Strategiewechsel im Donbass

Bei den anstehenden Wahlen in den Volksrepubliken dürften die russischen Favoriten gewinnen

  • Denis Trubetskoy
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich sollten die nächsten Lokalwahlen in den beiden selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk gemäß dem Minsker Friedensabkommen nach ukrainischen Gesetz stattfinden. Dieser Schritt gilt in dem von prorussischen Separatisten besetzten Teil des seit April 2014 umkämpften ostukrainischen Donbass als wichtiger Teil der Reintegration des Gebiets in den ukrainischen Staat. Tatsächlich aber werden am Sonntag die Chefs der Volksrepubliken sowie deren Parlamente in Eigenregie gewählt. Gerade weil der Verstoß gegen das Minsker Abkommen offensichtlich ist, obwohl Donezk und Luhansk sowie auch Moskau dies bestreiten, waren die Wahlen mehrmals angekündigt und dann wieder verschoben worden.

Seitdem der langjährige Chef der Volksrepublik Donezk Alexander Sachartschenko Ende August im Zentrum von Donezk bei einem Bombenattentat ums Leben kam, haben sich die Separatisten endgültig auf den 11. November festgelegt. Sie begründen diesen Schritt unter anderem mit dem Vorwurf, die Ukraine sei für den Mord an Sachartschenko verantwortlich. Wer die Tat wirklich ausgeführt hat, ist nach wie vor unklar. Bemerkenswert ist allerdings, dass es in der Volksrepublik Luhansk Ende 2017 einen ähnlichen Machtwechsel gab. Damals trat der damalige Republikchef Igor Plotnizkij in Folge eines Attentats zurück.

Es ist davon auszugehen, dass sowohl der neue Luhansker Republikchef Leonid Pasetschnik als auch Denis Puschilin, der Sachartschenko an der Spitze in Donezk ersetzte, die Wahlen gewinnen. Für Moskau wäre das ein wünschenswertes Szenario. Sowohl Pasetschnik als auch Puschilin, der bereits früher die Volksrepublik Donezk bei den Verhandlungen in den belarussischen Hauptstadt vertreten hat, gelten im Gegensatz zur vorherigen Führung als deutlich kompromissbereiter. Sachartschenko und Plotnizkij waren beide Feldkommandeure und repräsentierten die konfrontativen Kräfte in der Phase des heißen Krieges. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass der Kreml sich längerfristig die Rückkehr des Donbass in die Ukraine im Rahmen einer Föderation wünscht.

Für dieses Ziel ist der 37-jährige Puschilin trotz seiner fragwürdigen Tätigkeit in der Vergangenheit, zum Beispiel bei der im postsowjetischen Raum legendären Finanzpyramide MMM, deutlich besser geeignet als der ermordete Sachartschenko, der immer wieder von der Eroberung der von Kiew kontrollierten drittgrößtenStadt im Donbass Mariupol sprach. Puschilin seinerseits hat eine Zusammenarbeit mit der Ukraine in Zukunft nie ausgeschlossen.

Die Frage ist allerdings, ob die Wahlen nicht eine weitere Eskalation auslösen. Das geschah nach den ersten Wahlen in den besetzten Gebieten im Herbst 2014, die das im Sommer unterzeichnete erste Minsker Abkommen zunichtemachten. Die daraufhin einsetzenden Kämpfe dauerten bis zum Februar 2015 und der Unterzeichnung von Minsk II, das vor allem auf Initiative Berlins verabschiedet wurde. Das Abkommen verhinderte die Ausdehnung des Krieges auf die gesamte Ostukraine. Mittlerweile kommt es fast nur entlang der Kontaktlinie zu Kampfhandlungen.

Eine grundsätzliche Konfliktlösung liegt jedoch in weiter Ferne, was die Zukunft des Minsker Verhandlungsformats unsicher erscheinen lässt. Die Wahlen im Donbass wurden zuletzt auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates besprochen, auf der die westlichen Staaten Russland aufgeforderten, auf die Unterstützung der Urnengänge zu verzichten. Der russische Vertreter Wassilij Nebensja konterte dies mit dem Argument, man solle doch das normale Leben auf dem besetzten Gebiet regeln. Moskau schließt derzeit nicht aus, die Wahlergebnisse anzuerkennen. Damit kann der ukrainische Präsident Petro Poroschenko kaum leben: »Diese sogenannten Wahlen werden eine neue Sanktionsspirale auslösen – und sie werden zeigen, dass die Geduld des Westens ihre Grenzen hat.«

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