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Die Druckmacher
Der Unternehmerverband Druck und Medien will arbeitsrechtlich um Jahrzehnte zurück - oder gar keine Tarifverträge.
Es ist keine »normale« Lohnrunde mit Warnstreiks, nächtlichem Verhandlungsmarathon und einem Kompromiss. In der aktuellen Tarifrunde für die deutsche Druckindustrie zeichnet sich ein größerer Konflikt ab. Tarifflucht greift um sich. Am Donnerstag endete eine neue Verhandlungsrunde ergebnislos.
Auslöser einer Zeitenwende ist die Kündigung des Manteltarifvertrags (MTV) für die Branche durch den Arbeitgeberverband Bundesverband Druck und Medien (BVDM). Gewerkschafter im ver.di-Fachbereich 8 (Medien) gehen davon aus, dass der BVDM diesmal aufs Ganze gehen, die Lohnkosten deutlich senken und die Arbeitsbedingungen erheblich verschlechtern will. Dem Verband schwebt eine Verlängerung der Arbeitszeit auf bis zu 40 Wochenstunden, eine massive Reduzierung der Regeln für die Maschinenbesetzung sowie eine Kürzung von Lohnzuschlägen, Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld vor.
Damit wären Errungenschaften gefährdet, die ältere Generationen in zähen Arbeitskämpfen erreicht haben. Dazu gehören hohe Lohnzulagen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit, also für atypische Arbeitszeiten etwa bei der Zeitungsproduktion. Eine Streichung würde den Betroffenen schlagartig Lohnverluste in zweistelliger Höhe bescheren.
Von großer Bedeutung ist die im MTV festgeschriebene 35-Stunden-Woche. 1984 gelang der damaligen IG Druck und Papier und der IG Metall nach wochenlangem Streik ein Einstieg in die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Manche Medien sprachen von einem »Anschlag auf die unabhängige Presse«, Kanzler Kohl bezeichnete die 35-Stunden-Woche als »dumm und töricht«. Doch die Gewerkschafter blieben standhaft. Die »35« stand Mitte der 1990er Jahre endgültig im MTV. Auch wenn der MTV die Druckereibetriebe vor »Schmutzkonkurrenz« schützen soll, nahmen im Laufe der Jahre die Begehrlichkeiten von Firmen zu, sich durch Tarifflucht Konkurrenzvorteile und höhere Renditen zu verschaffen. Längst bietet der BVDM den Mitgliedsfirmen eine »OT-Mitgliedschaft« an - also Beratung und Serviceleistungen »ohne Tarifbindung«.
Zwar werden immer weniger Versandhauskataloge gedruckt und klagen Zeitungsverlage seit Jahren über einen Auflagenschwund und Rückgang von Werbeumsätzen. Doch die allermeisten Betriebe vermelden nach wie vor steigende Vertriebserlöse, stabile Umsätze und hohe Umsatzrenditen. So ist es offensichtlich nicht drohende Insolvenz, die finanziell gut aufgestellte Zeitungsverlage zum Ausstieg ihrer Drucksparte aus der Tarifbindung treibt. Markante aktuelle Beispiele sind die »Augsburger Allgemeine und die Frankfurter Societäts-Druckerei (FSD). Die traditionsreiche FSD ist als Hausdruckerei der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) groß geworden und wurde erst im vergangenen Frühjahr von der Zeitungsgruppe Ippen (München) und der Gießener Verlegerfamilie Rempel («Gießener Allgemeine») übernommen. «Die neuen Eigentümer wollen sich dem demokratischen Aushandeln von Tarifverträgen entziehen und stattdessen nach Gutsherrenart die Löhne und Arbeitsbedingungen diktieren», kritisiert Manfred Moos von ver.di Hessen. Auch hessische Politiker wie SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel und der Bundestagsabgeordnete Achim Kessler (LINKE) verurteilen die Tarifflucht der FSD und solidarisieren sich mit ver.di und der FSD-Belegschaft. Hier wie auch in anderen Betrieben mit hohem gewerkschaftlichem Organisationsgrad zeichnet sich ein langwieriger Arbeitskampf ab. In den vergangenen Monaten registrierte ver.di in der Branche zahlreiche Beitritte.
Rationalisierungswellen, Digitalisierung, Betriebsschließungen und Pressekonzentration nagen seit Jahrzehnten an der Zahl der Betriebe und Arbeitsplätze. Im Jahr 2000 zählte die Branche noch rund 220 000 Beschäftigte, derzeit sind es nur noch gut 134 000. Von den bundesweit knapp 8000 Betrieben haben nur rund 650 eine Belegschaftsstärke von über 50 Beschäftigten.
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