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Am Tropf
Alina Leimbach über Jens Spahns Pflegevorstöße
Krankenpfleger*innen, die aus Überarbeitung weinen. Die aus Loyalität zu den Patient*innen und den Kolleg*innen dann doch wieder die nächste und die wieder nächste Überstunde schieben und spontan einspringen, weil sonst alles zusammenbrechen würde - das alles ist Normalität. Denn während die Zahl der behandelten Fälle im Krankenhaus seit Anfang der neunziger Jahre um mehr als 20 Prozent gestiegen ist und vermehrt betagte Patienten mit erhöhtem Pflegebedarf ins Krankenhaus kommen, wurden zwischen 2002 und 2007 rund 33 000 Pflegearbeitsplätze gestrichen. Umso schwerer ist es für die Beschäftigten, die Arbeit niederzulegen. Dennoch: In den letzten Jahren haben Pfleger*innen sich genau dazu durchgerungen, es gab erstmals Pflegestreiks.
Die Politik kann diese enormen Schieflagen nicht länger ignorieren. Im neuen, am Freitag verabschiedeten Pflegepersonalstärkungsgesetz des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) stellt dieser nun nach Jahren des politischen Wegschauens erste, zaghafte strukturelle Weichen. Ausgerechnet Spahn, seines Zeichens konservativer Hardliner und Marktfan, entschärft nun in Teilen ein ab 2003 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung eingeführtes, verheerendes Instrument - die Fallpauschalen. Sie werden als ein wichtiger Treiber für den enormen Kostendruck in den Krankenhäusern gesehen. Denn statt pro Zahl der tatsächlichen Behandlungstage wurde seither den Krankenhäusern ein fixes Budget pro »Fall« vorgeschrieben. Das musste reichen, Komplikationen hin oder her. Gereicht hat es natürlich nicht und so wurde an der Pflege gespart.
Ganz verschwinden die Pauschalen nicht, leider. Ab 2020 werden aber zumindest die Pflegekräfte herausgerechnet und über ein gesondertes Budget bezahlt. Auch sollen Tarifsteigerungen komplett und die Ausbildungskosten neuer Pfleger*innen im ersten Jahr nun über die Krankenkassen refinanziert werden. Soweit, so gut. Doch selbst wenn ausgerechnet ein CDUler in Teilen ein Relikt der Ära Rot-Grün entsorgt, die strukturellen Vorgaben müssen nun auch inhaltlich gefüllt werden. Wie das angekündigte »krankenhausindividuelle Budget« am Ende bemessen wird und ob es sich tatsächlich am Bedarf ausrichtet - das muss Spahn noch zeigen. Genau das wäre wichtig. Zudem hat der Minister, der selbst von einem »ersten Schritt« spricht, zwei Baustellen fast ganz ausgespart. In der Altenpflege gibt es gerade einmal 13 000 zusätzliche Stellen - die ambulante Pflege wird einfach vergessen. Heiße Eisen, wie bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen, werden mit dem Gesetz gar nicht angefasst. Ob Pflegekräfte angesichts dessen künftig nicht mehr weinen müssen - das ist fraglich.
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