- Politik
- Wahlrecht
Hier wie dort
Keine Wahl II: Einheitspartei in Eritrea
Bana Ghebrehiwet hat noch nie politisch gewählt. Sie würde das gern tun, am liebsten eine Partei, der Bildung und Gesundheit wichtig sind und die dafür sorgt, dass alle Menschen Arbeit haben. Aber Ghebrehiwet, 20 Jahre alt, kann nicht wählen, sie ist vor drei Jahren aus Eritrea nach Deutschland geflüchtet. Hier darf sie als subsidiär Geschützte nicht über das Parlament mitentscheiden. Aber auch in ihrer Heimat hätte sie keine Wahl. Eritrea ist eine Diktatur mit einer Einheitspartei, deren Chef gleichzeitig der Präsident des Landes ist. Isayas Afewerki regiert seit 1993 ohne Unterbrechungen, ist Chef der Legislative, Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Und er ernennt die Mitglieder des Regierungskabinetts.
Man darf davon ausgehen, dass er am liebsten Männer um sich schart. Aber vier von 17 Kabinettsposten liegen in weiblichen Händen. Ein Grund dafür ist nicht etwa, dass der Präsident die Gleichstellung der Geschlechter anstreben würde, sondern es sind eher die fehlenden Männer. Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Eritrea und dem Nachbarland Äthiopien kosteten nach Regierungsangaben 19 000 Eritreern das Leben, vorwiegend Männern im Kriegsdienst. Rund eine Million Frauen, Männer und Kinder verließen das Land, das ist etwa ein Drittel der eritreischen Bevölkerung. Durch den Krieg und Rüstungsausgaben wurde das Land weit zurückgeworfen, die Analphabetenrate liegt bei 35 Prozent, betroffen sind in erster Linie Frauen.
In Eritrea ist Frauen, sagt Ghebrehiwet, hauptsächlich eine Rolle im Haus zugedacht: »Der Mann geht arbeiten, die Frau putzt, wäscht und kocht, am besten zweimal am Tag.« Ein solches Leben wollte die junge Frau nicht führen - und floh. Frauen sollten so leben dürfen, wie sie es wollen, findet sie. »Und wählen dürfen«, sagt sie: »Frauen müssen doch die gleichen Rechte haben wie Männer. Alles andere wäre ungerecht.«
Ghebrehiwet will in Deutschland bleiben, Krankenschwester werden, irgendwann eine Familie gründen. Und sie will wählen, eine Partei mit einem Profil der sozialen Gerechtigkeit. Ob sie es jemals darf, in Deutschland oder Eritrea, ist unklar.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.