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Ungleiches Deutschland
Linksfraktion diskutierte die Verletzung sozialer Menschenrechte und ihre Folgen
Es war eine Nachricht, die den meisten Medien keine Erwähnung wert war: Im Oktober hat der Sozialausschuss der Vereinten Nationen die Bundesrepublik in einem Staatenbericht zur Umsetzung des UN-Sozialpakts eindringlich zur Erfüllung ihrer mit dessen Ratifizierung 1966 eingegangenen Pflichten aufgefordert. Das Gremium sieht insbesondere bei der Bereitstellung von ausreichend bezahlbarem Wohnraum und bei der Gewährleistung eines angemessenen Existenzminimums enorme Defizite. Und es hat das Sanktionsregime gegen Sozialleistungsbezieher als »Zwang« verurteilt, nicht existenzsichernde Jobs anzunehmen.
Auf einer Veranstaltung der Linksfraktion im Bundestag unter dem Titel »›Ungleichland‹ Deutschland« am Freitagnachmittag in Berlin standen die im Pakt deklarierten sozialen Menschenrechte und Wege zu ihrer Durchsetzung im Mittelpunkt. Fachleute, die an der Erarbeitung des Reports des UN-Ausschusses mitgewirkt haben, trugen ihre Lageeinschätzungen ebenso vor wie Sozialwissenschaftlerinnen und der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider. Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht und »Freitag«-Herausgeber Jakob Augstein hatten ihre Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Die LINKE-Bundestagsabgeordnete Żaklin Nastić berichtete, man habe sich lange bemüht, einen Vertreter des Bundesarbeitsministeriums zur Teilnahme am Abschlusspodium zu bewegen - ohne Erfolg. Immerhin: Als Vertreterin des linken Flügels der SPD war Gesine Schwan gekommen. Sie kritisierte die »neoliberale Wende« ihrer Partei.
Die Konzentration des Reichtums der Bundesrepublik auf wenige Häupter hat sich seit der Einführung des Arbeitslosengeldes II 2005 drastisch verschärft. Das Vermögen der 1000 Reichsten ist allein 2017 gegenüber dem Vorjahr um 13 Prozent auf unvorstellbare 1,2 Billionen Euro gestiegen. Zugleich, darauf wies die Vizefraktionschefin Sevim Dağdelen hin, seien 15 Millionen Menschen arm, unter ihnen 4,4 Millionen Kinder.
Der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch forderte sowohl von der eigenen Partei als auch von möglichen Verbündeten »Mut zur Umverteilung«. Der Theologe und Sozialethiker Franz Segbers zeigte sich überzeugt, dass UN-Dokumente wie die vor 70 Jahren, am 10. Dezember 1948, unterzeichnete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und der Sozialpakt »Instrumente der Schwächeren« seien. Durch deren Existenz seien sie in der Lage, etwas einzufordern. Segbers monierte, die Mächtigen in Politik und Gesellschaft behaupteten mit Blick auf die im UN-Vertrag definierten Grundrechte, diese seien international nicht »durchsetzungsfähig«. Wenn es jedoch um Ansprüche der Konzerne gehe, würden diese immer global durchgesetzt.
Der Nürnberger Politikwissenschaftler Michael Krennerich stellte fest, es sei für viele noch immer »ungewohnt«, »Sozialpolitik mit Menschenrechten in Verbindung zu bringen«. Tatsächlich ist es auch in der UNO noch nicht allzu lange Konsens, dass nicht nur Werte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit, sondern auch Existenzsicherung und ein Dach über dem Kopf Menschenrechte sind. Der 1966 von den UN-Mitgliedsstaaten unterzeichnete »Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte« trat erst zehn Jahre später in Kraft. Die sozialen Rechte gelten denn auch als »Menschenrechte der zweiten Generation«. Dabei haben bereits Karl Marx und Friedrich Engels festgestellt, dass gerade sie Voraussetzung für die Wahrnehmung politischer, juristischer und kultureller Rechte sind.
In der Debatte räumte Fraktionschef Bartsch ein, das Ausmaß der Umverteilung nach oben - und die daraus resultierende Rechtsentwicklung sei auch Folge der Schwäche der gesellschaftlichen Linken wie auch seiner Partei. Vermeintliche Ausrutscher wie die Aussage von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), die Migration sei »die Mutter aller Probleme«, seien kalkuliert. Sie dienten der Ablenkung von entscheidenden Problemen. Weder die mit dem Betrug der Autokonzerne bei den Abgaswerten verbundene Schädigung der Gesundheit Zehntausender noch die Unterfinanzierung der Kommunen hätten irgendetwas mit Zuwanderung zu tun, betonte Bartsch. Die Linke müsse deshalb »andere Debatten führen« als die um den richtigen Umgang mit Migration. Stattdessen müsse sie sich auf die Forderungen konzentrieren, in denen Einigkeit herrsche: Ablehnung jeglicher Rüstungsexporte und aller Kampfeinsätze der Bundeswehr sowie jeder Asylrechtsverschärfung einerseits und jeder Verschlechterung bei Sozialleistungen andererseits.
Die LINKE, mahnte Bartsch, brauche zudem ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Dies könnte man als Kritik an den vielen Zugeständnissen in Regierungsbeteiligungen auf Länderebene verstehen. Weiter betonte Bartsch, Rechte müssten auf der Straße erkämpft werden, Politik im Parlament reiche nicht aus.
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