Zehntausende für Kohleausstieg auf der Straße

Die Bundesregierung fährt mit politisch leeren Händen zur Weltklimakonferenz in Katowice

  • Susanne Schwarz
  • Lesedauer: 3 Min.

Anlässlich der am Sonntag begonnenen Weltklimakonferenz im polnischen Katowice gingen in Köln und Berlin am Wochenende Zentausende auf die Straße. Die Veranstalter, ein Netzwerk aus Umwelt-, Entwicklungs- und Kirchenorganisationen, sprachen von 16 000 Menschen vor dem Bundeskanzleramt in der Hauptstadt und 20 000 in Köln an der Deutzer Werft. Die Polizei schätzte deutlich weniger Teilnehmer. Sie kam auf »mehr als 5000« Menschen in Berlin und etwa 9000 in Köln.

Die diesjährige Weltklimakonferenz gilt als die wichtigste seit der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens vor drei Jahren. Erstens soll in Katowice endlich ein Ergänzungswerk zu dem Abkommen fertig werden, das zum Beispiel die Details dazu klärt, wie die Staaten ihre Fortschritte messen und transparent machen müssen. Zweitens sollen die Grundlagen dafür gelegt werden, dass die Staaten ihre nationalen Klimaziele in zwei Jahren offiziell erhöhen. Die bisherigen Ziele reichen selbst bei vollständiger Erfüllung nicht aus, um das Paris-Abkommen einzuhalten.

Dass Deutschland auf dem Verhandlungsparkett eine gute Figur machen wird, bezweifeln die Initiatoren der Anti-Kohle-Demonstration. »Auf der COP 24 in Kattowitz müssen die internationalen Leitplanken für erhöhte Klimaschutzambitionen festgezurrt werden«, sagte Stefanie Langkamp von der Klima-Allianz Deutschland. »Dies muss Hand in Hand mit einer Paris-kompatiblen Erhöhung der nationalen Klimaschutzziele gehen und Maßnahmen, wie einem raschen Einstieg in den Kohleausstieg, um diese zu erreichen.«

Jedes Land darf selbst festlegen, zu wie viel Klimaschutz es bereit ist. Die Hoffnung ist, kurz gesagt: Sozialer Druck zwischen den Staaten wird es richten. Wenn aber mächtige Länder nicht mitmachen und so möglicherweise auch das Nichtstun anderer legitim erscheinen lassen, funktioniert der weiche Ansatz nicht.

Tatsächlich sieht es nicht so aus, als hätte Deutschland etwas in petto, um Schwung in diesen Prozess zu bringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird die Bundesrepublik wohl nicht einmal persönlich in Katowice vertreten. An ihrer Stelle muss Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) den internationalen Partnern erklären, dass Deutschland immer noch keinen Plan für einen Kohleausstieg hat, weil die Kohlekommission ihren Zeitplan nicht einhält. Und dass Deutschland sein Ziel um acht Prozentpunkte verfehlen wird, bis 2020 mindestens 40 Prozent weniger CO2-Emissionen zu verursachen als noch 1990.

Wie es darum steht, hatte kürzlich auch der Klimaschutzbericht 2018 gezeigt. In dem jährlich erscheinenden Papier dokumentiert die Bundesregierung, wie sie dabei vorankommt, den Klimaschutz-Aktionsplan von 2014 umzusetzen, mit dem das Klimaziel für 2020 erreicht werden soll. Das Ergebnis in einem Wort: schlecht.

Das liegt dem Bericht nach vor allem daran, dass die Regierung 2014 die Wirksamkeit ihrer Pläne überschätzt hat. Beispiel Verkehrssektor: Bei den Berechnungen für den Aktionsplan war sie von höheren Effizienzsteigerungen und geringerer Nutzung von Autos ausgegangen, als es eingetreten ist. Der Verkehr gilt als großes Sorgenkind des Klimaschutzes, da dort die Emissionen zuletzt sogar wieder angestiegen sind.

Aber auch im Stromsektor läuft dem Bericht nach nicht alles nach Plan: Die »Sicherheitsbereitschaft« von 2700 Megawatt Braunkohleleistung wird nicht die versprochenen 12,5 Millionen, sondern nur 11,5 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das begründet die Regierung mit der »Anzahl der sich im Betrieb befindenden Steinkohlekraftwerke«. Soll heißen: Der Strommarkt ist momentan so gestrickt, dass für die sehr klimaschädliche Braunkohle oft die nur etwas weniger CO2-trächtige Steinkohle einspringt statt erneuerbarer Energien.

Mit einigen zusätzlichen Einsparungen rechnet die Bundesrepublik zwar bis 2020 noch - allerdings auch nur, weil die Preise im europäischen Emissionshandel steigen, nicht etwa wegen eigener Anstrengungen.

Genau solche fordern die Initiatoren der Anti-Kohle-Demonstration. »Das Jahr hört in Sachen Klimaschutz auf, wie es angefangen hat: mit Nichtstun und Vertagen der notwendigen Entscheidungen«, kritisierte BUND-Chef Hubert Weiger. Die Regierung müsse das Paris-Abkommen einhalten, »das erfordert den Kohleausstieg noch vor 2030«.

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