Weihnachten ist falsch

Weihnachten ist falsch. Weihnachten ist Ideologie, und wir sollten aufhören, da mitzumachen

  • Paula Irmschler
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor vier Jahren, als Pegida auf den Plan trat, hat das wirklich kurz Hoffnung in mir ausgelöst, nur in die andere Richtung. Sie waren so fein pessimistisch, sprachen von Unterwanderung, dem Ende von allem, was deutschkulturell von Bedeutung sei, und ich dachte nur: Wo kann ich da unterschreiben? Ich wollte vieles von dem, wovor sie Angst hatten. Ich wollte Wintermärkte, Winterferien, Winterbäume und in viele Wintermänner reinbeißen. Leider hatten sie Unrecht, und das Abendland ist immer noch nicht untergegangen.

Jetzt geht die Scheiße also wieder los: Menschen verherrlichen das Rumstehen in der Kälte, verbrennen sich an vier Euro teurem Gewürzwein die Zunge, schmücken Fenster mit hässlichstem Kitsch und wollen, dass man irgendwohin kommt, wo dieser Irrsinn auch noch albern symbolisch aufgeladen wird. Dabei ist mir die Kapitalisierung von Weihnachten völlig egal, weil ich Kapitalismus und Weihnachten unabhängig voneinander verachte. Doch beide Unrechtssysteme kennen ganz viele Ausreden und Ausnahmen. Weihnachtskritik hört meist zum ersten Advent auf und alle tun so, als könnten sie nicht anders, seien geknebelt und geknechtet, als sei Weihnachten eine Naturgewalt, und sie müssten sich ergeben. Auch der größte Atheist wird Weihnachten zum Lügner. Wie oft hört man das ganze Jahr Leute faseln, Religion sei zu bekämpfen, und dann sitzen sie brav am 24. Dezember neben dem Weihnachtsbaum. Anschließend schreiben sie Freunden, wie nervig alles ist, welche rassistische Äußerung eben wieder gefallen ist, wer gerade wieder heult und dass immer wieder die gleichen ollen Kamellen aufgefahren würden. Geniale Idee: Nicht hingehen.

Abgebügelt

Paula Irmschler ist freie Autorin und kümmert sich an dieser Stelle alle 14 Tage um Dinge, denen man nur mit Heißdampf begegnen kann. Die Kolumne unter: dasND.de/abgebuegelt

Weihnachten ist falsch. Weihnachten ist Ideologie, und wir sollten aufhören, da mitzumachen. »Aber die Familie«, werden viele sagen. Doch mit Familie hat Weihnachten nichts zu tun, im Gegenteil, Weihnachten ist toxisch für Familien. Der Druck, der auf diesen Tagen liegt, führt nie zu schönen Familienmomenten. »Aber die Kindheit«, werden viele lallen. Tja, es ist nun mal so: Eure Kindheit ist vorbei, und sie war auch nicht so geil, wie ihr glaubt. Weihnachten behandelt man sich gegenseitig wieder wie Eltern und Kinder, obwohl man längst erwachsen ist, und wird dennoch niemandem gerecht. Weihnachten ist nichts als Stress, eine Verletzung, die ihr euch und anderen bereitwillig jedes Jahr zufügt, ein unpersönliches Geschenk, das in den Müll gehört. Es ist nicht selten auch Ausbeutung von Frauen, die sich brav um alles kümmern sollen und dann auch noch den ganzen Ärger auffangen müssen. Macht es anders: Trefft euch einfach so, schenkt euch irgendwann etwas oder lasst es bleiben, macht euch Kerzen an. Und bekocht gefälligst endlich mal eure Mütter.

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