart wurden.
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