Werbung
  • Kultur
  • Bücher zum Verschenken

Es begann mit »Druschba«

Franziska Lindner über ein Kapitel deutsch-russischer Wirtschaftsbeziehungen

  • Gerd Bedszent
  • Lesedauer: 3 Min.

Es steht schlecht um die Beziehungen zwischen den Staaten der Europäischen Union und Russland. In den großen Medien hierzulande wird selten thematisiert, dass die EU und insbesondere Deutschland jedoch einen Großteil ihres Bedarfes an fossilen Energieträgern aus Russland bezieht. Darauf nun macht die Politologin Franziska Lindner eindringlich aufmerksam. Sie entknäult verdienstvollerweise das komplizierte Geflecht von geopolitischem Kräftemessen und pragmatischer Wirtschaftspolitik.

• Buch im nd-Shop bestellen
Franziska Lindner: Die deutsch-russischen Energiebeziehungen. Kontinuitäten und Brüche im geopolitischen Umfeld.
PapyRossa, 103 S., br., 14 €.

Die Analyse setzt in den 1960er Jahren ein, mit dem Bau der Pipeline »Druschba«, über die bekanntlich Rohöl aus den sibirischen Lagerstätten nach Polen und in die DDR floss. Auch die westeuropäische Wirtschaft war durchaus an der gewinnträchtigen Lieferung von Bauteilen für diese Trasse sowie an dadurch möglichem Import von billigem sowjetischem Öl interessiert, musste sich unter den Bedingungen des Kalten Krieges aber dem politischen Druck der USA beugen. In den 1970er Jahren allerdings beteiligte sich die bundesdeutsche Wirtschaft am Bau weiterer Trassen und erhielt im Gegenzug sibirisches Erdgas. Ein weiterer von der US-Regierung verhängter Boykott stieß in den 1980er Jahren auf den energischen Widerstand der meisten westlichen Regierungen, die damals noch wagten, ihre Interessen über geopolitisch motivierte Diktate der USA zu stellen.

Der größte Teil des Buches behandelt die politischen und Wirtschaftsbeziehungen zwischen Westeuropa und dem postsowjetischen Russland. Die Autorin schildert den rasanten ökonomischen Niedergang Russlands in den 1990er Jahren sowie die Transformation der postsowjetischen Ölindustrie in Privatunternehmen. Die Beziehungen zwischen diesen neugegründeten Firmen und der westeuropäischen Wirtschaft nahmen, befreit von ideologischem Ballast, schnell den Charakter ganz normaler Geschäftspartnerschaften an.

Wie die Autorin schreibt, war allerdings ein Teil der auf dem russischen Energiemarkt tätigen Unternehmen im Zuge der Privatisierungsorgien unter Jelzin in die Hände westlicher Großunternehmen geraten. Diese investierten in die häufig veralteten sowjetischen Anlagen und erzielten dann Riesengewinne. Auf die Preispolitik dieser Unternehmen hatte die russische Regierung keinen nennenswerten Einfluss. Immerhin gelang es dann der Regierung Putin, hauptsächlich gestützt auf die ihr verbliebenen Teile der Energiewirtschaft, aus der wirtschaftlichen Talsohle wieder herauszukommen. Die Autorin zitiert den Ex-Bundeskanzler Schröder aus dem Jahre 2006 »Russland ist der wichtigste Energielieferant für Europa und … will das auch bleiben.«

Das Buch liefert in verständlicher Form zahlreiche Details zu den doch recht komplizierten Besitzverhältnissen in der russischen Energiewirtschaft, über Strategien der russischen Regierung, über Vertragsbeziehungen, geplante oder in der Umsetzung befindliche Großprojekte der Gegenwart - von denen die umstrittene Ostseepipeline ja nur eine ist. Die Autorin beschreibt auch, wie die russische Regierung es - gestützt auf diesen ölfinanzierten wirtschaftlichen Aufschwung - es vermocht hat, einen Teil des verlorenen geopolitischen Einflusses zurückzugewinnen. Genau diese Fülle von Einzelheiten macht das Buch interessant und lesenswert.

Die USA erscheint in Teilen des Buches allerdings ausschließlich als Störenfried, der immer wieder versucht, dem Grunde nach vernünftige Wirtschaftsstrategien politisch zu unterminieren. Dass die Geopolitik der USA ebenfalls von ökonomischen Faktoren diktiert wird, dass hinter vordergründig politischen Auseinandersetzungen Wirtschaftskriege von Unternehmensgruppen stecken, dürfte außer Frage stehen. Genau dazu findet sich bei der Autorin allerdings nur wenig. Es ist jedoch auch nicht Thema dieses Buches.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.