Signalwirkung über Bergbau hinaus

In Südafrika berufen sich lokale Bewohner gegen Konzerne auf Gewohnheitsrecht

  • Tadzio Müller und Andreas Bohne, Johannesburg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es ist unser Land, und wir haben das Recht, ›Nein‹ zu sagen, wenn traditionelle Autoritäten oder die Regierung kommen und sagen, wir wollen hier ›Bergbau‹ betreiben.« Mercia Andrews, südafrikanisches Urgestein der Weltsozialforen und eine der treibenden Kräfte hinter dem Thematischen Sozialforum zu Bergbau und Extraktivismus, das diesen November in Johannesburg stattfand, erzählt eine klassische David-gegen-Goliath-Geschichte. Sie verweist auf den Kampf einer Bewegung in der südafrikanischen Provinz Eastern Cape. Dort versucht Transworld, ein Tochterunternehmen des australischen Ressourcengiganten Mineral Commodities, seit über einem Jahrzehnt, eine der größten Minen in einem an Bergbauprojekten nicht armen Land zu errichten. Riesige Mengen des wertvollen Metalls Titanium wecken Begehrlichkeiten. Um sich dagegen zu wehren, gründeten Bewohner*innen des Dorfes Xolobeni das Amadiba Crisis Committee.

Die Bewohner Xolobenis berufen sich auf das südafrikanische Recht: Die 1994 verabschiedete Verfassung des damals noch als »Regenbogennation« gefeierten Landes räumt den traditionellen oder Gewohnheitsrechten lokaler Gemeinschaften potenziell den gleichen Rang ein, wie dem »modernen« Recht, das von den Kolonialisten niedergeschrieben wurde. Stellt sich die Frage: Welches Recht ist das stärkere?

In einem überraschenden und wohl auch wegweisenden Urteil entschied das Verfassungsgericht Ende Oktober 2018, dass das Recht zur Ausbeutung unterirdischer Mineralvorkommen nicht automatisch den Rechtsanspruch der Besitzer*innen des Landes übertrumpft, unter dem die Rohstoffe liegen. Dem radikalen Charakter des Urteilsspruchs entsprechend, leitete Richter Xola Petse die Urteilsbegründung mit einem Verweis auf den Vordenker der Entkolonialisierung Frantz Fanon ein: Die aktuellen Vertreibungen zugunsten von Minenunternehmen seien als weiterführende koloniale Akte zu sehen. Das Urteil hatte eine starke Signalwirkung, auch für das Amadiba Crisis Comittee. Deren Klage wurde am 22. November ebenfalls positiv beschieden, mit einer im Prinzip identischen Begründung: Ihr Gewohnheitsrecht übertrumpfe das »moderne« Recht, auf das sich die Bergbaufirma berief.

Der Kampf in Xolobeni und andernorts, wo »sich Gemeinden organisieren und das Recht einfordern, unser eigenes Entwicklungsmodell zu wählen«, wie Mercia Andrews betont, ist jedoch noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil: Er nimmt Schwung auf und hat Mercia Andrews und ihre Mitstreiter*innen dazu motiviert, das Thematische Sozialforum zu Bergbau und Extraktivismus zu organisieren. Der Unterschied zwischen diesem Forum und den viel größeren, thematisch vollkommen offenen Weltsozialforen, liegt darin, dass dieses Forum nicht nur ein »offener Raum« sein will. Hier soll explizit der Grundstein für eine globale Kampagne gelegt werden, eine Kampagne für das Recht von Gemeinden, »Nein zu sagen« und ein eigenes Entwicklungsmodell zu verfolgen. Eine Position, welche ebenso die kritischen Erfahrungen der lateinamerikanischen Bewegungslinken der vergangenen Jahre aufnimmt, als auch die Kämpfe von Bewegungen aus dem südlichen Afrika, gegen die neoliberale und dem kapitalistischen Extraktivismus frönende Politik der ehemaligen Befreiungsbewegungen.

Darüber hinaus sieht Mercia Andrews das Recht, Nein zu sagen, nicht bloß als ein Werkzeug gegen Bergbauprojekte: »Es kann uns auch mit denen verbinden, die gegen ein bestimmtes Landwirtschaftsmodell kämpfen, mit denen, die gegen genmanipuliertes Saatgut kämpfen. Es verbindet uns mit der Frauenbewegung, die sagt: Dies ist mein Körper, ich bestimme darüber. Es verbindet verschiedene Kämpfe im Süden, schafft aber auch Süd-Nord-Verbindungen.«

Tadzio Müller und Andreas Bohne nahmen für die Rosa-Luxemburg-Stifutng am Sozialforum zu Bergbau teil.

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