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Zwischen den Fronten
Hermann Hesse: Seine Briefe von 1933 bis 1939 offenbaren Persönlichstes
Im Umgang mit Briefen zeigt sich der Mensch. Hermann Hesse verbat sich Besuche mittels Schild an der Gartenpforte, aber Briefe, auch die ihm völlig fremder Menschen, waren ihm wichtig. Fast alle beantwortete er. Lesen und Schreiben begann für ihn, der nur in wenigen kurzen Phasen seines Lebens Tagebuch führte, immer beim Brief. Ein Medium, in dem er sich selbst - und anderen - Rechenschaft gab. Nirgendwo sonst zeigt sich der Bekenner, der Hesse als Autor war, so ungeschützt wie hier. Etwa 44 000 Briefe von seiner Hand sind erhalten.
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Hermann Hesse: In den Niederungen des Aktuellen. Die Briefe 1933–1939.
Hg. v. Volker Michels. Suhrkamp, 750 S., geb., 58 €.
Diese Anzahl sprengt jede Ausgabe. Wäre jeder Brief nur eine Seite lang (die meisten sind viel länger), dann wären dies 44 Briefbände à 1000 Seiten! Die wird es wohl nicht geben, obwohl sie zweifellos lesenswert wären. Mir genügte es schon, wenn die im Ganzen zwar vorliegenden, jedoch immer noch unveröffentlichten - den Lebensnerv Hesses berührenden - Briefwechsel mit den drei Söhnen Bruno, Heiner und Martin nun endlich erscheinen würden, und zwar vollständig. So viel Werktreue sollte Suhrkamp einem seiner wichtigen Autoren gegenüber eigentlich selbstverständlich sein. Denn Hesses Briefe an die Söhne sind ungewöhnlich offen und drängend. Er, der die Kinder zurückließ, als er nach dem ersten Weltkrieg eigene Wege gehen wollte, versucht nun - und das ist typisch für ihn -, sie schreibend wieder an sich zu binden, aus der Ferne Nähe neu herzustellen. An Helene Welti schreibt er am 14.1.1933: »Heiner, mein zweiter Sohn, ist meine Sorge.«
Auch bei der nun auf zehn Bände unter dem Titel »Die Briefe« angelegten Ausgabe scheint das Dilemma unvermeidlich. Nicht alle Briefe können Platz finden. Auslassungszeichen zeigen an, wo der Herausgeber etwas wegließ, was er notgedrungen für entbehrlich hielt. Der jetzt vorliegende hochbrisante fünfte Band der Ausgabe umfasst den Zeitraum von 1933 bis 1939: eine für Hesse dramatische Lebensphase. Er befestigt sich bürgerlich, was ihm Unbehagen bereitet. 1931 erfolgt der Umzug in die Casa rossa in Montagnola, die ihm sein Mäzen H. C. Bodmer bauen lässt. Er heiratet zu dritten Mal - Ninon Dolbin. Kurz darauf stellt die Machtübernahme der Nazis in Deutschland seine Existenz als Autor grundsätzlich infrage. Seit 1924 wieder Schweizer Staatsbürger, waren jedoch sein Verlag und die meisten seiner Leser in Deutschland. Die Buchrechte Hesses verblieben beim Fischer Verlag, obwohl ein Teil der Titel nicht mehr aufgelegt werden durfte. Hesse saß in der Klemme: Als Schweizer hatte er keinen Anlass zu emigrieren, war sogar gesetzlich zu politischer Neutralität verpflichtet. Aus seiner antifaschistischen Gesinnung machte er dennoch keinen Hehl, wenn nicht publizistisch, so doch im praktischen Handeln. Aber sein Schweigen provozierte Kritik von allen Seiten. Der NS-Autor Will Vesper nennt ihn einen »Verräter an unserem Volkstum«, für Teile der Emi-granten-Presse (so »Das Neue Tage-Buch« in Paris) ist er ein Nazi-Kollaborateur.
Für viele politische Emigranten aus Deutschland führte der Weg zuerst zu Hesse nach Montagnola. Aber die Situation bleibt paradox, wie dieser notiert: »Den halben Tag muss ich mich für die armen Emigranten bemühen, um Geld, um Aufenthaltserlaubnis, um Versorgung halbverhungerter Kinder (das Elend ist oft grauenhaft), und die andere Hälfte des Tages kann ich mich dann mit dem beschäftigen, was dieselben Emigranten mir als giftige Antwort zurückschicken.« - Es ist die Zeit, in der Hesse an seinem »Glasperlenspiel« schreibt, zehn Jahre dauert die Arbeit. Dieses Werk wird zu seinem geistigen Exil.
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