• Politik
  • Haushaltsstreit mit Italien

Zwischen Härte und Dialogbereitschaft

Italiens Regierung ist zunehmend uneins, wie man mit den EU-Forderungen im Haushaltstreit umgehen soll

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich ist die Neuverschuldung von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie es Italiens Haushalt für 2019 vorsieht, keine Verletzung der von Brüssel auferlegten Grenze. Diese liegt bei drei Prozent, und Nachbar Frankreich steht im kommenden Jahr deutlich näher an dem Limit als das Belpaese.

Beunruhigend ist nur, dass Italien bereits mit 131 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldet ist und seit mehr als einem Jahrzehnt einen Schuldenberg von inzwischen 2,3 Billionen Euro vor sich herschiebt. Eine Summe, angesichts derer die Vorschläge zum Schuldenabbau aus Rom geradezu lächerlich erscheinen müssen. Jüngster Vorschlag von Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria ist nun die Privatisierung von Staatseigentum. Tria verspricht sich davon Einnahmen von 18 Milliarden Euro. Rein rechnerisch bräuchte das Land - vorausgesetzt, es wäre überhaupt soviel zu Privatisierendes vorhanden - in diesem Tempo etwa 128 Jahre, um die Schulden zu tilgen. Keiner der heute aktiven Politiker wäre damit je an einem solchen Prozess beteiligt - und die Geschichte zeigt, dass Italien seit dem Kriegsende 64 Regierungen verschlissen hat. Die Buchhalter in Brüssel werden sich die »nachgebesserten« Vorschläge der aktuellen Regierung genau anschauen müssen, um zu entscheiden, wie mit Roms Haushalt zu verfahren sei.

Das Problem, mit dem sich die Koalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der ultrarechten Lega auseinandersetzen muss, ist, wie sich die vollmundigen Wahlversprechen einhalten lassen. Ein sozial abfederndes Grundeinkommen von 780 Euro monatlich sowie vorzeitiger Rentenantritt bei voller Auszahlung hören sich im Plan zwar gut an, fraglich bleibt aber doch, wie dies ohne Neuverschuldung zu finanzieren ist. Gleiches gilt für die angekündigte Sanktionsmilderung für Steuerhinterzieher oder Erbauer nicht genehmigter Häuser, für mehr Investitionen ins Bildungssystem und für die kostenlose Bereitstellung von Kontrazeptiva für junge Menschen bis 26 Jahre. All dies gehört zum Katalog von insgesamt 4000 Zusätzen zum aktuellen Haushaltsplan, auf die sich die Regierung geeinigt hat. Hinzu kommt, dass Minister Tria von Brüssel mehr Flexibilität für Sonderausgaben wie die Rekonstruktion der eingestürzten Eisenbahnbrücke von Genua, wo 43 Menschen ihr Leben verloren, oder für die Schadensbeseitigung verschiedener Naturkatastrophen einfordert.

Man wolle durchaus selbst zur Finanzierung des Haushalts beitragen, erklären die Verantwortlichen und schlagen dabei unter anderem eine Steuererhöhung auf zuckerhaltige Getränke vor. Wie jedoch die eigene Wirtschaft effektiv und zukunftsfähig angekurbelt und das Bruttoinlandsprodukt dadurch erhöht werden soll, beantwortet derzeit in Rom niemand.

Allerdings war bislang aus Brüssel kein Einlenken zu ersehen. Und in der Eurogruppe, die an diesem Montag auch über Streit um den italienischen Haushalt berät, dürften sich die Sympathien ebenfalls in Grenzen halten. Im Gegenteil: Frankreich und Deutschland stellten bereits Überlegungen an, ob Rom im Falle eines anhaltend harten Kurses gegen die Auflagen der EU-Kommission nicht Subventionen und Mittel aus den Unionstöpfen gekürzt oder gar gestrichen werden sollten.

Diese deutliche Antwort von wichtigen Partnern in der Eurogruppe führte zu Uneinigkeit innerhalb der Koalitionsregierung. Lega-Chef Matteo Salvini tritt weiter für einen harten Kurs an. Vizepremier Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung hingegen plädiert für eine Verschiebung einiger Haushaltsmaßnahmen wie der angekündigten Strafminderung für Steuerbetrüger. Und der Minister für Beziehungen zur EU, Paolo Savona, erst einer der schärfsten Verfechter eines harten Kurses gegenüber der Union bis hin zum Austritt, lenkt nun ein und spricht sich für Diskussion mit Brüssel aus: »Die Lage ist sehr ernst«, erklärte der 82-jährige Wirtschaftsprofessor.

Von einer einheitlichen Linie kann in Rom derzeit keine Rede sein. Parallel zur Konfrontation mit der EU tobt auch der Konkurrenzkampf zwischen den Koalitionspartnern. Während die Sterne-Bewegung ihren Zenit überschritten zu haben scheint, legt die Lega in der potenziellen Wählergunst stetig zu. Fast kann man den Eindruck gewinnen, Matteo Salvini zielt lege es auf eine innenpolitische Konfrontation an, um zu vorgezogenen Neuwahlen zu gelangen.

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